Elektrifizierte Baumaschinen: effizient und leise
Die Elektrifizierung von Baumaschinen gehört zu den wichtigsten aktuellen Tendenzen auf dem Markt. Ganz mit vorne dabei ist das Schweizer Unternehmen Suncar, das für diverse Hersteller elektrifizierte Modelle entwickelt. Die SBB haben einen E-Bagger von Suncar und Hitachi getestet.
Quelle: SBB
Der elektrisch betriebene Hitachi ZE85, von Suncar entwickelt, wurde auf der SBB-Baustelle in Minusio TI während eines Jahres mit Erfolg getestet.
Die Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich, 1855, gehört seit Langem zu den führenden Ausbildungsstätten Europas. Aktuell belegt sie Platz vier, als erste nicht-englische Universität. Und die ETH ist schon lange eine Brutstätte für Unternehmensgründungen, die aus einzelnen Forschungsprojekten hervorgehen. Letztes Jahr erreichte man gar einen Rekord mit 43 Spin-offs.
Eine dieser neuen Unternehmen ist die Suncar AG, die 2015 gegründet wurde. Die Firma entstand aus einem Fokusprojekt der ETH für Studierende der Maschinenbau- und Elektroingenieurswissenschaften, das sich anfangs der Entwicklung eines Rennwagens mit Elektroantrieb widmete. Doch bald erwachte bei den Forschenden auch das Interesse an der Baubranche, die schon 2010 erste Prototypen eines E-Baggers bauten.
Quelle: SBB
Der 8,5 Tonnen schwere ZE85 wurde über Mittag und nach Feierabend aufgeladen, was sich problemlos in die Abläufe auf der Baustelle einpassen liess.
Prototypen und Kleinserien
Die Suncar AG elektrifiziert Baumaschinen in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Herstellern, liefert diesen also als eine Art externe Entwicklungsabteilung Prototypen. So wurde 2019 an der Bauma in München ein Kompakt-Raupenbagger vorgestellt, den man zusammen mit der Kenki Technology Group (KTEG) und dem Hersteller Hitachi konstruiert hatte. Erste Einsätze hatte die Maschine in Norwegen, dem am weitesten entwickelten Markt für Elektrofahrzeuge in Europa. Die erste Kleinserie dieser Kompaktbagger verliess 2021 die Fabriken von KTEG; weitere Modelle folgten. Eine Zusammenarbeit fand auch statt im Auftrag des Takeuchi-Distributors Huppenkothen, zu dessen Konzern die Suncar AG gehört: Hier wurden zwei kompakte Elektrobagger von 1,9 und 6 Tonnen Gewicht mit Lithium-Ionen-Batterien ausgerüstet.
Doch es blieb nicht bei Kleinfahrzeugen: Im Jahr darauf entwickelte die Suncar den ersten batteriebetriebenen Raupenkran der Welt, den «LR1250.1 unplugged», stolze 212 Tonnen schwer und mit einer Hebeleistung von 250 Tonnen. Die Batterie hat eine Laufzeit von vier Stunden und lässt sich in zweieinhalb wieder aufladen. Inzwischen sind bereits geschätzte 350 batteriebetriebene Raupenbagger weltweit in Aktion, nebst Norwegen in anderen Ländern, in denen die Entwicklung mit Fördergeldern unterstützt wird. Dazu wurde mit Liebherr das Drehbohrgerät «LB16» gebaut: Die 55 Tonnen schwere Maschine hat eine Batterielaufzeit von zehn Stunden, kann also mit einer Ladung eine ganze Schicht gut durchhalten.
Quelle: Liebherr
Der erste elektrifizierte Raupenkran der Welt, der «LR1250.1 unplugged», stolze 212 Tonnen schwer und mit einer Hebeleistung von 250 Tonnen.
Verzicht auf Hydraulik
Ein weiterer Ansatz von Suncar ist der Verzicht auf Hydraulik: Das ETH-Spin-off hat einen Zwei-Tonnen-Bagger entwickelt, der komplett elektrisch arbeitet. Dadurch vermeidet man die unvermeidlichen Verluste in einem hydraulischen System, was wiederum eine höhere Effizienz, aber auch Leistungsdauer verspricht.
In der Schweiz findet die Elektrifizierung erst langsam Einzug auf Baustellen. Und dies, obwohl die Baumaschinen hierzulande pro Jahr 162 Millionen Liter Diesel verbrauchen, was drei Prozent des gesamten nationalen Verbrauchs ausmacht. Dies hat die SBB errechnet, die zudem die jährliche CO2-Emission der eigenen Baumaschinen auf 40'000 Tonnen schätzt.
Quelle: Suncar AG
Im Auftrag des Takeuchi-Distributors Huppenkothen hat dessen Tochterfirma Suncar AG wurden zwei kompakte Elektrobagger von 1,9 und 6 Tonnen Gewicht mit Lithium-Ionen-Batterien ausgerüstet.
SBB will grün werden
Also haben sich die Bundesbahnen hohe Umweltziele gesetzt: Sie wollen ihre fossilen Emissionen bis 2030 halbieren, verglichen mit 2018. Bis 2040 will man zudem alle Baustellen CO2-neutral betreiben. Deshalb hat die SBB erstmals auf einer Baustelle den «Hitachi ZE85» getestet, einen von Suncar elektrifizierten 8,5-Tonnen-Bagger, sowie einen E-Dumper. Finanziert wurde das Pilotprojekt aus dem Klimafonds der SBB.
Die Fahrzeuge waren vom Sommer 2022 bis 2023 täglich auf der Baustelle im Einsatz und wurden jeweils während der Mittagpause und natürlich nach Feierabend frisch mit Strom «betankt». «Die Auswertung der Daten hat gezeigt, dass mit diesem Lade-Rhythmus alle Arbeiten problemlos ausgeführt werden konnten», sagt SBB-Mediensprecher Martin Meier. Der elektrische Bagger brauchte dabei nur 11 Kilowattstunden Strom pro Arbeitsstunde, was sehr effizient ist.
Quelle: zvg
Eine weitere Zusammenarbeit mit Hersteller Liebherr: das 55 Tonnen schwerer Drehbohrgerät LB16. Es kann mit einer vollen Batterieladung rund zehn Stunden arbeiten.
Radiohören in Baggernähe
Die Rückmeldungen der Mitarbeitenden auf der Baustelle waren durchwegs positiv. «Am meisten geschätzt haben die Leute die massive Lärmreduktion. Diese hat die Kommunikation untereinander deutlich vereinfach«», so Meier. Es war sogar möglich, auf der Baustelle in Baggernähe Radio zu hören. Von dem tieferen Geräuschpegel und der von Abgasen befreiten Luft profitieren natürlich auch die Anwohnenden der Baustelle.
Technisch sind die Anforderungen an eine elektrisch betriebene Baumaschine sehr hoch. Da diese Fahrzeuge den ganzen Tag im Einsatz sind, müssen die Systeme höhere Leistungen bringen als zum Beispiel bei einem Auto. Zudem muss die Batterie je nach Bedingungen gekühlt oder beheizt werden, um eine optimale Leistung zu erzielen. All dies können die Spezialisten von Suncar aus der Ferne überwachen, mittels eines selber entwickelten Diagnosetools.
Quelle: SUNCAR HK AG
Grössere Kiste: der mit Strom betriebene Takeuchi TB1140, immerhin 16 Tonnen schwer.
Diverse Projekte angedacht
Zurzeit ist das Unternehmen mit rund 50 Mitarbeitenden an zwei Standorten tätig. Aktuell entwickelt man zusammen mit dem Hersteller Meili elektrifizierte Kommunalfahrzeuge für die Reinigung im öffentlichen Raum. Doch es sind diverse weitere Projekte angedacht: So etwa E-Cargoschlepper, E-Feuerwehrautos und E-Pistenfahrzeuge für Flughäfen, oder elektrifizierte Asphalt-Belagsfertiger für Autobahnen.
Bei den SBB werden aktuell elektrische Baumaschinen und Geräte nur noch punktuell eingesetzt und getestet. In grösserem Umfang will man ab Herbst 2025 wieder E-Bagger und andere Maschinen auf SBB-Baustellen einsetzen: Dann auch unterstützt durch Fördergelder des Programms «Energiestrategie 2050 im öffentlichen Verkehr». Denn der Einsatz von strombetriebenen Maschinen lohnt sich auch finanziell: Zwar sind die Anschaffungskosten für elektrische Baumaschinen derzeit noch höher als bei fossil betriebenen. Doch sind die Betriebskosten deutlich niedriger, was sie langfristig wirtschaftlich attraktiv macht. Dieser Effekt wird sich bei steigenden CO2-Abgaben noch verstärken.
Quelle: Hitachi
Der Hitachi ZE 85e, 8 Tonnen schwer, von Suncar zusammen mit der Kenki Technology Group (KTEG) gebaut.
Anforderungen in Ausschreibungen
«Bis alle Baustellen umgerüstet sind und zum Decken des Restbedarfs wird seit April 2024 dem herkömmlichen Diesel der Zusatz ‹HVO› beigemischt», so Martin Meier. Dadurch werden die direkten CO2-Emissionen der herkömmlichen Schienenfahrzeuge um bis zu einen Viertel reduziert.
Doch in Zukunft wird sich bei Baustellen der Bundesbahnen Einiges ändern: So werden Ausschreibungen bald spezielle Anforderungen für den Einsatz elektrischer Maschinen enthalten, wie ein SBB-Onlinebericht verrät. Damit sind auch die Planungsbüros und Bauunternehmen gefordert: Die Planer müssen elektrische Anschlüsse und die Ladezeiten der Maschinen mit berücksichtigen. Die Bauunternehmen müssen ihre Baustellen so organisieren, dass die passende Infrastruktur für den Ladevorgang geschaffen wird. Und, nicht vergessen, das Personal muss für den E-Bagger & Co. Frisch geschult werden.