Bahnverkehr: Kleine Kunststoffteile gegen grossen Lärm
Nicht nur Lärmschutzwände oder leisere Radsysteme und Bremsen eignen sich, um Bahnlärm fernzuhalten, sondern auch spezielle Rail Pads. Entwickelt hat sie ein Team der Empa und der Haute École d'Ingénierie et de Gestion du Canton de Vaud unter der Leitung der EPFL im Auftrag des Bundesamts für Umwelt.
Quelle: Lukas, Unsplash
Während der Bahnverkehr in der Schweiz zunimmt, soll er leiser werden.
Sollen bis 2025 mindestens 80 Prozent der Schweizer Bevölkerung vor Lärmemissionen geschützt werden während der Bahnverkehr weiter zunimmt, ist noch einiges zu tun. Ein Forschungsteam der der Empa und der Haute École d'Ingénierie et de Gestion du Canton de Vaud (HEIG) unter Federführung der ETH Lausanne (EPFL) setzt dabei auf neuartige «Rail Pads».
Üblicherweise handelt sich bei „Rail Pads“ um elastische Kunststoffteile, die zwischen Schienen und Betonschwellen stecken und dafür sorgen, dass der hochbelastete Fahrweg aus verdichtetem Schotter und Betonschwellen geschont wird. Dies geschieht, indem sie den Schienen ermöglichen, sich minimal zu bewegen. Sie funktionieren dabei ähnlich wie eine Gitarrensaite, die an mehreren Stellen zugleich auf das Griffbrett gedrückt wird. Allerdings lässt gerade diese Schwingungsfreiheit die Schiene stärker «klingen» – und dieser Lärm ist bei häufigen Geschwindigkeiten zwischen 60 und 160 Stundenkilometern ein entscheidender Faktor ist.
In der Schweiz bestehen Rail Pads meist aus dem harten Kunststoff Ethylenvinylacetat (EVA). Zwar würde ein weicheres Material den Fahrweg noch besser schonen – aber zum Preis von mehr Lärm. Dieses Problem will das Team mit einem Verbundmaterial lösen respektive mit einer harten Schale aus EVA und einem weichen Kern aus dem weichen Werkstoff Polyisobutylen (PIB). Dazu entwarfen die Forscher zahlreiche von Varianten: Sandwich-Strukturen aus flachen Schichten – mit und ohne «Deckel» aus EVA. Oder aber mit PIB-Füllungen in Zickzackform oder mit Einschnitten versehenen Oberflächen.
Komplexes Zusammenspiel von Schiene, Schwelle und Schotter
Um feststellen zu können, wie und ob die Pads wurde das komplexe Zusammenspiel zwischen Schienen, Schwellen und Schotter im Labor simuliert – mit einer «Drei-Schwellen-Einheitszelle»: ein knapp zwei Meter langes Stück Fahrweg, der mit einem «Shaker» versehen wurde, der definierte Frequenzen erzeugt. Zudem wurde einer Sonde zur Messung der Schallintensität angebracht. – Eine solche Messzelle bildet zwar nicht das reale Verhalten eine Bahnstrecke ab, ermöglicht laut den Wissenschaftlern aber präzise Vergleiche unter unterschiedlichen Bedingungen.
Parallel dazu entwickelten Forscher um Bart van Damme von der Empa-Abteilung „Akustik / Lärmminderung“ eine Simulation des Systems mittels der sogenannten Finite-Elemente-Methoden, die mit den Resultaten der Experimente gut übereinstimmte. Sie lieferten die Grundlage, um das Verhalten schliesslich auf eine längere Bahnstrecke hochzurechnen.
Bei den Tests im Labor zeugte sich: Um das Gleisbett zu schonen und den Lärm zu verringern, waren Sandwich-Strukturen, die sich dank Einkerbungen leicht biegen lassen, ungeeignet, wie van Damme erklärt. Auch die Füllung aus PIB in Zickzackform brachte keine Vorteile. Als beste Lösung erwies sich ein PIB-Anteil von über 50 Prozent, der von einer Schale aus dem härteren EVA-Kunststoff umhüllt wird.
Test auf Bahnstrecke bei Nottwil
Ab März sollen nun erste Tests in der Praxis stattfinden, auf einer Bahnstrecke in Nottwil. „Diese Rail Pads lassen sich leicht herstellen. Auf der 100 Meter langen Strecke werden wir fast 400 Stück brauchen“, sagt van Damme – deshalb wurde ein Unternehmen mit an Bord geholt, das die Herstellung der bereits patentierten Bauteile übernimmt. „Wir hoffen, dass sie hörbar weniger Lärm verursachen und gleichzeitig den Schotter besser schützen als die herkömmlichen harten Zwischenlagen“, so van Damme.
Im Forscherteam herrsche Optimismus, heisst es in der
Medienmitteilung des Bafu. „Die im Projekt entwickelten Modelle erlauben eine
gezielte Optimierung der teilweise widersprüchlichen Anforderungen“, wird
Empa-Abteilungsleiter Jean-Marc Wunderli zitiert. „Da für die Herstellung der
Zwischenlagen keine nennenswerten Mehrkosten erwartet werden, erhoffe ich mir
einen grossflächigen Einsatz und damit einen bedeutenden Beitrag zur Reduktion
des Bahnlärms.“ (mgt/mai)