Das grösste Bild der Schweiz liegt in Chur
Chur, die älteste Schweizer Stadt, schmückt sich seit vergangenem November mit dem grössten Bild der Schweiz, einem Bergkristall, dem ältesten Bündner Edelstein. Die Künstler führten das riesige Wandbild an der A13 symbolträchtig mit der wohl ältesten Schweizer Fassadenfarbe aus. Es sind regelmässige Motivwechsel geplant.
Von René Good, Marco Walser, Wolfram Selter und Filipp Giger*
Quelle: Stadt Chur
Die mutigen Arbeiter auf der Hängebühne am 42 Meter hohen Mühleturm.
Der 42 Meter hohe, in die Jahre gekommene, triste und graue Mühleturm stand bis vor kurzem noch trostlos am Stadtrand der Bündner Hauptstadt. Doch jetzt ziert ein Bergkristall den Mühleturm in Chur. Wie kam es dazu?
Der Churer Streetart-Künstler Fabian Florin, bekannt als Bane, träumte schon vor Jahren davon, eines Tages den Mühleturm zu einem Churer Wahrzeichen zu gestalten. Zielstrebig brachte er den Stein ins Rollen und konnte letzten November sein Werk vollenden. Das grösste Bild der Schweiz, ein überdimensionaler Kristall, schmückt nun den weithin sichtbaren Mühleturm. «Das passt perfekt», sagte der Künstler, ein lang gehegter Wunsch sei Realität worden.
Das Projekt Mühleturm wurde 2018 von der Stadt Chur gutgeheissen und mit einem Budget von 220'000 Franken ausgestattet. Florins Skizzen für ein spektakuläres Wandgemälde zeigten eindrücklich, welche Wirkung das illusionistische Werk einst haben sollte. Sie lösten ein grosses Medienecho aus und stiessen auch bei den Einheimischen auf begeisterte Zustimmung.
Der Mühleturm besteht aus Ortbeton und war noch nie gestrichen worden. Im oberen Drittel zeigten sich deutlich die Spuren der Zeit. Das Prüfen des Untergrunds war oberste Pflicht. Fachlich wurde diese durch den Churer Malerbetrieb Colorado Application AG zusammen mit Filipp Giger, Fachberater bei der Farbenherstellerin Bosshard + Co. AG, begleitet. Grundsätzlich gilt für jeden Beschichtungsuntergrund: Er muss in seiner Festigkeit, Oberflächenstruktur, Saugfähigkeit, Feuchtigkeit und chemischen Verträglichkeit so beschaffen sein, dass er die vorgesehene Beschichtung dauerhaft tragen kann.
Quelle: Stadt Chur
Nach rund zwei Monaten Malarbeiten ist das überdimensionale Bild fertig.
Grundierung als Basis für den Erfolg
«Jeder Anstrich ist so gut wie seine Grundierung». Dieser alte, aber weise Spruch hat es in sich. Um spätere Schäden am Bau oder optische Mängel in der Fläche zu vermeiden, ist die Wahl der richtigen Grundierung von grosser Bedeutung. Der Mühleturm-Beton zeigte ein «normales» Untergrundverhalten und musste nach erfolgter Reinigung lediglich mit einer speziellen Tiefgrundierung vorbehandelt werden. Die Hochdruckreinigung des Betonuntergrundes am 42 Meter hohen Turm wurde durch die Colorado AG ausgeführt. Sie erfolgte von einer Hängebühne aus, was nur für mutige und schwindelfreie Mitarbeitende in Frage kam.
Von der Ideenfindung bis zur Vollendung dauerte es zwei Jahre. Der Projektstart war schwierig. Als die Stadt Chur und die Kontaktstelle für Wirtschaft sich mit diesem Projekt befassten, kam dann schnell Bewegung in die Sache. Zusammen mit der Stadt Chur wurde beschlossen, dass das Motiv einen Bezug zur Stadt oder zum Kanton herstellen sollte. Wie dieser jedoch aussehen und interpretiert werden sollte, lag in Künstlerhand.
Zwei Hände, die dem Turm die Betonhaut abziehen. Weshalb wurde dieses Motiv gewählt? Der Künstler Bane wollte ein neues Symbol schaffen. Inspiriert wurde er auf einer Reise durch Island. Er war von der rohen Natur gefesselt und sah Parallelen zum heimatlichen Bergkanton. Ziemlich schnell stand für ihn fest: Der Kristall, ein rohes Produkt der Berge, geformt über Millionen von Jahren zu einem klaren funkelnden Stein, ist das perfekte Symbol.
Malen bei Wind und Wetter
Die meteorologischen Gegebenheiten stellten alle am Projekt mitarbeitenden Personen auf die Probe. Aber glücklicherweise regnete es während der Ausführung kaum, nur der Wind machte allen Beteiligten zu schaffen. Das Arbeiten in der Fassadenbefahranlage (Lift) musste bei starkem Wind eingestellt werden. Das Ausführungsteam bestand lediglich aus zwei Personen: Bane und Yiannis Hadjipanayis alias Pest, sein Künstlerfreund aus Zypern, mit dem Bane seit 2014 zusammenarbeitet. Insgesamt waren jedoch mehrere Firmen mit über 20 Personen für das Projekt tätig.
Da der Turm von der Autobahn A13 aus gut sichtbar ist und ein Gemälde in dieser Grösse die Autofahrer ablenken könnte, war die Zustimmung vom Bundesamt für Strassen (Astra) nötig. Diese Bewilligung wurde erst nach diversen Interventionen erteilt.
*Der Artikel erschien zuerst in der Ausgabe 6/2019 des Magazins «Applica».Die Autoren René Good und Marco Walser sind Geschäftsführer und Inhaber der Colorado AG. Wolfram Selter ist Bereichsleiter Technik und Entwicklung, Filipp Giger ist Fachberater Bautenschutz, beide Bosshard + Co. AG.
Der Künstler
Quelle: Stadt Chur
Die Künstler Fabian «Bane» Florin (links) und Yiannis «Pest» Hadjipanayis.
Fabian «Bane» Florin, geboren 1982 in Chur, hat seine Kunst in den letzten Jahren rund um den Globus getragen. So prägen Florins Arbeiten die urbane Lebenswelt vom Mittelmeer bis nach Asien. Bane und der zypriotische Künstler Yiannis Hadjipanayis alias Pest arbeiten seit 2014 als Künstlerduo.
Daten zum Projekt
Künstler:Fabian Florin, alias Bane / Yiannis Hadjipanayis alias Pest, www.bane-pest.ch
Bauherr: Grüninger Mühlen AG, 8890 Flums GR
Arbeit am Turm: rund 600 Stunden à zwei Personen
Farbverbrauch: 350 Liter Farbe (537 kg), 125 Liter Tiefgrund
Farbtöne: 120 verschiedene Farbtöne aus der Exemplum-721-Kollektion Fläche: 800 m2
Rasterfelder: 1728 Stück
Kosten: Gesamtprojekt 220 000 Franken, Finanzen Stadt Chur
Dauer der Malarbeiten: rund zwei Monate.