Emil Zbinden, ein Baustellen-Maler
Alpine Grossbaustellen faszinieren und sind oft umstritten. Das gilt heute und galt auch für die 1950er-Jahre, als der Maler Emil Zbinden mit Künstlerfreunden die Arbeiten am Staumauerprojekt Oberaar in der Grimselregion porträtierte. Das Alpine Museum hat diesen Werken eine Ausstellung gewidmet.
Das Klima (2300 m) war nicht für Schönmalerei geeignet», vermerkte der Maler, Zeichner und Holzschneider Emil Zbinden (1908-1991) in seinen autobiographischen Notizen über seine Arbeit auf der Baustelle des Staumauerprojekts Oberaar der Kraftwerke Oberhasli (KWO) in der Grimselregion. Allerdings wollte er auch nichts von solchen Gemälden wissen. Vielmehr interessierte ihn die Darstellung von Berglandschaften, in denen der Mensch unübersehbar und auf gewaltige Weise seine Spuren hinterlässt. Die Grossbaustellen im Gebirge wie jene auf dem Grimsel zogen ihn in den Bann: «Der Lärm der Transporter oder der Ölgeruch der beladenen Macks», notierte er weiter. «Der Talkessel bei Nacht, die vielen Lichter, die Arbeitsameisen, die Laster auf der beleuchteten, neun Meter breiten Asphaltstrasse.» Der Ort war für ihn «ein Märchen bei Vollmond», das von der Natur und der Technik erzählte.
Baustelle in der Kulturzeitschrift Du
Zbinden gilt als einer der wichtigsten Schweizer Realisten des 20. Jahrhunderts. In erster Linie als Illustrator bekannt, lenkt die Ausstellung des Alpinen Museums den Blick auf eine weniger bekannte Seite seines Werks: Zbinden stand ab Mitte der 1950er-Jahre im Zentrum einer Künstlergruppe, die sich mit der Oberaar-Baustelle befasste. Mit Eugen Jordi (1894-1983) und Rudolf Mumprecht (geboren 1918) suchte Zbinden nach Wegen, das Gebirge jenseits einer idealisierten, touristischen Sichtweise abzubilden. So zeigte er die schneebedeckten Gipfel immer nur zusammen mit der monumentalen Betonmauer ab, die langsam in die Höhe wuchs.
Jordis, Mumprechts und Zbindens Werke fanden schliesslich auch Eingang in die Kulturzeitschrift «Du», die ab 1950 die Arbeiten am Grimsel dokumentierte. In der Nummer zum Abschluss der Bauarbeiten von 1954 konnten die drei einige ihrer Werke veröffentlichen. Die Redaktion ergänzte sie mit Fotografien von Jakob Tuggener, Emil Schulthess, Anita Niesz und Hans Tschirren. Auch sie sind in der Schau zu sehen, und ebenso Fotografien von Heinz Bysäth. Er hat als Werkfotograf der Kraftwerke Oberhasli die Grossbaustelle aumfassendsten dokumentiert.
Heute und einst
Völlig neu war das Oberaar-Projekt der KWO übrigens nicht: Sie hatten in dem Gebiet bereits in den 1920er-Jahren den Grundstein für mehrere Wasserkraftanlagen gelegt. Die starke Wachstumsphase des Landes in der Nachkriegszeit machte den Ausbau dieser Anlagen notwendig – und damit auch die Oberaar-Staumauer. Derweil formierten sich bereits damals rund um das Projekt des Wasserkraftwerks Rheinau im Kanton Zürich breite Naturschutzkreise und setzten sich für eine neue Gesetzgebung im Umgang mit der Ressource Landschaft ein.
Heute bilden die KWO-Anlagen die grösste Kette von Pumpspeicherkraftwerken der Schweiz und gehören mit der Staumauer Grande Dixence zu den grössten Anlagen. Aktuellstes Projekt: In der Geländemulde, die der sich zurückziehende Trift-Gletscher hinterlassen hat, soll bis 2030 das grösste neue Wasserkraftwerk im Kanton Bern realisiert werden. Wie das KWO-Projekt Grimsel-West, das seit den 1980er-Jahren von Naturschützern und Umweltorganisationen abgelehnt wird, ist auch das Trift-Projekt umstritten. (mai/mgt)
Baustelle Fortschritt bis 18. August
Ort: Alpines Museum der Schweiz, Bern
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntat, 10 bis 17 Uhr
Weitere Informationen: www.alpinesmueum.ch