Mächtige Drahtseil-Prüfanlage an TU Wien in Betrieb genommen
Stahlseile müssen im Brückenbau gewaltigen Kräften
standhalten. Vor dem Bau werden sie deshalb ausführlich getestet. An der TU
Wien wurde nun eine der «mächtigsten Drahtseil-Prüfanlagen der Welt» in Betrieb
genommen, wie die Hochschule kürzlich bekannt gab.
Quelle: Matthias Heisler
Eine erste Belastungsprobe hat die Prüfmaschine bereits abgeschlossen: Ein Schrägkabelsystem mit 151 Litzen wurde erfolgreich geprüft. Im Bild: Fixierung der Litzen vor dem Versuch.
Vor dem Bau einer Brücke müssen Stahlseile und ihre Verankerungen jeweils ausführlich getestet werden. Diese Versuche seien normalerweise sehr aufwändig und benötigten viel Zeit, wie die Technische Universität Wien (TU Wien) am Montag mitteilte. Eine neue Drahtseil-Prüfanlage im Science Park der Hochschule könnte hier nun Abhilfe schaffen.
Dort wird das Seil in einem neu entwickelten Verfahren in eine tonnenschwere Vorrichtung eingespannt und bei seiner eigenen Resonanzfrequenz zum Schwingen gebracht. Dadurch könne das Seil bis zu 30 Mal pro Sekunde wechselnd belastet werden, wodurch man bereits innerhalb von nur einem Tag zuverlässige Daten über das Dauerschwingverhalten erhalte, wie die TU Wien festhält.
Neue Idee für Brückenseil-Tests
Die Idee für die neue Testmethode hatte vor vielen Jahren Johann Kollegger, Professor am Institut für Tragkonstruktionen an der TU Wien. In der Vergangenheit wurden so bereits kleinere Varianten der Prüfanlage gebaut. Nun sei es gelungen, eine Anlage in voller Grösse zu errichten und damit Experimente an Seilen durchzuführen, wie man sie für den Bau grosser Schrägkabelbrücken benötige.
Die erste wirkliche Belastungsprobe hat die Prüfmaschine bereits abgeschlossen: Ein Schrägkabelsystem mit 151 Litzen wurde erfolgreich geprüft, mit über zwei Millionen Lastwechseln und einer zyklischen Belastung zwischen 1450 Tonnen und 1900 Tonnen. Hauptverantwortlicher für diese Arbeit war gemäss Mitteilung der Bauingenieur Wolfgang Träger.
«Wenn man bisher grosse Stahlseile prüfen wollte, hat man sie in servo-hydraulischen Prüfanlagen immer und immer wieder extremen Kräften ausgesetzt – etwa einmal alle ein bis zwei Sekunden, und das über ein bis zwei Monate hinweg», erklärt Träger. Erst nach rund zwei Millionen solcher Belastungen liesse sich sagen, ob das Seil eine ausreichende Ermüdungsfestigkeit aufweise.
Quelle: Matthias Heisler
Zwischen zwei Seilen wird ein 20 Tonnen schwerer Stahlrahmen festgezurrt – auf der einen Seite befindet sich das Seil, das überprüft werden soll, auf der anderen Seite ein starkes Behelfsseil. In dieser sogenannten Kopplungseinheit (im Bild) sind zwei rotierende Massen eingebaut.
Die Drahtseil-Prüfanlage im Einsatz. (Video: TU Wien)
High-Tech-Rüttelmaschine für Seile
In der neuen Prüfanlage läuft das anders. Dort wird zwischen zwei Seilen ein 20 Tonnen schwerer Stahlrahmen festgezurrt – auf der einen Seite befindet sich dann das Seil, das überprüft wird, und auf der anderen Seite ein starkes Behelfsseil. In dieser Kopplungseinheit seien zwei rotierende Massen eingebaut, die, wenn man sie in Bewegung versetzt, den gesamten Stahlrahmen zum Schwingen anregen – wie eine ungleichmässig beladene Waschmaschine im Schleudergang.
Im Gegensatz zur Waschmaschine, die recht unvorhersehbar in verschiedene Richtungen rüttle, lasse sich die Schwingung in der Versuchsanlage aber präzise steuern. Denn gerüttelt wird dort exakt in Richtung der Seile, mit genau vorgegebener Frequenz und Amplitude. «Wir stellen die Schwingung so ein, dass wir genau die Resonanzfrequenz des Seils erreichen», erklärt Träger. Das Seil könne auf diese Weise bis zu 30 Mal pro Sekunde belastet werden.
Bei jedem einzelnen Belastungszyklus wird das Seil fünf Millimeter gedehnt, dann wird es um zehn Millimeter kürzer, bevor es wieder seine Ausgangslage erreicht. Im Anschluss an den Dauerschwingversuch wird das Seil mit einer kaum vorstellbaren Kraft von 42 Meganewton belastet, um die Tragfähigkeit des Prüfkörpers zu bestimmen. Das entspreche der Gewichtskraft von rund 50 Eisenbahnlokomotiven oder knapp tausend Elefanten, wie die TU Wien schreibt.
Quelle: Matthias Heisler
Während der Versuche ist es extrem laut in der Halle, die Vibrationen sind am ganzen Körper spürbar. Im Bild: Betongehäuse für den Schwingversuch.
Vibrationen am ganzen Körper
Da sich eine derart mächtige Anlage in einem gewöhnlichen Labor kaum aufbauen lässt, nutzte man dafür eine Halle im Science Center der Universität am Arsenal in Wien. «Während der Experimente ist es extrem laut in der Halle, man spürt die Vibrationen am ganzen Körper», sagt Träger. «Aber mit unserer Methode können quasi über Nacht Millionen Belastungen aufgebracht werden, um zuverlässige Aussagen über die Dauerschwingfestigkeit der Drahtseile treffen zu können.»
Mit der neuen Anlage soll aber nicht nur Zeit, sondern auch Energie gespart werden können. Nach Angaben der Hochschule kann so etwa der Energieeinsatz im Vergleich zu bestehenden Anlagen um den Faktor 1000 gesenkt werden. Zusätzlich werde die Prüfdauer um den Faktor 30 bis 60 reduziert.
Die TU Wien wird künftig gemäss Mitteilung gemeinsam mit der TÜV Austria TVFA eine Palette an Materialprüfungen anbieten. Beispielsweise zur Prüfung von Spanngliedern für Windkraftanlagen und Betonsegmenten im Tunnelbau sowie von Stützen im Hochhausbau. (mgt/pb)