09:29 BAUPRAXIS

Das Ende der Scraper-Ära: Der letzte Schürfzug zieht nach Holland

Geschrieben von: Claudia Bertoldi (cb)
Teaserbild-Quelle: Eberhard

Rund 35 Tonnen schwer wurde der Scraper CAT 627E vor allem im Tonabbau eingesetzt. In den 50er- bis 70er-Jahren halfen die Maschinen beim Autobahn- und Flughafenausbau. Ihre Ära hat in der Schweiz ein Ende: Der letzte Scraper wartet in Langenthal auf den Abtransport.

Scraper CAT 627E

Quelle: Claudia Bertoldi

Der Scraper CAT 627E ist das letztes Modell seiner Art in der Schweiz. Er steht zur Abholung auf dem Firmengelände der Avesco AG in Langenthal bereit.

Er steht auf dem Parkplatz abseits des Firmensitzes der Baumaschinenhändlerin Avesco in Langenthal. Dennoch ist er für die Vorbeifahrenden kaum zu übersehen: Im typischen Cat-Gelb, schon etwas angerostet und ziemlich zerkratzt und zerbeult, aber ob seiner Grösse und der unter der Karosse erkennbaren unwahrscheinlichen Kraft ist der CAT 627E ein wahrer Hingucker. Es scheint fast, als drückt er seine Front selbstbewusst nach oben. In der Schweiz hat er zwar ausgedient, doch es warten weitere Einsätze auf ihn. Der neue Besitzer bringt ihn in den nächsten Tagen in die Niederlande.

Bagger, Radlader, Kräne sind die Baumaschinen, die bereits jedes Kind auf den Baustellen bewundert hat. Der Einsatz eines Scrapers ist in Mitteleuropa eher zur Seltenheit geworden. So mancher wird sich deshalb gefragt haben, was für Maschinen da in Langenthal stehen beziehungsweise standen. Insgesamt waren es deren drei, die jetzt verkauft wurden.

Der selbstfahrende Scraper Cat 627E hat eine Ladekapazität von 14 Kubikmetern und ist bis zu 56 Kilometer pro Stunde schnell. «Der grosse Vorteil dieser Maschine ist, dass sie Transporte bis zu fünf Kilometern Reichweite übernehmen können. Es ist die wirtschaftlichste Weise, Material von A nach B zu transportieren», erklärt Stefan Gübeli,Produktverantwortlicher bei der Avesco AG.

Gross, schwer und stark

Scraper sind schwere Baumaschinen, die zur Bearbeitung und Bewegung des Erdreichs in unerschlossenem Gelände zum Einsatz kommen. Im deutschen Sprachgebrauch werden sie auch als Schürfzug, Motorschürfwagen oder Motorschrapper bezeichnet. Diese Bezeichnungen verdeutlichen auch die Arbeitsweise der Maschinen: Das Erdreich wird schichtweise abtragen und gleichzeitig geladen, um anschliessend abtransportiert und wieder ausgebreitet zu werden.

Der Scaper kommt bevorzugt auf grossen Flächen zum Einsatz. Das Material wird beim Schürfen bis zu mehreren Metern Tiefe abgetragen, wobei gleichzeitig auch Unebenheiten im Gelände ausgeglichen werden können. Die Baumaschine erzeugt eine gleichmässige, plane Grundfläche, indem sie das Erdreich in verschiedenen Stärken abträgt.

«Scraper waren in der Schweiz vor allem in den 50er- bis 70er-Jahren auf grossen Infrastrukturvorhaben im Einsatz. Der Ausbau des Schweizer Nationalstrassennetzes in den 1960er- bis 1980er-Jahren, der Bau der Landebahn des Flughafens Zürich sowie Staudammbauten erforderten grosse Erdbewegungen», berichtet Stefan Gübeli. Einer der ersten Einsätze hatten sie beim Bau der Autobahn Lausanne – Genf. Aber auch im Tonabbau wurden Scraper verwendet.

Doch in der Regel werden in Europa für Erdarbeiten Bagger und Dumper eingesetzt. In den USA, Kanada, Frankreich und Grossbritannien gehören Scraper hingegen auch weiterhin zur gängigen Ausstattung von grossen Tiefbau- und Strassenbauprojekten. Zudem kommen sie in Amerika auch beim Anlegen riesiger Mülldeponien auf dem Land zum Einsatz, den sogenannten «Landfills».

Stefan Gübeli, Produktverantwortlicher bei der Avesco AG

Quelle: Claudia Bertoldi

Stefan Gübeli, Produktverantwortlicher bei der Avesco AG, vor dem Scraper CAT 627E. Es ist die letzte Baumaschine dieser Art in der Schweiz, die nun zur Abholung in Langenthal bereitsteht.

Seit einem Jahrhundert im Einsatz

Der erste motorbetriebene Schürfzug mit Luftbereifung wurde Mitte der 1930er-Jahre in den USA von Robert Gilmour LeTourneau erfunden. Bereits im Jahrhundert davor gab es Vorgängermodelle mit ähnlicher Wirkungsweise, die allerdings keine Räder besassen und von Pferden gezogen wurden. In den 1950er-Jahren verkaufte R.G. LeTourneau seine Erdbewegungsmaschinenabteilung an die Westinghouse Air Brake Co. Er benötigte Geld, um seinen Traum zu entwickeln – den dieselelektrischen Antrieb.

Nach einem fünfjährigen Moratorium stieg R.G.LeTourneau 1958 wieder ins Baumaschinengeschäft ein. 1965 baute er den bis heute grössten Scraper der Welt. Der LT-360 Electric-Digger bestand aus drei gekoppelten Schürfkübeln mit einer Kapazität von je 109 Tonnen. Das 61 Meter lange Monster lief auf acht riesigen Reifen. Jedes Rad war mit einem elektrischen Radnabenmotor ausgerüstet. Acht Motoren mit total 5080 PS versorgten die E-Motoren mit Strom.

Firmen wie Allis-Chalmers, Caterpillar und Euclid bauten ab den 1940er-Jahren ebenfalls Scraper. Bereits damals gab es diverse Varianten. Grundsätzlich bestand ein Scraper aus einem motorisierten Zugkopf (auch Traktor genannt) und einem über ein Knickgelenk angehängten Schürfkübel mit einer nicht getriebenen Achse. Um mehr Antriebsleistung zur Verfügung zu haben, wurde die hintere Achse ebenfalls angetrieben.

Elevator-Scraper hatten ab 1947 eine Förderkette beim Schneidmesser, welche das Material in den Kübel beförderte. Den Traktor gab es mit einer oder auch mit zwei Achsen. Allis-Chalmers wurde später von Fiat übernommen, Euclid gehörte kurzzeitig zu Volvo und wurde anschliessend von Hitachi übernommen. Beide Markennamen werden bereits seit längerem nicht mehr verwendet.

Als damals grösster Baumaschinenhersteller trieb auch Caterpillar ab 1941 die Entwicklung der selbstfahrenden Scraper voran. Das Modell DW-10 war damals noch mit sechs Luftreifen unterwegs. Zehn Jahre später ging der DW-21 als erster mit einem einachsigen Zugkopf in den Einsatz. Es ist somit der Vorreiter der heutigen Scraper von Caterpillar. 1964 entwickelte Cat den ersten Elevator-Schürfzug, der sich selbst beladen konnte.

Cat ist Scraper-Marktführer

Die Modelle von Caterpillar gelten bis heute als Marktführer in dieser Maschinenklasse. Die angebotene Serie umfasst aktuell sieben Modelle und erfüllt die meisten Anforderungen im Bereich des schweren Erdbaus. Weitere Anbieter wie International, Terex, Michigan, Wabco und der Landmaschinenhersteller John Deere, alle aus den USA, sowie Fiat aus Italien und Komatsu aus Japan haben vor Jahren die Produktion von Scrapern eingestellt.

Primäres Einsatzgebiet der Maschinen sind grossvolumige Erdbewegungen von bis zu fünf Kilometern Distanz, wie sie unter anderem beim Strassenbau oder der Vorbereitung von Wohnbaugebieten anfallen. «Dafür sind Scraper sehr effiziente Maschinen, die 18 bis 34 Kubikmeter Material fassen können», erklärt Stefan Gübeli. Seit einigen Jahren sind die klassischen Anhängescraper (Schürfkübel ohne Antrieb) mit knickgelenkten Muldenkipperchassis oder schweren Traktoren als Zugfahrzeuge wieder im Kommen.

Zwei Einheiten mit doppeltem Antrieb

Ein Scraper setzt sich aus einem Vorder- und einem Hinterwagen zusammen. Bei Caterpillar werden die Geräte mit einer «1» am Schluss, zum Beispiel 621K, als «single engine scraper» (Motor nur im Vorderwagen) bezeichnet, diejenigen mit einer «7» am Schluss, zum Beispiel 627E, als «twin engine scraper» (Motor im Vorder- und Hinterwagen).

Die beiden Einheiten des Fahrzeugs sind über ein hydraulisches Knickgelenk verbunden. Die Motorleistungen der Fahrzeuge liegen zwischen 300 und 730 Kilowatt. Der Cat 627E hat eine Leistung von zweimal 225 PS. Abhängig von der Transportpiste erreichen Scraper eine maximale Geschwindigkeit von 56 Stundenkilometern.

Der Schürfzug nimmt das Erdreich im Flachabtrag auf. Setzt sich das Fahrzeug in Bewegung, löst das vorgelagerte Schneidmesser das Erdreich. Es wird vom dahinter angebrachten Kübel aufgenommen. Ist der Kübel gefüllt, wird dieser vom Boden angehoben und die Kübeltür, auch Schürze genannt, schliesst sich hydraulisch. Somit kann das Material abtransportiert werden. An der Entladestelle öffnet sich die Schürze wieder und das Material wird über das Schild an der Kübelrückwand herausgestossen. Durch die Fahrbewegung verteilt sich der Kübelinhalt gleichmässig im Gelände. Abhängig vom Modell lassen sich über die Schneide bis zu 34 Kubikmeter oder 47 Tonnen Material aufnehmen.

Scraper

Quelle: Daniel Wietlisbach

Scraper werden beim Schürfen in schwerem Gelände oft durch eine Schubraupe oder einen Bulldozer unterstützt. 

Die Entladung ist schnell vollzogen. Das Material kann mit Hilfe des Schildes am gewünschten Ort wieder ausgestossen und dabei flächig verteilt werden. Dies erweist sich als wesentlich schneller und ökonomischer als der Einsatz von Baggern. Denn sie müssen das Aushubmaterial zunächst auf Muldenkipper laden, um es abtransportieren zu können.

Beim Ausbringen ist wiederum der Einsatz einer Planierraupe nötig. Dennoch beschränkt sich der Einsatz der Scraper nur auf Baustellen grösseren Umfangs mit Transportwegen bis zu fünf Kilometer. Zudem wird für den Einsatz ein standhaftes Bodenmaterial benötigt. Ist der Boden sehr hart, sind Schürfzüge nur bedingt einsetzbar.

Manchmal auch im Doppelpack

Je nach Lösbarkeit des Bodens können verschiedene Scrapertypen eingesetzt werden. Man unterscheidet den einmotorigen, den Doppelmotor-, den Elevator- oder den Auger-Schürfwagen. Beim Auger-Scraper befindet sich im Schürfkübel eine Förderschnecke, die das Material vom Kübelboden nach oben fördert. Einmotorige Scraper werden beim Schürfen meistens durch eine Schubraupe (Bulldozer mit einem speziellen Schild) unterstützt.

Die Doppelmotor-Scraper sind mehrheitlich für den Push-Pull-Betrieb ausgerüstet (der 627E in Langenthal ist dabei eine Ausnahme). Die PP-Scraper sind vorne mit einem hydraulischen Bügel mit gefedertem Schubblock und hinten mit einem Haken ausgerüstet. Beim Schürfen hängt der hintere Scraper seinen Bügel am Haken des vorderen ein. Die vordere Maschine zieht, während der hintere Scraper seinen Kübel füllt. Ist der Kübel voll, stösst der hintere den vorderen Scraper. Sind beide Kübel voll, wird der Bügel ausgehängt und beide Scraper fahren getrennt zur Entladestelle. Beim grössten PP-Scraper von Caterpillar, dem 657K, wirken so fast 2000 PS auf das Schneidmesser eines Schürfkübels.

Seit dem Aufkommen der Hydraulikbagger und durch die wenigen neuen Grossprojekte im Tiefbaubereich ist der Einsatz von Schürfzügen bei Erdbewegungen besonders in Europa stark rückläufig. In Nordamerika oder Australien sind Scraper nach wie vor die erste Wahl, wenn es darum geht, grosse Mengen an Material zu bewegen. Der Verkauf von Neugeräten ist sehr von der Konjunkturlage im jeweiligen Land abhängig. Übrigens verfügt Kalifornien weltweit über die grösste Anzahl von Schürfzügen.

Doppelmotor-Scraper

Quelle: Eberhard

Doppelmotor-Scraper sind mehrheitlich für den Push-Pull-Betrieb ausgerüstet. 

Geschrieben von

Ehemalige Redaktorin Baublatt

Claudia Bertoldi war von April 2015 bis April 2022 als Redaktorin beim Baublatt tätig. Ihre Spezialgebiete waren Architektur- und Technikthemen.

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