Europäischer Stahlbau in den USA: Sprung über den Teich
Hochwertige Stahldetails für den Einfamilienhausbau sind in den USA praktisch unbekannt, werden von solventen Bauherren aber zunehmend nachgefragt. Die entsprechende Kompetenz im Stahlhandwerk gilt dort aber als gering. Eine Schaffhauser Firma bedient diese Marktlücke erfolgreich.
Quelle: Rainer Menkhaus Fotokunst
Strassenansicht von Südosten: Das Wohnhaus liegt auf einer leichten Anhöhe.
Angefangen hat für die Ruf &
Keller GmbH aus Schaffhausen alles im Jahr 2014. Damals hatte das Unternehmen
den Auftrag, in einem deutsch-schweizerischen Grenzort einen Stahlbalkon für
ein älteres Einfamilienhaus zu bauen und diesen zu montieren. Auftraggeber war
mit Dr. Wolfgang Hofgaertner ein deutsch-amerikanischer Mediziner, der in den
Vereinigten Staaten zu Wohlstand gekommen war. Bei dem Auftrag handelte
sich um sein Elternhaus, in dem seine betagte Mutter wohnte.
Der Auftraggeber zeigte sich begeistert von der Ausführung und der Qualität des Stahlbaubalkons und stellte fest, dass es so etwas in den Vereinigten Staaten nicht gibt. Auch existiert in den USA kein Ausbildungssystem für das Handwerk mit Auszubildenden, Gesellen und Meistern wie in Deutschland oder der Berufslehre in der Schweiz: Jeder ist berechtigt, zum Beispiel einen Schlossereibetrieb zu eröffnen, was die Auswahl qualifizierter Handwerker ungleich erschwert. Dr. Hofgaertner lud Markus Ruf, Inhaber der Ruf & Keller GmbH ein, nach Amerika zu kommen und sich selbst von der Existenz dieser Marktlücke zu überzeugen.
Quelle: Rainer Menkhaus Fotokunst
Südansicht des Gebäudes mit dem geschützten Freisitz, dem Screen-Porch, auf deutsch «Fliegengitterveranda».
Markus Ruf reagierte darauf zunächst sehr zurückhaltend. Er war davon überzeugt, dass es in einer 340 Millionen Einwohner zählenden Volkswirtschaft sicherlich keines mittelständischen Stahlbauers aus Schaffhausen bedürfe und liess das Angebot einige Jahre ruhen. Doch Herr Dr. Hofgaertner sowie seine amerikanische Partnerin Frau Christine Coster insistierten und konnten ihn im September 2018 für eine Reise nach New Jersey gewinnen.
Das zu dieser Zeit noch im Rohbau befindliche Haus des Paars liegt in Florham Park, etwa eine halbstündige Zugfahrt vom New Yorker Stadtzentrum entfernt. Der inzwischen fertiggestellte Neubau ist für europäische Verhältnisse extrem weitläufig. Es ist ein Hybrid aus halböffentlichem Repräsentationsbau und privatem Wohnhaus, wobei der eigentliche Wohnbereich streng vom repräsentativen Teil getrennt ist.
Quelle: Rainer Menkhaus Fotokunst
Blick auf die Gebäudevorfahrt: Links das Hauptgebäude, rechts oberhalb der Garagen der Gästezimmerflügel. Das Treppengeländer ganz rechts wurde von der Ruf & Keller GmbH erstellt.
Unendliche Weiten
Das für ihre siebenköpfige Patchwork-Familie errichtete Gebäude – mittlerweile sind alle fünf Kinder aus dem Haus – verfügt über eine Wohnfläche von rund 1000 Quadratmetern, weist jedoch zahlreiche Gäste- und Kinderzimmer mit separaten Bädern auf. Dazu gibt es fünf Küchen: eine Hauptküche, eine Butler's Pantry, eine Frühstücksküche, eine Küche im angegliederten Swimming-Pool-Haus und eine Outdoor-Küche.
Zusätzlich finden sich weitere Wohn- und Speisezimmer, ein Arbeitszimmer, ein Heimkino, ein Fitnessraum sowie eine Sauna und ein Dampfbad im Wohnhaus. Ergänzt wird diese für europäische Verhältnisse grosse Zimmeranzahl um eine Freizeit- und Musiketage im Spitzboden. Hinter dem auf einer Geländekuppe liegenden Gebäude befindet sich ausserdem ein Schwimmbecken mit angeschlossenem Whirlpool. Dieser Bereich wird flankiert von einer BBQ-Küche und einer separaten Cocktailbar.
Bei der ersten Amerika-Reise von Markus Ruf existierten all diese Ausbauten nur auf dem Plan. Das Bauherrenpaar nutzte Rufs einwöchigen Aufenthalt, um ihm die Häuser von Freunden und Bekannten im weiteren Umfeld von New York zu zeigen. Dabei besichtigte Ruf auch Anwesen mit Wohnflächen von bis zu 6000 Quadratmetern.
Seine Gastgeber verwiesen immer wieder auf den Umstand, dass diese Anwesen zwar einerseits sehr weitläufig sind, nicht aber die von Europäern erwarteten, entsprechenden Ausbaustandards aufwiesen. So waren die Treppen, Geländer und Balkone durchweg in Holz gefertigt, die Innentüren besassen keine Falze, die Türrahmen keine Zargen, weshalb Licht und Schall ungehindert durch die klaffenden Türstösse drang. Das Paar verdeutlichte Markus Ruf, dass in den USA durchaus ein Bedarf an europäischen Bauprodukten im Objektbereich existiert.
Quelle: Rainer Menkhaus Fotokunst
Der Treppenturm fungiert als Scharnier zwischen den Gebäudeflügeln. Der von Ruf & Keller erstellte Balkon dient im Brandfall zum Anleitern.
Quelle: Rainer Menkhaus Fotokunst
Innenaufnahme des Treppenturms: das Fensterband oben liegt direkt unter dem Balkon. Die Treppe wurde von der Schweizer Firma gefertigt.
Fünf Stahltreppen und mehr
Noch vor Ort nahm Markus Ruf den Auftrag an, fünf Stahltreppen in Europa zu bauen, diese in die Vereinigten Staaten zu verschiffen und dort deren Montage vor Ort zu überwachen. Nach seiner Rückkehr liess er in dem Programm «SolidWorks» digitale 3D-Planzeichnungen von seinen hauseigenen Ingenieuren entwickeln, überprüfte diese vor Ort in den USA und fertigte in seinem Betrieb die Treppen. Im Mai 2019 wurden die Treppen verschifft und anschliessend erfolgreich montiert. Die Bauherren zeigten sich begeistert von der Ausführung und der Qualität der Treppen und beauftragten daraufhin die Ruf & Keller GmbH mit dem Bau von Aussengeländern und drei Pergolen aus Stahl für den Poolbereich.
So flog Ruf Anfang März 2020 – die Corona-Pandemie stand kurz vor ihrem Ausbruch – erneut in die Staaten, um ein Aufmass für diesen Auftrag zu erstellen. Sein Rückflug war tatsächlich einer der Letzen, der aus den Vereinigten Staaten nach Europa ging. Es folgte der weltweite Lockdown und Markus Ruf legte das Projekt zunächst für mindestens zwei Monate zur Seite.
Die Bauherren bekräftigten allerdings ihr weiterhin bestehendes Interesse an der Pergolen-Ausführung durch die Schaffhauser Firma und versicherten, dass sie damit auch bis zum Lockdown-Ende warten würden. Dass sich damit eine gut eineinhalbjährige Verzögerung ergab und schlussendlich fast zwei Jahre zwischen Auftragserteilung und deren Fertigstellung lag, war damals nicht abzusehen.
Quelle: Rainer Menkhaus Fotokunst
Ganz oben im Hauptgebäude befindet sich der Schlafraum der Eigentümer. Eine Wendeltreppe führt hier zu einer Empore, an die ein Fitness- und Freizeitraum anschliesst.
Quelle: Rainer Menkhaus Fotokunst
Im Hauptgebäudes gibt es noch eine zweite, einläufige Treppe, die auch von der Schweizer Firma erstellt wurde. Im Bild gut erkennbar sind hier die Innentüren mit den europäischen Falzzargen.
Vernachlässigter Korrosionsschutz
Anders als in Europa, wird in den Vereinigten Staat ein wirksamer Korrosionsschutz weitgehend vernachlässigt. Während in unseren Breiten Feuerverzinkungen und Pulverbeschichtungen Alltag am Bau sind, führt man dort entsprechende Arbeiten im Wohnungsbereich nach wie vor von Hand, etwa mit der Lackrolle aus.
Entsprechend zeichnet den europäischen Stahlbau nicht nur die Kompetenz und die maschinentechnische Ausstattung zur präzisen Produktion der Bauteile aus, sondern darüber hinaus auch die dauerhaft beständigen und optisch attraktiven Schutzbeschichtungen. Auch dies ist ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt bei der Herstellung von Metallbauteilen in Europa.
Quelle: Rainer Menkhaus Fotokunst
Westansicht des Gebäudes. Hier erfolgt der Austritt aus dem Hauptgebäude in den Garten.
53 Innentüren mit Türzargen
In der Bauphase zog die Bauherrenschaft die Ausstattung mit weiteren europäischen Ausbaudetails in Betracht. Kurz entschlossen fragten sie bei Markus Ruf an, ob er auch anders gelagerte Bauprodukte beschaffen und nach Amerika senden könnte. Das konnte er durchaus, weshalb nunmehr in dem Wohngebäude 53 schalldämmend gefalzte Innentüren mit entsprechenden Türzargen (in den USA komplett unüblich) und fünf hochwertige Einbauküchen verbaut wurden. Darüber hinaus wurden ein Buchenparkettboden verlegt und entsprechende Fussleisten montiert. Denn tatsächlich ist Buche in Nordamerika eines der teuersten Bauhölzer überhaupt, da die Baumsorte vor Ort kaum mehr vorkommt. Das hochwertige Holz wurde nämlich während der Besiedlung im 19. Jahrhundert gezielt geschlagen und nie nachgepflanzt.
Schliesslich wurde das Anwesen auch noch mit europäischen Designermöbeln ausgestattet, da dort vornehmlich altitalienische Möbel im Objektbereich nachgefragt werden. Diese wurden ganz regulär bei renommierten Möbelherstellern für den Objektbereich eingekauft.
Quelle: Rainer Menkhaus Fotokunst
Auch die Pergolen um den Pool wurden durch das Metallbauunternehmen erstellt.
Sinn und Zweck
Markus Ruf merkt an, dass es für erfolgreiche Geschäfte mit US-amerikanischen Kunden unerlässlich ist, die europäische Brille ab- und eine amerikanische aufzusetzen. Oft gilt dort, dass Anschaffungen nicht getätigt werden, weil sie erforderlich sind, sondern weil man «es sich leisten kann und auch will».
Seine deutsch-amerikanische Bauherrschaft bildet insofern eine Ausnahme, da diese den Bau nicht nur bewohnen, sondern damit auch einen Showroom für europäische Bauprodukte schufen. Die Aufgabe von Markus Ruf ist es, diese Bauprodukte herzustellen oder zu beschaffen. In dem Neubau der Familie Hofgaertner-Coster werden diese dann im Rahmen von sogenannten House-Parties präsentiert und Verkäufe angebahnt. Tatsächlich ist diese Art der halböffentlichen Events in den USA sehr beliebt: Man lädt dazu sein erweitertes Netzwerk ein oder Menschen, bei denen man eine entsprechende Kaufabsicht vermutet.
Genau für diese Veranstaltungen gibt es die scharfe Trennung zwischen dem repräsentativen Wohnungsteil und den strikt privaten Räumlichkeiten. Denn natürlich ist es auch in den USA nicht erwünscht, dass wildfremde Menschen im eigenen Schlafzimmer stehen. Für diese Art der Parties sind daher auch die erwähnten zahlreichen Gästezimmer und natürlich die Outdoor-BBQ-Kitchen, wie auch die Cocktailbar am Pool vorgesehen. Bei einem Event werden diese Orte – ebenso wie die Hauptküche – von einem eigens angemieteten Caterer genutzt.
Schlussendlich kann man Markus Ruf, Dr. Wolfgang Hofgaertner und Christine Coster, die inzwischen mehrere gemeinsame Firmen, unter anderem für den Vertrieb von Bauprodukten gegründet haben, nur gratulieren zu ihrer Idee.