09:15 BAUPRAXIS

Die wichtigsten Fragen im Baggerstreit: Das gilt für Schnellwechsler

Geschrieben von: Stefan Breitenmoser (bre)
Teaserbild-Quelle: Stefan Breitenmoser

Seit dem 1. Januar dürfen unsichere hydraulische Schnellwechslereinrichtungen, die älter als acht Jahre sind, nicht mehr eingesetzt werden. Das hat zu einigen Unsicherheiten in der Branche geführt. Deshalb beantwortet das Baublatt die wichtigsten Fragen.

Die Suva kontrollierte insbesondere auch viele Haken und Auffanghakenlösungen.

Quelle: Suva

Die Suva kontrollierte insbesondere auch viele Haken und Auffanghakenlösungen.

Wieso kam die Suva auf die Idee, ein Vertriebsverbot für unsichere hydraulische Schnellwechslersysteme (SWE) auszusprechen?

Ausgangspunkt dafür waren zwei tödliche Unfälle im Jahr 2012, bei denen Anbaugeräte nicht korrekt verriegelt waren und kurz nach dem Wechseln herunterfielen. Die Suva bestätigt auf Nachfrage, dass es sich bei den beiden tödlichen Unfällen im Jahr 2012 um Anbaugeräte desselben Herstellers handelte – allerdings in voneinander unabhängigen Unfällen.

In der Folge untersuchte die Suva diverse Modelle und kam dabei zum Schluss, dass diese nicht den Vorschriften der EU-Maschinenrichtlinie entsprechen, welche in der Schweiz seit Ende 2009 gilt. Ausserdem befand die Suva, dass die Risiken mit konstruktiven Massnahmen minimiert werden können.

Deshalb sprach die Suva ein Vertriebsverbot für unsichere hydraulische Schnellwechsler per 1. Januar 2016 aus. Im Sommer 2017 kam es zudem zu einem weiteren tödlichen Unfall in einer Baugrube, als eine kurz zuvor gewechselte Baggerschaufel auf einen Arbeiter herunterfiel. Dabei handelte sich um das Anbaugerät eines anderen Herstellers.

Was passierte, nachdem die Suva, das Vertriebsverbot ausgesprochen hatte?

Dieses Vertriebsverbot passte natürlich nicht allen, weshalb es gerichtlich angefochten wurde. Doch letztinstanzlich bestätigte das Bundesgericht im April 2017 das Verbot. Für die Produkte der Beschwerdeführer hatte der Prozess aber aufschiebende Wirkung, für sie galt das Vertriebsverbot also ab dem 10. April 2017. Doch damit war die Sache noch nicht gegessen.

Drei Unternehmen wollten nämlich vor dem Bundesverwaltungsgericht zumindest durchsetzen, dass Schweizer Bauunternehmen ihre vor dem Verkaufsverbot erstandenen Schnellwechsler weiterhin einsetzen dürfen. Doch das Bundesverwaltungsgericht trat im Sommer 2018 gar nicht auf die Sache ein.

Die Folgeklage hatte aber dennoch ihre Wirkung. Denn was man erreichen wollte, war grundsätzlich, dass nicht ein generelles Verwendungsverbot für unsichere hydraulische Schnellwechsler ab dem 1. Januar 2020 gilt. Es gab nur schon praktische Probleme, die laut Beschwerdeführern rund 15 000 betroffenen Bagger in so kurzer Zeit umzurüsten (von den geschätzten Kosten von 120 Millionen Franken einmal abgesehen).

Also setzten sich der Schweizer Baumeisterverband (SBV), der Verband der Schweizerischen Baumaschinenwirtschaft (VSBM) und die Suva nochmals zusammen. Mit dem Resultat, das Verwendungsverbot zeitlich zu staffeln. Ab dem 1. Januar 2020 müssen nun alle unsicheren hydraulischen SWE an Baggern nachgerüstet oder ersetzt sein, die älter sind als acht Jahre. Per 1. Januar 2025 gilt dies für sämtliche unsicheren hydraulischen SWE an Baggern.

Dazwischen müssen unsichere hydraulische SWE nachgerüstet oder ersetzt werden, sobald sie eine Lebensdauer von acht Jahren ab Kaufdatum erreicht haben. Kurz zusammengefasst heisst das also, dass alle neuen hydraulischen SWE, die nach dem 10. April 2017 gekauft wurden, als sicher gelten, denn sonst hätten sie nicht verkauft werden dürfen. Sollte man kurz vorher eine neue SWE erworben haben, darf man sie aber mindestens acht Jahre einsetzen.

In der Schweiz kam es in den letzten Jahren zu drei tödlichen Unfällen, bei denen eine mittels SWE gewechselte Baggerschaufel auf Bauarbeiter herunterfiel (die Szene im Bild ist nachgestellt).

Quelle: Suva

In der Schweiz kam es in den letzten Jahren zu drei tödlichen Unfällen, bei denen eine mittels SWE gewechselte Baggerschaufel auf Bauarbeiter herunterfiel (die Szene im Bild ist nachgestellt).

Welche hydraulischen SWE sind denn überhaupt «unsicher»?

Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. Klar ist einzig, dass mechanische oder halbautomatische SWE – also solche die am Auslegerende mit Spindeln, Kurbeln und Hebeln bedient werden – komplett ausgenommen sind. Die Suva sagt dazu auf Anfrage: «Als unsicher gelten hydraulische SWE, mit welchen Werkzeuge nicht korrekt verriegelt werden und die Werkzeuge herunterfallen können, ohne dass der Baumaschinenführer davor gewarnt wird.»

Wer es aber genauer wissen will, kann sich das «Beurteilungsblatt hydraulische Schnellwechseleinrichtungen» der Suva zu Gemüte führen. Doch rechtlich bindend ist dieses nicht. Am einfachsten ist es deshalb, sich bei älteren SWE beim Hersteller rückzuversichern und vom Kauf von Occasionen mit unsicheren hydraulischen SWE abzusehen.

So rät auch der SBV, alle hydraulischen SWE, die älter als acht Jahre sind, nachzurüsten. Denn die Wahrscheinlichkeit sei klein, dass die Bagger damals diesen Richtlinien entsprachen. Eine ganzheitliche Übersicht, welche hydraulischen SWE sicher sind und welche nicht, gibt es aber nicht.

Wie ist denn überhaupt möglich, dass SWE nicht korrekt verriegeln?

Dazu sagt die Suva auf Anfrage: «Werkzeuge können nicht korrekt verriegelt werden, wenn beispielsweise bei einer weit verbreiteten Bauart mit zwei werkzeugseitigen Aufnahmebolzen die Verriegelungselemente statt korrekt unter den werkzeugseitigen Verriegelungsbolzen lediglich darauf oder darüber zu liegen kommen und so kein kraftübertragender Formschluss zustande kommt. Das Werkzeug kann so beim Anheben herunterfallen.

Eine der möglichen Lösungen ist eine zusätzliche Sicherheitsverriegelung, welche den Aufnahmebolzen gegenüber dem Verriegelungsbolzen des Werkzeuges sichert. Wird ein nicht korrekt verriegeltes Werkzeug nach dem Wechselvorgang angehoben, kann es zwar auspendeln aber nicht mehr herunterfallen. Solche Lösungen wurden ebenfalls von einigen Herstellern von SWE umgesetzt.»

Ausserdem gab es auch Fälle, in denen die SWE nicht korrekt in die Maschinensteuerung integriert war. Das hatte beispielsweise zur Folge, dass dem Maschinisten der Verriegelungszustand falsch angezeigt wurde.

Dazu die Suva: «Nicht in jedem Fall wurden SWE nach den anerkannten Regeln der Steuerungstechnik in die Baumaschinensteuerungen integriert. Bagger mit herstellereigenen SWE, SWE mit separaten Steuerungen und SWE mit Sensoren sind in vielen Fällen gut in die Maschinensteuerung integriert. In jedem Fall lohnt sich eine kurze Kontrolle bei älteren und neuen Baumaschinen, um die Umsetzung zu klären.»

Bei Anbaugeräten und Schnellwechslersystemen lohnt sich ein genaues Hinschauen.

Quelle: Stefan Breitenmoser

Bei Anbaugeräten und Schnellwechslersystemen lohnt sich ein genaues Hinschauen.

Kann ich unsichere hydraulischen SWE nun trotzdem weiterverwenden?

Die Antwort ist Jein. Der SBV schreibt dazu in einer Medienmitteilung: «Der Bauunternehmer kann unsichere hydraulische SWE grundsätzlich weiterverwenden. Es gilt aber eine zeitich gestaffelte Ersatz- beziehungsweise Umrüstungspflicht.» Hydraulische SWE, die ein Alter von acht Jahren erreicht haben, sind also sicherlich zu kontrollieren und allenfalls nachzurüsten oder zu ersetzen.

Der SBV rät allerdings von eigenhändig ausgeführten technischen Änderungen von SWE ab. Denn wer sicherheitsrelevante Veränderungen an einer Maschine vornimmt, wird selbst zum Hersteller mit den entsprechenden Pflichten und Verantwortlichkeiten.

Ausserdem einigte man sich bei den Gesprächen zwischen SBV, VSBM und Suva darauf, als Begleitmassnahme sämtliche Baggerführer mit unsicheren hydraulischen SWE über die Gefahren und entsprechenden Massnahmen zu instruieren. Diese Instruktionen wurden vor allem letztes Jahr im grossen Stil durchgeführt. Im Zentrum steht dabei der Gegendrucktest, den die Maschinisten nach jedem Werkzeugwechsel durchführen sollen.

Wie funktioniert der Gegendrucktest?

Erstens wird visuell die Verriegelung der Schnellwechseleinrichtung geprüft. Dann muss zweitens das angekoppelte Werkzeug auf den Boden gestellt werden, um dann drittens mit dem Bagger mindestens drei Sekunden dagegenzudrücken. Damit wird getestet, ob die Verriegelung korrekt eingerastet ist.

Wenn nicht, löst sich das Werkzeug bereits beim Test am Boden und nicht erst in der Luft. So kann es bei der Arbeit nicht herunterfallen, Personen treffen und schwer verletzen. Die Suva schreibt: «Der Gegendrucktest sollte bei jedem Werkzeugwechsel, bei der Inbetriebnahme des Baggers und bei der Übernahme des Baggers von einem Arbeitskollegen durchgeführt werden.»

Wie kann man am einfachsten nachrüsten?

Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich, da es eine Vielzahl an Lösungen gibt. Die Suva sagt dazu: «Wir empfehlen, bei Bedarf eine Nach- oder Umrüstung in Absprache mit dem Hersteller der SWE oder des Baggers durchzuführen. Die meisten Anbieter haben Nach- und Umrüstprogramme bereit.»

Wie haben die Hersteller auf die neuen Richtlinien reagiert?

Zuerst einmal weist die Suva ausdrücklich darauf hin, dass es sich genau genommen nicht um neue Regelungen handelt. So schreibt die Suva: «Die technischen Regeln für die Konstruktion und den Bau von Maschinen, die bei den von der Suva mit verschiedenen Herstellern geführten Produktkontrollverfahren zur Anwendung kamen, bezogen sich auf die sogenannte Europäische Maschinenrichtlinie, welche in der aktuellen Version in der Schweiz seit dem 29. Dezember 2009 in Kraft ist. Die betroffenen grundlegenden Anforderungen (Richtlinie 2006/42/EG, Anh. I, 1.1.2. a) «Vorhersehbare Fehlanwendung» und Anh. I, 1.3.3. «Risiken durch herabfallende oder herausgeschleuderte Gegenstände») sind bereits in den Vorgängerversionen der Europäischen Maschinenrichtlinien enthalten und in der Schweiz seit dem 31. Dezember 1996 anwendbar.»

Die Hersteller haben allerdings sehr unterschiedlich reagiert, beispielsweise mit zusätzlichen Sensoren, welche den Verriegelungszustand kontrollieren und anzeigen, oder mit zusätzlichen Sicherheitsverriegelungen. Laut Suva haben einige Hersteller ihre Produkte im Rahmen der Produktkontrollverfahren weiterentwickelt und einige Hersteller hätten sich aus eigenem Antrieb bei ihnen gemeldet und ebenfalls ihre Produkte weiterentwickelt.

Andere wiederum hätten bereits im Sinne der EG-Maschinenrichtlinie sichere Produkte in Verkehr gebracht. «Letztere dürften wohl eine eingehende Risikoermittlung nach ISO 12100 durchgeführt haben, auf Basis derer sie ihre Produkte entwickelten», schreibt die Suva. Sicher ist aber, dass die Hersteller auf diesem Thema heute fitter sind als noch vor ein paar Jahren. Alle Hersteller sollten deshalb auf Anfrage entsprechende Lösungen bieten können.

Sind nun alle zufrieden?

Natürlich sind nicht alle zufrieden, denn die Kosten für das Umrüsten oder den Ersatz müssen die Baufirmen selber berappen. Trotzdem kann konstatiert werden, dass die ausgehandelte Übergangslösung das Problem etwas gemildert hat. Für die Suva gilt es dabei, die Verhältnismässigkeit zu wahren. Und diese sei gegeben, da insbesondere die Schwere der Unfälle gezeigt habe, dass das Schadenspotential maximal ist.

Mit der Lösung der zeitlichen Staffelung können sowohl Suva, als auch SBV und VSBM leben. «Diese Lösung berücksichtigt den Arbeitnehmerschutz, die Kapazitäten der Baumaschinenwirtschaft als auch eine vertretbare wirtschaftliche Belastung der betroffenen Betriebe», schreibt die Suva.

Der SBV betont vor allem, dass so wieder Planungssicherheit herrsche. «Wir sind bereit, in Sicherheit zu investieren, aber es kann nicht sein, dass ein Unternehmer kurz nach dem Kauf gleich wieder umrüsten muss», so SBV-Mediensprecher Thomas Hofstetter. Und dieses Problem wurde mit der ausgehandelten Übergangslösung behoben.

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Freier Mitarbeiter für das Baublatt.

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