Balken aus Riesenchinaschilf statt aus Holz?
Riesenchinaschilf hat das Zeug zum nachhaltigen Superbaumaterial. Zu Balken gepresst und verleimt könnte es solchen aus Holz durchaus ebenbürtig sein. So sieht es ein deutsches Forschungsteam. Allerdings hat der mögliche Holzersatz einen Makel, der noch behoben werden muss.
Quelle: Hamsterdancer, eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
Ein gigantisches Gewächs mit viel Potenzial: der Riesenschinaschilf.
Ursprünglich stammt er aus Japan, er ist robust, er wächst schnell und auch hoch: der Riesenchinaschilf (Miscanthus giganthus) ist eine beliebte Gartenpflanze und eignet sich nicht nur gut als Begrünung sondern auch als Sichtschutz.
Das üppig gedeihende Gewächs hat allerdings noch mehr zu bieten: Laut dem Forschungsteam um Mathias Wirths, Architekt und Leiter der Materialkunde an der deutschen Universität Siegen, hat der Riesenchinaschilf das Zeug zum Supermaterial oder vielmehr zu einem nachwachsenden Rohstoff, der Holz als Baumaterial ersetzen kann. Miscanthus habe einen sehr hohen jährlichen Ertrag und könne als Baustoff Unmengen an Co2 speichern, heisst es in der Medienmitteilung. - Derzeit arbeiten die Siegener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen mit anderen Hochschulen im Projekt «Entwicklung von neuen Baustoffen aus schnell wachsenden Pflanzen wie Miscanthus und Paulownia für Primärkonstruktionen».
Nachdem Wirths schon länger mit der Pflanze forscht, ist es ihm nun gelungen, Balken aus Riesenchinaschilf zu entwickeln, die laut Medienmitteilung der Universität hinsichtlich der Festigkeit mit marktüblichem Konstruktionsvollholz vergleichbar sind.
Vom Dämmstoff zum Balken
Quelle: Universität Siegen
Die Balken aus Riesenchinaschilf haben ihre Festigkeit im Labor unter Beweis gestellt. Die Belastungstests waren sogar etwas besser als die von Konstruktionsvollholz.
Das Pflanzenmaterial kommt zwar gehäckselt und mit Bindemittel vermischt in der Baubranche zwar bereits als Dämmstoff zum Einsatz. Wird es aber für eine Balkenkonstruktion verwendet, gelten andere Anforderungen. «Die Herausforderung bestand deshalb anfangs vor allem darin, die Schilfblätter, die eine extrem glatte Oberfläche haben, miteinander zu verbinden», erklärt Wirths, der schon an der Alanus Hochschule im westfälischen Alster in Zusammenarbeit mit der Universität Bonn mit Riesenchinaschilf gearbeitet hat. Damals entwickelte einer seiner Studenten damals den «Miscanthus-Biber»: eine Maschine, mit der die Schilfblätter aufgeraut und anschliessend verklebt sowie gepresst werden können. «Wir wollten einen biologischen Kleber verwenden und haben mit Knochenleim gute Ergebnisse erzielt», so Wirths. Angefangen bei kleinen Proben im Labormasstab, mittlerweile ist man bei Balken von bis zu 1,10 Meter Länge angelangt , die ihre Festigkeit auch beweisen konnten. «Die Belastungstests waren sogar etwas besser als die von Konstruktionsvollholz», sagt Wirths.
Auf der Suche nach einem umweltfreundlichen Kleber
Mit ihrem bernsteinfarbenen Aussehen machen die Balken auch optisch etwas her. Sie haben jedoch einen Haken: Knochenleim ist nicht wasserfest und darum für den Bau ungeeignet. Der Tipp aus der Industrie mit Epoxidharzen zu arbeiten funktioniert laut Wirths zwar gut, Epoxidharze werden aber auf Basis von Erdölressourcen hergestellt, was dem Anspruch eines alternativen, nachhaltigen Baustoffs keine Rechnung trägt. Wirths und seine Kollegen sind daher weiterhin auf der Suche nach einem geeigneten Bioleim. - Daneben arbeitet man zusammen mit der RWTH Aachen und der Alanus Hochschule an der Entwicklung von Verbindungselementen für die Schilf-Balken. (mai/mgt)