12:09 BAUPRAXIS

ETH-Spin-Off: Auf den Millimeter genau bauen mit AR-Technologie

Teaserbild-Quelle: ETH Zürich / Michael Lyrenmann

Schattenspiele, wellenförmige Muster oder akustische Effekte mit Bausteinen? Die Technologie des ETH-Spin-offs Incon.ai macht es möglich. Mit einer auf Augmented Reality basierten Kamera lassen sich unter anderem Ziegelsteine millimetergenau im Raum platzieren.

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Werden Ziegelsteine in speziellen Winkeln aufeinandergelegt, können architektonische Kunstwerke entstehen. Damit die Effekte aber richtig zur Geltung kommen, müssen die Bausteine millimetergenau passen. Gleichzeitig muss die Konstruktion stabil bleiben. Mit den üblichen Bauplänen und Mauertechniken könne solch eine Präzision nur mit viel Aufwand erreicht werden, wie die ETH in einer Mitteilung von Donnerstag schreibt.

Software unterstützt Maurer

Eine neue auf Augmented Reality (AR) basierende Technologie des ETH-Spin-Offs Incon.ai kann bei der Umsetzung von Schattenspielen, wellenförmigen Mustern oder akustischen Effekten helfen. Entwickelt wurde sie vom Robotiker und ETH-Pioneer-Fellow Timothy Sandy. Die Architekten erstellen dabei das Design am Computer und laden die 3D-Pläne auf eine Software.

In der praktischen Umsetzung auf der Baustelle richten die Maurer dann eine Kamera auf das Bauwerk. Die Software erkennt die Objekte und vergleicht dabei die Position der einzelnen Teile mit jener im virtuellen Design. Auf einem Monitor zeigt sie den Bauarbeitern anschliessend millimetergenau, wie sie die Ziegelsteine ausrichten müssen.

Weinkeller mit Lichtmuster-Fassade

Dank der AR-Technologie sei es Menschen möglich, praktisch genauso exakt zu bauen wie Roboter, erklärt Timothy Sandy in der Mitteilung. Dadurch seien völlig neue Bauten und Formen möglich. Das zeigen bereits zwei Pilotprojekte, in denen die neue Software zur Anwendung kam.

Am Fusse des Olymps in Griechenland entwarfen die ETH-Architekten von Gramazio Kohler beispielsweise einen Weinkeller mit einer Fassade von total 225 Quadratmetern. Realisiert wurde der Bau innerhalb von weniger als drei Monaten gemeinsam mit einem lokalen Unternehmen.

Die Fassade des Weinkellers ist dabei halbtransparent gehalten und erzeugt Lichtmuster, die sich im Verlauf des Tages verändern. Dies wird durch Lücken in den einzelnen Ziegelsteinen erreicht, die gleichzeitig für optimale Licht- und Luftverhältnisse im Rauminneren sorgen (siehe Video).

Schattenmuster und Lärmschutz mit Holz

Beim zweiten Projekt handelt es sich um die Wände einer Cafeteria der Firma Basler & Hofmann im Dorf Esslingen im Kanton Zürich. Die Holzkonstruktion wurde ebenfalls von den Architekten Gramazio Kohler entworfen. Dabei wurden die einzelnen Klötze vorgängig auf der Vorderseite zu Polygonen abgesägt.

Durch die asymmetrische Form der Bauklötze entstehen wechselnde Schattenmuster. Die Lücken zwischen den einzelnen Holzblöcken schlucken ausserdem Lärm und unterstützen die dahinterliegende Belüftungsanlage. Insgesamt drei Wände mit einer Fläche von total 90 Quadratmetern wurden auf diese Weise konstruiert.

Kombination aus Computer-Design und Handarbeit

Bezüglich Mobilität und Geschicklichkeit seien Roboter noch weit von menschlichen Fähigkeiten entfernt, so Sandy. Nur mit ganz spezifischen, flachen Bausteinen lasse sich heute bereits robotergestützt bauen. Die Technologie kombiniere die Vorteile von Computer-Design und Handarbeit. In beiden Pilotprojekten wurde die Software jeweils auf einen Computer geladen, der mit einer Kamera und einem Monitor verbunden war. Als Endgerät genüge aber auch ein einfaches Smartphone.

Im Vergleich zu anderen AR-Lösungen sei die neue Technologie viel präziser, wie Timothy Sandy weiter erklärt: Sie erkenne und verfolge Objekte auch dann noch, wenn etwas die Sicht verdecke oder Elemente im Hintergrund stören. Auch starkes Wackeln der Kamera oder ein Systemneustart stellen gemäss dem Software-Entwickler kein Problem dar.

Noch präzisere Software

Vor kurzem hat Timothy Sandy zusammen mit Fadri Furrer und Abel Gawel das ETH-Spin-Off incon.ai gegründet. Im Rahmen des Pioneer Fellowships der ETH prüfe Sandy derzeit, wie und für wen die Technologie dereinst auf den Markt kommen könnte.

Die Junggründer wollen die Technologie zudem auch weiterentwickeln: Die Software solle noch präziser, stabiler und benutzerfreundlicher werden. Das Team arbeitet zudem auch daran, den Prozess zu beschleunigen, so dass computergestütztes Bauen dereinst gleich schnell ist wie die üblichen Methoden. (mgt/pb)

Zur Homepage desETH-Spin-Offs:incon.ai

Zur Mitteilung der ETH: ethz.ch/content/main/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2020/07/millimetergenau-schief.html

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