09:18 BAUPRAXIS

Ein neuer Korrosionsschutz, der sich selbst repariert?

Teaserbild-Quelle: Marco D'Elia / ETH Zürich

ETH-​Forscher haben nach einem Zufallsfund einen aussergewöhnlichen Schutz gegen Korrosion entwickelt: Er leuchtet an den Stellen, wo er nicht beschädigt ist, repariert sich selbst - und ist mehrfach wiederverwendbar.

Korrossionsschutz mit Fluoreszenz ETH Zürich

Quelle: Marco D'Elia / ETH Zürich

Fluoreszenz zeigt an, ob der Korrosionsschutz auf der Metallplatte intakt ist.

Wolkenkratzer, Brücken, Schiffe, Flugzeuge, Autos – alles, was der Mensch erschafft, zerfällt früher oder später, heisst es in einer Mitteilung der ETH Zürich von Dienstag. Der Zahn der Zeit heisst Korrosion und der Kampf gegen sie ist teuer. Laut der ETH investieren so etwa alle Länder zusammen pro Jahr rund 3,5 Prozent des globalen Bruttoinlandprodukts in den Korrosionsschutz – also etwa 4000 Milliarden US-Dollar. Dadurch ergibt sich ein riesiger Markt.

Fluoreszenz zeigt Intaktheit von Korrosionsschutz an

Die ETH-Forscher Markus Niederberger und Walter Caseri vom Labor für Multifunktionsmaterialien präsentieren in diesem Zusammenhang nun eine neue Lösung. Das Team hat in den vergangenen Jahren einen Kunststoff entwickelt, der den Korrosionsschutz stark verbessern und vereinfachen könnte. Das «Wundermaterial» heisse Poly(phenylenmethylen), kurz PPM.

Wie die ETH in der Mitteilung weiter schreibt, schlägt das neue Schutzmaterial mehrere Fliegen mit einer Klappe. Als Farbe angerührt und erwärmt, lässt sich das PPM so etwa auf eine Oberfläche aufsprühen und wird fest. Löcher und Risse in der Schutzschicht zeigt das Polymer dann mittels dem Fehlen von Fluoreszenz an.

Darüber hinaus bessert es auch Schäden ohne weiteres Zutun von aussen selbst aus. Hat ein Produkt seine Lebensdauer erreicht, lässt sich die Korrosionsschutzschicht gemäss Mitteilung vollständig ablösen, mit geringem Materialverlust recyceln und auf einer anderen Oberfläche wieder auftragen, ohne dass die speziellen Eigenschaften und Funktionen des Polymers verloren gehen.

Purer Zufall führte zu Schutzmittel

Am Anfang der Entwicklung stand gemäss Mitteilung purer Zufall. Vor rund zehn Jahren arbeiteten Forschende in Niederbergers Labor an der Herstellung von Nanopartikeln in einem speziellen organischen Lösungsmittel. Unter bestimmten Bedingungen wurde das Lösungsmittel fest und polymerisierte. «Das war ungewollt und unerwünscht», so Niederberger in der Mitteilung.

«Wir wussten zu Beginn auch nichts damit anzufangen.» Doch dann entdeckten sie, dass das zufällig entstandene Polymer, PPM genannt, neben seiner hohen thermischen Stabilität eine weitere Eigenschaft aufwies: Es fluoreszierte, obwohl es nach gängigen Vorstellungen gar nicht fluoreszent sein sollte – die Forscher entwickelten es dann gezielt weiter.

Zunächst verbesserte ein Doktorand die Synthese des Polymers. Danach erhielt dessen Nachfolger, der Doktorand Marco D’Elia, den Auftrag, eine sinnvolle Anwendung für PPM zu finden. Diesen Auftrag habe er mit Bravour gelöst, so Walter Caseri, der D’Elia betreute. Dabei halfen auch dessen Kontakte zu Korrosionsfachleuten an der Universitá degli Studi di Milano.

Einfach anwendbar, vielseitig einsetzbar

Labortests zeigten nämlich: Ein Überzug auf PPM-Basis schützt Metalle, vor allem Aluminium, gut vor Korrosion. Obwohl die Schutzschicht bis zu zehnmal dünner aufgetragen werden kann als herkömmliche Schutzmittel, beispielsweise auf Basis von Epoxidharzen, ist sie dauerhaft.

Das Polymer schliesst aber auch Schäden im Belag von selbst. «Mechanismen der Selbstreparatur sind stark gefragt, sie zu erreichen, ist allerdings sehr schwierig und gute Lösungen sind bislang selten», betont Caseri. Um Selbstreparatur zu erreichen, werden normalerweise chemische Zusätze verwendet, die über die Zeit aus dem Polymer verdrängt werden und in die Umwelt gelangen. Nicht so bei PPM: «Dieses Material benötigt keine Zusätze.»

Nachhaltiger als bisherige Korrosionsschutzmaterialien ist PPM laut der ETH aber auch, weil es am Ende des Produktelebens vollständig abgelöst und wiederverwertet werden kann. Dabei geht zwar etwas Polymermaterial verloren, aber die Recyclingrate ist mit 95 Prozent sehr hoch. Die Forscher konnten das Material in ihren Tests fünfmal wiederverwenden.

Studien zur Nachhaltigkeit des PPM-basierten Korrosionsschutzes belegen zudem, dass das Polymer sowohl bezüglich Umwelteinwirkung als auch der menschlichen Gesundheit besser abschneidet als Korrosionsschutzmaterialien auf Epoxidbasis. «Am Ende gibt es für Epoxidharze nur zwei Entsorgungslösungen: Verbrennen oder auf einer Müllhalde deponieren», sagt Marco D’Elia. «Unser Produkt geht den dritten Weg: den des Recyclings.»

Suche nach Industriepartner

Komplett harmlos für die Umwelt ist der PPM-Korrosionsschutz aber dennoch nicht. «Synthetische Produkte haben immer Auswirkungen. Wählt man aber das richtige Vorgehen, kann man diese stark eingrenzen», erklärt der ehemalige Doktorand, der auf eine Kommerzialisierung des Korrosionsschutzes hofft.

Für ihre Erfindung haben die Forscher ein Patent beantragt, das derzeit noch hängig ist. Zudem suchen sie einen Industriepartner, der das Produkt weiterentwickelt und im grossen Massstab herstellt und vertreibt. «Unsere Technologie ist ziemlich weit fortgeschritten, aber um ein Produkt verkaufen zu können, müssen wir es noch verbessern», sagt D’Elia.

Walter Caseri wiederum ist stolz auf das Erreichte. Die chemische Synthese, die Charakterisierung der molekularen Struktur und die Untersuchung von Materialeigenschaften, wie der Fluoreszenz, die für diese Art von Polymer nicht erwartet wurde, zeigen «die ganze Vielseitigkeit der Materialwissenschaft.» (pd/pb)

Zur Mitteilung der ETH Zürich: https://ethz.ch/de

Weitere Informationen zum Korrosionsschutz in der ausführlichen Publikation unter: www.mdpi.com/2073-4360/14/17/3457

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