Die Ruinen der Silos von Beirut sollen als Mahnmal erhalten bleiben
Im Sommer vor zwei Jahren zerstörte eine gigantische Explosion in einem Lagerhaus im Beiruter Hafen grosse Teile der Stadt. Dass manche Quartiere nicht getroffen wurden, verdanken sie den Getreidesilos im Hafen, die Teile der Explosion abfangen konnten. Ihre Überreste erinnern bis heute daran. Nun sollen sie rückgebaut werden. Fachleute und Anwohner wehren sich.
Quelle: Rashid Khreiss, Unsplash
Die Ruinen der Getreidesilos im Hafen von Beirut (links im Bild) knapp drei Wochen nach dem Unglück. Die Silos waren die grössten des Landes und hatten eine Kapazität von 120'000 Tonnen.
Am Abend des 4. August 2020
detonierten in einem Lagerhaus im Hafen von Beirut 2750 Tonnen Ammuniumnitrat.
Die Explosion war von apokalyptischen Ausmassen und gilt als eine der grössten
nicht nuklearen Explosionen in der Geschichte der Menschheit: Sie zerstörte grosse
Gebiete des Hafens und der Stadt. 207 Menschen verloren ihr Leben, 6500 wurden
verletzt und mehr als 300‘000 mussten ihr Zuhause verlassen. Glück im Unglück
hatten diejenigen, deren Wohnung in Umfeld der 50 Meter hohen Getreidesilos
lag. Die Türme barsten zwar teilweise, konnten die Explosion aber fernhalten.
Ihre Überreste sind längst zu einem Mahnmal für die Opfer der Katastrophe
geworden. Ein grosser Teil der Menschen von Beirut möchte die Ruine daher
erhalten.
Trotzdem sollen sie ganz abgebrochen werden, aus
Sicherheitsgründen. Dies ist einem dieser Tage erschienenen Artikel auf dem Online-Newsportal von
Al Jazeera zu entnehmen. Das Schweizer Ingenieurbüro Amann Engineering
GmbH sei in einem Bericht zum Schluss gekommen, dass die Getreidesilos vom
Einsturz bedroht seien, da sie sich langsam neigten, heisst es. „Die Fakten
zeigen, dass es keine Möglichkeit gibt, die Sicherheit auch nur mittelfristig
zu gewährleisten, wenn der Nordblock so bleibt, wie er ist“, wird aus dem
Papier zitiert, das dem Newsportal vorliegt. Wie weiter zu erfahren ist,
sehen es der für die Silos zuständige Wirtschaftsminister Amin Salam aber auch die
libanesische Regierung ähnlich.
Silos sollen stabilisiert werden
Doch mittlerweile engagieren sich auch Fachleute für den
Erhalt der Türme. Ingenieure, darunter Mitglieder des libanesischen Ingenieur-
und Architektenverbandes, fordern, die Silos zu sichern und als Mahnmal zu
erhalten. „Nach einer Vielzahl von Workshops und Diskussionen sind wir zum
Schluss gekommen, dass es kein Bauwerk gibt, das sich nicht stabilisieren
lässt, und zwar sowohl in praktischer als auch in wissenschaftlicher
Hinsicht", erklärte Soha Mneimneh, Stadtplanungsforscherin am Urban Lab
der Amerikanischen Universität von Beirut und Verbandsmitglied, gegenüber Al
Jazeera.
Während über den Erhalt der Silos diskutiert wird, geraten die Ermittlungen zur Explosion im Hafen weiter in Verzug, wie das Newsportal weiss. Am Montag mussten sie zum fünften Mal ausgesetzt werden, weil die angeklagten Beamten abermals Beschwerde gegen den Richter erhoben, der die Ermittlungen leitet. (mai)