Bauen mit BIM: Keine blinden Bauproduktedaten
Für ein effizientes und gutes Bauen ist die Überwindung der Informationslücke zwischen Planung und Ausführung eine der Grundvoraussetzungen. Dies erfordert in der Bauwirtschaft mehr als einen Paradigmenwechsel. Gefordert werden funktionierende Bauwerke mit dem Reifegrad der Serie und nicht des Prototypen – ein Produkt.
Quelle: zvg
Frontloading – "erst digital, dann real" – Verlagerung durch das Vorziehen von wichtigen Entscheidungen innerhalb des Bauprozesses "integriert": 1. Genehmigungsverfahren 2. Dokumentation, Facilitymanagement 3. Planung der Planung 4. Optimierung Konzept 5. und 6. Optimierung mit Bezug Ausführung 7. Optimierung mit Bezug Systemwahl- und -abstimmung, 8. Grundlagen zu Betrieb und Unterhalt.
Den grössten Teil unseres Lebens verbringen wir in Gebäuden, ohne genaues Wissen über deren Beschaffenheit und der darin verbauten Materialien. In der Lebensmittelbranche werden Produktinformationen detailliert ausgewiesen, deklariert, und die Produktionskette kann nachverfolgt werden. Hier erfahren wir, was wo enthalten ist und wo die Produkte produziert wurden. Dies wirkt sich auf die Qualität dieser Güter aus und ist zugleich die Grundlage für die Logistikprozesse: von der Produktion über den Handel bis zum Endverbraucher, dem Konsumenten. In der Baubranche gestaltet sich das Suchen und Finden von Produktinformationen umständlicher, da diese gar nicht oder nur partiell in einer für den Nutzer direkt zugänglichen und anwendbaren Form vorliegen. Die Aufbereitung der Daten endet in der Bau- branche in Schwerstarbeit; und dies für alle, die Planer sowie auch die Bauproduktehersteller.
Bauen an sich ist lokal, die Bau- und Software-industrie ist aber national und international ausgerichtet. Global gesehen werden die Bauinvestitionen derzeit auf zirka 9 Billionen US-Dollar geschätzt. Davon fallen in Europa zirka 1,435 Milliarden Euro, im DACH-Raum (Deutschland, Österreich und Schweiz) zirka 403 Milliarden, in Deutschland 309 Milliarden, in Frankreich 258 Milliarden, in Grossbritannien 213 Milliarden und in Österreich 37 Milliarden Euro an. Je nach Branche, Gewerk und Fertigungsgrad ist davon jeweils rund ein Drittel den Materialkosten, Produkten, zuzuschreiben.
Im DACH-Raum sind es zirka 30'000 bis 35'000 Hersteller und Lieferanten, welche den Markt mit Bauprodukten bedienen und rund das Zehnfache an Unternehmen (Planer und ausführende Unternehmen), welche diese Produkte für die Planung und das Bauen suchen und verwenden. Bauwerke bestehen aus dem geschickten Zusammenfügen von Bauteilen und Produkten. Die Summe ist aber bekanntlich mehr als die Addition der Teile. Eine einfach Sache, würde man meinen – nur: Ein mittleres Bauwerk umfasst rund 200 000 Bauteile, die zueinenader in Beziehung stehen.
Digitales Bauen bedingt digitale Bauproduktedaten, gut strukturiert und frei verfügbar. Entscheidend für die Bauindustrie und deren Wettbewerbsfähigkeit ist ein stufenweises und effizientes Vorgehen in der der Digitalisierung der Bauprodukteinformationen. Bei diesem Prozess sind vier Themen zu beantworten: die Digitalisierung der Information, die Bereitstellung dieser, die Vernetzung und die Automatisation
der Prozesse.
Die Entscheidung für die Industrie, ob der Fokus zu Beginn auf die Geometrie (LOG)** oder auf die Information (LOI)** gelegt werden soll, ist einfach. Zu Beginn muss der Fokus auf die
alphanumerische Information gelegt werden. Dies aufgrund der Tatsache der kostspieligen und fehlenden oder zu schnellen Entwicklung neuer BIM-Objektstandards. Die aktuelle Situation, dass es viele proprietäre BIM-Anwendungen für die Erstellung, Pflege und Kontrolle der Bauwerksmodelle gibt, macht dies nicht einfacher und wird auch nicht gelöst, indem nur ein Format, und eine BIM-Anwendung berücksichtigt wird. Dies engt den Markt und damit die Chancen für den Bauproduktehersteller ein, und viele potenzielle Kunden haben keine Verwendungsmöglichkeit.
Je nach Objektart werden diese Bauwerksdaten mit zirka 4 Prozent des Gebäudewertes beziffert und sind relevant für die Bewertung beim Kauf und Verkauf des Bauwerks. Die digitalen
Daten bilden das neue Kapital, gehören zum Produkt wie die Verpackung oder das Zubehör, jedoch mit einem Vorteil: Sind sie erst einmal erarbeitet und verfügbar, können sie mehrfach eingesetzt werden, in unterschiedlichen Prozessen, durch mehrere Beteiligte und an verschiedenen Orten. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Die Unternehmen, die Kompetenzen im «digitalen» Bauen besitzen, werden aufgrund ihres Vorsprungs an Wissen zukünftig das Planen, Bauen und Betreiben von Bauwerken entscheidend prägen und den Markt dominieren. (Paul Curschellas*)
* Paul Curschellas ist CIO der buildup AG und Mitbegründer von Bauen digital Schweiz
** Definitionen zu LOG und LOI aus dem Praxisbericht «Swiss BIM LOIN-Definition (LOD)» von Bauen digital Schweiz (www.bauen-digital.ch)
Bauen digital Schweiz
Dieser Artikel stammt von «Bauen digital Schweiz». Die Organisation ist eine offene Plattform, die sich für die Digitalisierung im Bauwesen engagiert. Sie vereint Institutionen, Verbände und Unternehmen rund um das Planen, Bauen und Betreiben. Mit dabei ist auch die Docu Media Schweiz GmbH, die das Baublatt herausgibt. Um die Entstehung eines digitalen Fundaments zu fördern, hat «Bauen digital Schweiz» acht Publikationen herausgegeben, die Grundwissen bezüglich Building Information Modeling (BIM) vermitteln.
Dabei geht es um den Stufenplan, das Abwicklungsmodell, den Nutzungsplan, den Vertrag und Leistungen, «BIM LOIN»-Definitionen sowie um die allgemeine Förderung des Verständnisses für BIM. Die
Publikationen können bestellt werden auf https://bauen-digital.ch/de/produkte/