Denkmalschutz: Chemischer Schutzschild rettet Bauwerke?
Forscher der Universität Ulm haben einen Meilenstein im Denkmalschutz erreicht: Ein Schutzschild kann Steine unempfindlich gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen machen. Damit könnte zum Beispiel das Kolosseum in Rom vor saurem Regen und Biofilmen geschützt werden.
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Eine Steintreppe im Kolosseum in Rom: Mikroorganismen, sogenannte Biofilme, sind in der Natur in Form von Bakterien, Pilzen und Algen weit verbreitet und lassen die Steine unansehnlich und porös werden.
Denkmalgeschützte Bauten wie das Ulmer Münster, das Kolosseum in Rom, die Pyramiden von Gizeh oder antike Statuen verbindet allesamt das gleiche Problem: Ihre Fassaden werden durch Sauren Regen und Biofilme zerstört. Als saurer Regen werden Niederschläge bezeichnet, die durch Einwirkung industrieller Umweltverschmutzung in Form von chemischen Substanzen einen niedrigeren pH-Wert als etwa 5,5 aufweisen. Auch Mikroorganismen an Oberflächen, sogenannte Biofilme, sind in der Natur in Form von Bakterien, Pilzen und Algen weit verbreitet und lassen die Steine unansehnlich und porös werden.
Meilenstein für Baubranche und Denkmalschutz
Ein Forschungsteam um dem Ulmer Chemie-Professor Carsten Streb hat in Zusammenarbeit mit Kollegen aus dem spanischen Zaragoza und dem französischen Reims einen multifunktionalen Schutzschild entwickelt, der Steine unempfindlich gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen machen kann. Möglich wird das durch eine wasserabweisende und säureresistente Flüssigkeit, die sich als transparenter Schutzfilm auf Natursteine auftragen lässt.
Die Oberflächenbeschichtung namens «POM-IL» könnte gemäss der Universität Ulmeinen Meilenstein für Baubranche und Denkmalschutz markieren. Die Forschenden setzen auf eine salzartige Flüssigkeit, die sich bislang bereits im Korrosionsschutz von Metallen bewährt hat. «POM-IL» habe laut Professor Carsten Streb zudem den Vorteil, dass es individuell auf die jeweiligen Umweltbedingungen angepasst werden kann.
Die Pyramiden von Gizeh stehen heute noch immer – und das 4'500 Jahre nach ihrem Bau. Aber auch an ihnen ist die Zeit nicht spurlos vorbei gegangen: Die neu entwickelte Schutzschicht POM-IL könnte dem vielleicht entgegentreten.
Der Korrosionsschutz im Härtetest
Die Chemiker haben im Labor bereits erste Härtetests durchgeführt: Unter anderem wurden Kalkstein-Proben, die häufig in Belgien und Nordfrankreich verbaut werden, mit zwei Varianten der Flüssigkeit – «POM-IL1» und «POM-IL2» – bestrichen. Danach wurden die behandelten sowie naturbelassenen Proben über 72 Stunden lang in einem Glasbehälter mit Essigsäure bedampft. Das Ergebnis zeigte: Die mit dem Schutzfilm behandelten Referenzpropen haben ihre Form behalten, während die Oberflächen naturbelassener Steine teilweise stark verwittert und beschädigt waren. «POM-IL1» habe zudem eine noch bessere Schutzwirkung gezeigt, was belege, dass sich die Eigenschaften der Flüssigkeiten anpassen lasse.
In einem zweiten Versuch wurde die Unversehrtheit der «POM-IL»-Schicht auf den Natursteinproben untersucht. Hierzu wurden die Propen drei Stunden lang mit simuliertem sauren Niederschlag beregnet. Beim anschliessenden Wiegen hat sich der Schutzschild bestätigt, dessen Beschichtung auch unter diesen Bedingungen mechanisch und chemisch intakt blieb.
Schutzschicht reduziert Mikroben
In einer letzten Untersuchung testete das Team zudem, ob die Beschichtung auch gegen Mikroben und somit schädliche Biofilme Wirkung zeigt. Mittels verschiedener Methoden wurden unter anderem Wachstum sowie Aktivität der Bakterien auf behandelten und unbehandelten Steinen überprüft. Durch das Zählen der Bakterienkolonien konnte schliesslich die Wirksamkeit der «POM-IL»-Schicht nachgewiesen werden: Die Anzahl der Mikroben konnte erheblich reduziert werden.
Gemäss der Universität Ulm soll in einem nächsten Schritt die Langzeitwirkung des Schutzschildes in Form von weiteren Studien unter realen Bedingungen geprüft werden. Spezielles Augenmerk wird dabei auf die Wirksamkeit gegen Pilze liegen.
Quelle: Institut für Anorganische Chemie I
Das Team beschichtete verschiedene Gesteinsproben mit «POM-IL1» oder «POM-IL2» und bedampfte diese mit Essigsäure. Es zeigte sich, dass die mit dem Korrosionsschutz bestrichenen Proben kaum gelitten haben (Spalte 1 und Spalte 2). Die naturbelassenen Referenzproben (Spalte 3) wurden dabei aber stark beschädigt.