Bahnhof Basel SBB: Sanierung über den Gleisen
Für 34 Millionen Franken wird die über 100 Jahre alte Perronhalle des Bahnhof Basel SBB erneuert – alles unter laufendem Bahnbetrieb. Hierfür wurde in zehn Metern Höhe eine Arbeitsbühne so gross wie ein Fussballfeld montiert.
Quelle: Ben Kron
In luftiger Höhe über den Gleisen findet die Sanierung der über hundert Jahre alten Perronhalle des Bahnhof Basel SBB statt. Die Baustellenerschliessung erfolgt vom dahinter anschliessenden Postgebäude.
Das Jahr 1898 stellt für die Eisenbahn in der Schweiz einen Meilenstein dar. Das Stimmvolk hiess eine Verstaatlichung der Bahnen gut, und die Schweizerischen Bundesbahnen wurden geschaffen. Eines der ersten Bauprojekte, das der Bundesrat für die neu gegründeten SBB in Auftrag gab, war ein neuer Centralbahnhof in Basel (siehe Kasten«Eine der letzten historischen Perronhallen»). Neben den Bauarbeiten selbst wurde die ganze Gleisanlage um 2,7 Meter abgesenkt und der Güterumschlag in den Rangierbahnhof Wolf verlegt.
Der neue Basler Bahnhof öffnete 1907 seine Tore, und das Gebäude hat sich seither nur unwesentlich verändert. Lediglich im Westen wurde 2003 eine Passerelle an die Perronhalle angefügt, über die neu der gesamte Passagierverkehr abgewickelt wird. Der Bahnhofbau selbst wurde dafür nur sanft umgebaut. Auch bei der Perronhalle handelt es sich noch um die originale Eisenkonstruktion aus der Gründerzeit, von der lediglich in den 1970er-Jahren ein Teil abgerissen wurde: Das Dach musste dem neuen Postgebäude Platz machen, das sich quer über alle Gleise spannt.
100-jähriger Korrosionsschutz
Doch so robust die damalige Bauweise war, bei der die Bauteile mit Nieten verbunden wurden, so haben die über hundert Jahre doch ihre Spuren hinterlassen. Die Halle muss saniert werden. «Die technische Nutzungsdauer des bestehenden Korrosionsschutzes ist überschritten», erklärt Thomas Holthuisen, Projektleiter SBB-Infrastruktur.
«Der Anstrich funktioniert als Schutz des Stahls, aber irgendwann ist seine Kapazität aufgebraucht, und es kommt zu einer Schichtenreduktion. Dann kann der Rost weiter durchdringen und die Stahlkonstruktion schädigen.» In Basel sei dies aber noch nicht geschehen. «Die Halle ist statisch völlig sicher. Aber es besteht Handlungsbedarf, damit es auch so bleibt.» Insbesondere bei den Dachwasserleitungen ist zu sehen, wie sehr der Rost dem Hallendach schon zugesetzt hat.
Ziel des Sanierungsprojekts ist es, die historischen Perronhallen für mindestens 50 Jahre fit zu machen. Dafür investiert die SBB rund 34 Millionen Franken. «Die Massnahmen umfassen den Abtrag der Altbeschichtung und den neuen Anstrich der Eisenstahlkonstruktion», erklärt Denise Bade, die Projektingenieurin für die Gesamtplaner der Jauslin Stebler AG.
«Parallel erhält das Dach eine neue Eindeckung. Das Holz der Dachschalung ist weitgehend in einem guten Zustand und kann verbleiben. Auch dies wird mit Sandstrahlen gereinigt und erhält anschliessend einen neuen Anstrich auf, den wir mit einem Restaurator der Denkmalpflege zuvor bemustert haben.»
Quelle: Ben Kron
Blick hinunter auf die Gleise des Basler Bahnhofs SBB: Die Sanierungsarbeiten an der Perronhalle müssen unter laufenden Bahnbetrieb erfolgen und dürfen diesen nicht behindern oder beeinträchtigen – was die Aufgabe für die Verantwortlichen zusätzlich erschwert.
Sanierung in drei Etappen
Auf dem Dach werden die alten Asbestschindeln durch eine unbedenkliche Eterniteindeckung ersetzt, die ihrer Vorgängerin optisch sehr nahe kommt. Die Verglasung der vertikalen Hallenabschlüsse wird wo nötig ersetzt. Wichtig für die Fahrgäste: Auch die Beleuchtung wird erneuert, weiter die digitalen Perronanzeigen, welche die heimeligen Fallblattanzeigen ersetzt, das Lautsprechersystem und die Notfall-Beschilderung.
Die Sanierung erfolgt in drei Etappen von Osten nach Westen. «Zuerst sanieren wir den östlichen Teil der Halle, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Postgebäude. Wir nutzen ein oberes Stockwerk des Postgebäudes als Installationsfläche und zur Baustellenerschliessung», erläutertDenise Bade.Pro Etappe ist jeweils ein Jahr Bauzeit vorgesehen. Neben der Sanierung der Perronhalle werden in separaten Projekten auch der Westflügel des Bahnhofgebäudes und die Halle des französischen Bahnhofsteils erneuert.
16 000 Quadratmeter Stahl
Hauptarbeit für Holthuisen und sein Team ist die Sanierung von total 16’000 Quadratmetern Stahl in der Perronhalle. «Wir wenden ein von den SBB schweizweit eingesetztes Verfahren an», so der Gesamtprojektleiter: «Die alte Beschichtung aus Bleimennige wird mit Sand heruntergestrahlt. Danach bringen wir eine neue Grund-, eine Zwischen- und eine Deckbeschichtung als Korrosionsschutz auf.Die Bestrebungen der SBB liegt darin, eine technische Nutzungsdauer beim Korrosionsschutz von 50 Jahren zu erreichen.»
Herausforderungen für die Ausführenden waren die Logistik und das Montieren der Arbeitsbühne, die zugleich als Arbeits- und Logistikfläche dient. Man musste total 17’200 Quadratmeter Flächengerüste erstellen, und das oberhalb des ganzen Bahnbetriebs.
Jede Etappe hat die Grösse eines Fussballfeldes, die über den Zügen schwebt. «Die Bühne ist auf einer Höhe von rund zehn Metern, die Hallenstützen sind sogar zwölf Meter hoch», so Denise Bade. «Von der Arbeitsbühne sind es dann noch einmal gut acht Meter bis zu den Oberlichtern der Halle. Wir arbeiten also von Gerüsten aus, die wir auf der Arbeitsbühne errichten.»
Dichter Stangenwald
Um als Logistikfläche zu dienen, muss die Arbeitsbühne zwischen 200 und 500 Kilogramm pro Quadratmeter aufnehmen. Deshalb stellt die Konstruktion von unten einen eindrucksvollen Stangenwald dar. Das Ganze konnte aber weitgehend mit Standardbauteilen errichtet werden, also mit herkömmlichem Gerüstbaumaterial. «Nur dort, wo die Spannweiten besonders gross sind, haben wir aus statischen Gründen auf Stahlträger zurückgreifen müssen.»
«Der Aufbau des Gerüsts musste jeweils nachts erfolgen, wenn wir während jeweils acht Stunden einzelne Gleise sperren konnten», fügt Thomas Holthuisen hinzu. Dann hatte alles Material jeweils rechtzeitig am richtigen Ort zu sein. «Die Anlieferung der grossen Materialmengen erfolgt mittels Bahnwagen über die Gleise, damit wir nicht zwischen den Personenströmen des Bahnhofs hindurch müssen. Der Belad der Bahnwagen geschieht im rund zwei Kilometer entfernten Güterbahnhof Wolf.»
Montage oberhalb der Stromleitung
Bei der Montage galt es, die Sicherheitsabstände zu den stromführenden Teilen einzuhalten. Gleichzeitig sind die Platzverhältnisse für die Montage- und Demontage sehr knapp, da der Personenverkehr möglichst nicht eingeschränkt werden darf. Wegen der Nähe zu den Bahnkunden muss auch die Abdichtung perfekt sein: Kein Staub, Wasser oder Bauschmutz darf auf die Menschen hinunterfallen.
Parallel zur Dachkonstruktion werden die 69 Stützen und sechs Pylonen saniert, auf welchen das Hallendach ruht. Holthuisen: «Wir reinigen und erneuern die Stützen dort, wo keine Arbeitsbühne steht.»
Herausforderung Logistik
Generell bezeichnet Holthuisen die Logistik als grossen Herausforderung bei diesem Projekt. «Wir können zum Glück das benachbare Postgebäude nutzen, dessen obere Stockwerke mit dem Lkw erreichbar sind. So haben wir einen direkten Zugang auf Höhe unserer Arbeitsbühne.»
Neben der Logistik sind auch die Ansprüche der Denkmalschützer zu berücksichtigen, die das Projekt eng verfolgen. Nicht nur wie erwähnt bei der Wahl des Anstrichs der Holzuntersicht, sondern auch bei vielen anderen Punkten wie der Wahl der Leuchtkörper hatten die Experten des Kantons Basel-Stadt und der SBB-eigenen Fachstelle für Denkmalpflege Mitspracherecht.
Quelle: Ben Kron
Ende einer Sanierungsetappe: Stahl und Holz sind erneuert und die Arbeitsbühne weitgehend leer geräumt für den «Umzug» zur nächsten Etappe. Dieser erfolgte von Januar bis März 2020.
Regelmässige Luftkontrolle
Zu beachten sind schliesslich auch Giftstoffe, mit denen man bei der Sanierung konfrontiert ist. Da der Schutzanstrich, der per Sandstrahlen abgetragen wird, Blei enthält, muss jeweils der Arbeitsplatz dicht eingehaust sein und die Luft kontrolliert abgeführt werden. «Wir haben vor Beginn der Arbeiten eine Nullmessung durchgeführt», so Denise Bade. «Nun messen wir die Luft in der Umgebung der Baustelle regelmässig und kontrollieren, dass die Werte im grünen Bereich bleiben.»
Sorgfältige Behandlung verlangen schliesslich auch die asbesthaltigen Dachelemente, die man fachgerecht rückbaut und danach entsorgt. Ein unabhängiges Fachbüro für Umweltfragen begleitet die Sanierungsarbeiten und überprüft die Einhaltung aller Vorschriften.
Die Sanierung der Basler Perronhalle weist ein enges Terminprogramm auf, da das Zeitfenster für den Abbau der Arbeitsbühne und den Aufbau der nächsten Etappen durch die reservierten Intervalle vorgegeben sind. «Wir arbeiten aber trotzdem mit einem normalen Einschichtbetrieb», so Denise Bade. «Wenn wir unter Zeitdruck geraten sollten, könnten wir eine zweite Schicht dazuschalten.»
Eine genaue Planung und das Takten der einzelnen Arbeitsschritte für Effizienz und ein exaktes Einhalten des Terminprogramms sorgen. «Für die beteiligten Unternehmer bedeutet diese Vorgehensweise, dass sie ihr hohes Arbeitsvolumen bewältigen können.» Deshalb hofft die Projektleiterin, Mitte 2023 die Sanierung wie geplant abzuschliessen.
Der Sinn des Besenprofils
Die Arbeiten an der ersten Etappe der Basler Perronhallen wurden Ende Jahr pünktlich beendet, und der umfangreiche Umbau der riesigen Arbeitsbühne konnte von Januar bis März dieses Jahres ausgeführt werden. Umziehen werden dann auch die merkwürdigen Gebilde, in der Fachsprache«Besenprofile» genannt. Diese stehen an jedem Gleis beidseitig der Arbeitsbühne:Zwei Reihen von horizontal übereinander angeordneten Besen mit kurzem Stiel, die aber zu weit weg stehen, um den Zug zu reinigen.
Des Rätsels Lösung: Die Besenprofile sind ein altbewährtes Mittel der SBB und stammen aus der Zeit, als man bei allen Personenwagen noch das Fenster öffnen und den Kopf hinausstrecken konnte. Die Besen sollen solche hinausgestreckten Köpfe kitzeln und zum sofortigen Rückzug veranlassen. Sonst droht eine heftige Kopfnuss durch die Metallstangen des Baugerüsts.
Eine der letzten historischen Perronhallen
Der allererste Bahnhof in Basel wurde 1844 als Holzprovisorium errichtet, bevor 1860 der erste Centralbahnhof aus Eisen und Stein entstand. Dieser wiederum wurde 1907 durch den heute noch stehenden Bau ersetzt, entworfen von den Architekten Emil Faesch und Emanuel La Roche. In diesem Jahr wurde die «Schweizerische Centralbahn» in die neu geschaffenen Schweizerischen Bundesbahnen integriert, wie wir sie heute kennen.
Eines der ersten grossen Bauwerke der neuen nationalen Eisenbahn war der neue Bahnhof Basel, heute «Bahnhof SBB» genannt. Im Juni 1907 wurde das Bahnhofgebäude eröffnet, das im Westen den französischen Bahnhof samt Zollanlage beherbergt und deshalb ausserordentlich lang ist.
Relikt aus der Gründerzeit
Der ursprüngliche Bahnhof besass zehn Gleise, die von einer fünfschiffigen Halle überspannt wurden. Es handelt sich um eine bis 20 Meter hohe Eisenkonstruktion mit Holzdach und Fenstern in den Obergaden. Diese steht auf 75 Stützen und Pylonen. Die ganze Konstruktion wurde mit Nieten verbunden und einem Schutzanstrich mit Bleimenninge versehen.
Die Perronhalle SBB weist eine Breite von zirka 90 und eine Länge von 105 bis 210 Metern auf. Sie gehört in der Schweiz zu den wenigen noch erhaltenen Perronhallen aus der Gründerzeit. Eine erste Sanierung der Konstruktion erfolgte 1935 im Zuge der Elektrifizierung der Eisenbahn. Damals wurde auch das Dach erneuert. Eine Erneuerung des Oberlichts erfolgte 1994.Daneben wurde der Bahnhof Basel im Laufe der Zeit um sechs zusätzliche Gleise erweitert.
Erfolgte der Zugang zu den Gleisen früher durch eine Unterführung, wurde diese 2003 durch eine 185 Meter lange Passerelle ersetzt, die am westlichen Ende den Zugang zu den Gleisen vom Centralplatz aus wie vom benachbarten Gundeldingen ermöglicht. Wegen des steten Wachstums des Fahrgastaufkommens ist aber geplant, die Unterführung teilweise wieder für den Publikumsverkehr zu öffnen: In Stosszeiten sollen ankommende Fahrgäste zukünftig unterirdisch Richtung Ausgang Centralbahnstrasse geführt werden.(bk)