Ein Rechenzentrum aus dem 3D-Drucker in Heidelberg
Ein Haus aus dem 3D-Drucker ist inzwischen keine Schlagzeile mehr wert. Ein 54 Meter langer -Gewerbebau aus dem 3D-Drucker, wie er derzeit in der deutschen Stadt Heidelberg entsteht, ist hingegen ein neuer Europarekord.
Quelle: SSV Architekten
Das neue Serverhotel der lokal ansässigen Krausgruppe im Endzustand: Ab Juli darf es sich das grösste gedruckte Gebäude Europas nennen.
Die deutsche «Krausgruppe» braucht Platz
für ihre Server. Dies nutzt das Immobilienunternehmen aus, um einen ikonischen,
Aufsehen erregenden Neubau zu errichten: In der Stadt Heidelberg wird zwischen
April und Juli dieses Jahres ein 54 Meter langer, 11 Meter tiefer und neun Meter
hoher Gewerbebau für ein IT-Serverhotel hochgezogen – per 3D-Drucker und mit
gerade mal zwei Personen an dessen Steuerung.
Rezyklierbarer Spezialmörtel
Innert wenigen Wochen entsteht auf dem für
das Rechenzentrum vorgesehenen Gelände, das früher das Hauptquartier der
US-Streitkräfte in Europa beherbergte, das aktuell grösste mit einem Printer
hergestellte Gebäude des Kontinents. Wobei dieser Rekord aber bald wieder
gebrochen werden dürfte.
Um ein Gebäude zu drucken, braucht es in
einem ersten Schritt eine Bodenplatte. Auf dieser wird anschliessend ein
Metallrahmen fest installiert, auf dem sich der Portaldrucker über alle drei
Achsen und an jede beliebige Position bewegen kann. Auf diese Weise muss er für
den Einsatz nur einmal kalibriert werden.
Der in Heidelberg verwendete Drucker kommt
von der Peri GmbH, die Drucktechnologie stellt das dänische
Spezialbauunternehmen Cobod, und die lokal ansässige Heidelberg Materials
liefert die rund 450 Tonnen Beton. Genauer gesagt handelt es sich dabei um
einen zu hundert Prozent rezyklierbaren Spezialmörtel, der ein CO2-optimiertes
Bindemittel enthält. Gemäss Hersteller verursacht dieser Baustoff 55 Prozent
weniger Kohlendioxyd-Emissionen als herkömmlicher Portlandzement.
Quelle: Krausgruppe
Baustelle in Heidelberg: Die vier Metallstützen ermöglichen es dem Drucker, an jede beliebige Position zu fahren.
Pump- und extrudierbar
«Der für den 3D-Druck entwickelte Mörtel
muss gut pumpbar und extrudierbar sein», erklärt eine Expertin der Heidelberg
Materials gegenüber den Medien. «Zudem muss er schnell eine ausreichende
Tragfähigkeit bilden, damit die unteren Schichten nicht unter der Last der
oberen Schichten versagen. Hierbei muss gleichzeitig der Verbund zwischen den
Schichten sichergestellt sein.»
Die Peri GmbH gehört in Deutschland zu den
Pionieren der Drucktechnik für Gebäude: Bereits im Herbst 2020 realisierte das
Unternehmen so etwa im westfälischen Beckum das erste geprintete Wohnhaus des
Landes, ein immerhin zweigeschossiges Einfamilienhaus. Ein Jahr darauf
realisierte Peri dann im Ortsteil Wallenhausen der bayerischen Stadt
Weissenhorn ein Mehrfamilienhaus mit Hilfe des Portaldruckers.
In Heidelberg formt der Peri-Drucker die
Aussenmauern und die Wände des zukünftigen Rechenzentrums, indem er –
vereinfacht gesagt – Betonwurst über Betonwurst legt. Die Aussenmauern des
Gebäudes bestehen aus drei je sechs Zentimeter dicken Schalen, einer äusseren
Wetterschale und zwei Innenschalen, die sich während des Druckvorgangs
miteinander verbinden.
Quelle: Aleksej Keksel / Heidelberg Materials
Charakteristisch: Die mit 3D gedruckte Mauer sieht aus, als hätte sie einen Kammzugputz erhalten.
Drucker liebt Rundungen
Während des Drucks des Neubaus, der im
April begann, werden die Ergebnisse per Kamera überwacht. Der Druck erfolgt
jeweils in dünnen Schichten. Deshalb sieht die Fassade am Ende auch so aus, als
habe sie einen Kammzugputz erhalten. Neben den Fensteröffnungen erhält die
Fassade zudem einige Schmuckstrukturen.
Diese lassen sich ganz einfach durch die
Steuerung der Druckdüse erzeugen. Auffallend an diesem, wie auch bei anderen
3D-gedruckten Gebäuden, sind die fehlenden Kanten: Gemäss den zuständigen
Ingenieuren fühlt sich der Drucker bei Rundungen zuhause, weshalb der Bau runde
Ecken erhält.
Das Gerät arbeitet mit einer
Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde, womit es für einen Quadratmeter
einer doppelschaligen Wand etwa fünf Minuten benötigt. Wobei man bei Peri
betont, man drucke in Heidelberg nicht mit dem höchstmöglichen Tempo. «Wir
wollen die Gelegenheit nutzen, weitere Erfahrungen im Alltagsbetrieb zu
sammeln, die uns beim nächsten Druckprojekt helfen werden, das
Kostensenkungspotenzial unserer Technologie weiter zu heben», so der zuständige
Entwicklungsleiter.
Quelle: PERI AG
Bau des Mehrfamilienhauses in Weissenhorn: Betonwurst für Betonwurst zieht der 3D-Drucker eine Wand in die Höhe, und schafft eine Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde.
Von Hagelschauer überrascht
Hierbei ermöglicht das Gerät nicht nur eine
grosse Freiheit im Design, bei einer entsprechenden Entwurfsplanung kann durch
den Druck auch bis zu siebzig Prozent an Material eingespart werden. Die
Technologie macht Baustellen ausserdem sicherer: Der Einsatz von Werkzeugen und
die damit verbundene Unfallgefall wird deutlich verringert, und die Methode
führt zu deutlich geringeren Lärm- und Staubemissionen.
Auffallend an der Baustelle in Heidelberg
ist eine auf einer Höhe von rund fünf Metern installierte Einhausung, die man
errichtet hat, um einen gewissen Wetterschutz zu haben. Denn wenn es mal wie
aus Kesseln schütten sollte, unterbricht auch der 3D-Drucker seine Arbeit.
Kürzlich wurde man denn auch von einem Hagelschauer überrascht, der auf dem
frisch gedruckten Beton deutliche Spuren hinterliess. Diese liessen sich aber
zum Glück wegretouchieren. Künftig will man indes ohne Wetterschutz arbeiten,
so dass man mit dem Mörtel wird umgehen müssen, wie mit herkömmlichem Beton.
Quelle: PERI AG
Auch in den USA realisierte Peri bereits 3D-Druck-Projekte. Im Bild: Einrichten des Druckers auf einer Baustelle in Tempe in Arizona für den Druck eines Einfamilienhauses. Die Kalibrierung des Geräts muss nur ein einziges Mal erfolgen.
Erstes öffentliches Gebäude
Obwohl das Projekt für alle Beteiligten
Neuland bedeutet, sind sich auch alle darin einig, dass dieser Technologie und
diesem Baumaterial die Zukunft gehört. So will Heidelberg Materials bereits
2030 für die Hälfte seiner Betonprodukte weltweit zirkuläre, also
kreislauffähige, Alternativen anbieten.
Und das nächste grössere Bauprojekt mittels
3D-Betondruck ist auch schon in Realisierung, und es bedeutet nichts weniger
als das erste gedruckte öffentliche Gebäude Deutschlands: In Nordkirchen in
Nordrhein-Westfalen wächst das neue Vereinsheim des Sportclubs «Capelle 71»
Wurst für Wurst in die Höhe. Der kleine Fussballverein, der sich in den
Niederungen der Kreisklasse tummelt, findet sich dank des Projekts ein
vermutlich einziges Mal in den Schlagzeilen.
3D-Druck beim «Nest»
Insgesamt bietet die 3D-Drucktechnologie Lösungen
für die grossen aktuellen Probleme der Baubranche: der stagnierenden
Produktivität, der Nachhaltigkeit, und dem Fachkräftemangel. So jubelt der
Peri-Pressedienst: «Der Drucker als innovatives Gerät erhöht die Attraktivität
des Bauunternehmens als Arbeitgeber und vereinfacht es, qualifizierte
Mitarbeiter zu gewinnen.»
Bereits vor vier Jahren kam auch in der Schweiz ein 3D-Drucker bei einem Bauprojekt zu einem ersten bescheidenen Einsatz: Beim Experimentalbau «Nest» der Empa in Dübendorf, das weitgehend digital entworfen und geplant wurde, kam neben Robotern, die Holzmodule zusammensetzten, auch ein solcher Drucker zum Einsatz. Er produzierte damals die Schalung für eine Geschossdecke.
Linktipps
Homepage des Kraus-Projekts Heidelberg: www.kraus-heidelberg.de
Homepage des Projekts Capelle: 3d-capelle.de