Ausstellungstipp: Gläserne Farbenpracht im Landesmuseum
Sie sind ein Klassiker bei einem Stadtrundgang durch Zürich: die Fenster von Marc Chagall im Fraumünster. Das Licht, dass durch die farbenprächtigen Fenster dringt fasziniert bis heute. Von der Geschichte solch farbenprächtiger Werke erzählt die aktuelle Ausstellung im Landesmuseum in Zürich, das über eine der weltweit grössten Glasgemäldesammlungen verfügt.
Die Schau rollt die Geschichte der Glasmalerei anhand von Höhepunkten seiner Kollektion auf und spannt dabei den Bogen von den frühesten Anfängen bis in die Gegenwart. So ist unter anderem mit der «Flumser Madonna» aus dem 13.Jahrhundert die älteste in der Schweiz erhaltene figürliche Glasmalerei zu sehen.
Von der Ratsstube bis zum Parlamentsgebäude
Ab dem 15. / 16. Jahrhundert wurde es in der Eidgenossenschaft üblich, dass die Stifter jeweils bei einem Neu-oder Umbau eines Gebäudes die Kosten für die Gestaltung und Herstellung eines Fensters übernehmen. Im Gegenzug konnten sie das Fenster mit ihrem Wappen versehen lassen. Und so setzten auch die Vertreter der eidgenössischen Orte ihre Wappen in Fenster von Ratsstuben, Wirtshäusern und Klöstern. Sie gaben so erstmals einem eidgenössischen Nationalgefühl Ausdruck. Und im 19. Jahrhundert griff der moderne Bundesstaat schliesslich auf diese Tradition der Standesscheiben zurück und stiftete die Glasgemälde in der Ruhmeshalle des neu erbauten Landesmuseums (1898) und in der Kuppelhalle des Parlamentsgebäudes(1901).
Sigmar Polke und alte Handwerkskunst
Auch im 20.Jahrhundert erhielten verschiedene Rathäuser grosser Schweizer Städte Standesscheiben geschenkt. Und auch heute ist die Glasmalerei eine vielbeachtete Kunst. Ein Beispiel sind die Glasfenster im Grossmünster Zürich: Zu den bereits vorhandenen Glasmalereien von Augusto Giacometti von 1933 kamen 2009 die Glasgemälde von Sigmar Polke hinzu. Polke wendete dabei verschiedene, neuartige Techniken an. So zeigt die Ausstellung nach Polkes Entwürfen ausgeführte Musterglasplatten.
Am grundlegenden Arbeitsprozess zur Herstellung eines Glasgemäldes hat sich über die Jahrhunderte nur wenig geändert: Nach wie vor sind unzählige Arbeitsschritte nötig, um vom Entwurf über die Auswahl des Materials und dem Schneiden des farbigen Glases bis hi fertigen, mit Bleiruten verlöteten Glaskunstwerk. Und gibt die Schau auch anhand von Werkzeug, anhand Lötkolben, Bleiprofilen und einem tragbarer Brennofengeben Einblick in diese aufwendige Handwerkskunst. (mai/mgt)
Farben im Licht. Glasmalerei vom 13. bis 21. Jahrhundert im Landesmuseum Zürich bis 3.4.2022
Öffnungszeiten: Dienstag bis Mittwoch von 10 bis 17 Uhr, Donnerstag von 10 bis 19 Uhr, Freitag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr
Weitere Informationen: www.landesmuseum.ch
Quelle: Schweizerisches Nationalmuseum
Die Flumser Madonna stammt aus dem 13. Jahrhundert. Sie befindet sich in der St. Jakob-Kapelle in Gräpplang bei Flums, die der Heiligen Jungfrau Maria und dem Heiligen Jakob geweiht ist. Das Marienbild befand sich im Chorfenster, dem bedeutendsten Ort in der Kapelle.
Quelle: Schweizerisches Nationalmuseum
Wappenscheibe um 1679 von Hans Caspar Gallati (1633–1699): Ein Segelschiff, beladen mit Reisenden und Fässern, steuert die nächstgelegene Stadt im Bildrand links an. Beiderseits des Segels stehen die Wappen der Stifter. Die Marken auf den Rudern entsprechen den Zeichen in den Wappen.
Quelle: Schweizerisches Nationalmuseum
Wappenscheibe um 1554 aus dem Ratssaal des Stadthauses von Le Landeron: Ein Halbartier und eine elegant gekleidete Dame mit Tasche und Bestecketui an einer Kordel treten als Schildhalter des Wappens von Peter Mutarda auf. , farbige Gläser, bemalt
Quelle: Schweizerisches Nationalmuseum
Kleine Rundscheibe um1633: Magdalena Gmünder, Lorenz Vonwilers Gattin, reicht ihrem Mann einen goldenen Kelch, in der anderen hält sie den Deckel.
Quelle: Schweizerisches Nationalmuseum
Standesscheibe Bern, Hans Jakob Güder (um 1631–1691) um 1675 aus Othmarsingen: Über dem Standeswappen von Bern halten ein Löwe und ein Bär die grosse Krone. Der Löwe, das Wappentier der Herzöge von Zähringen, hält die Reiterstandarte der Stadtgründer, der Bär das Berner Banner.
Quelle: Schweizerisches Nationalmuseum
Bildfenster, Karl Wehrli (1843–1902) Bidlfenster um 1880: Wilhelm Tell ist stehend mit Armbrust und hochgehaltenem Pfeil vor einer Landschaft mit dem Urnersee und den hohen Bergen dargestellt. Über seinem Haupt hängt sein Wappen mit dem durchschossenen Apfel. , farbige Gläser, bemalt
Quelle: Schweizerisches Nationalmuseum
Ernst Rinderspacher (1879–1949) malte um 1920 das Meretlein, die fiktive Figur aus Gottfried Kellers Roman «Der grüne Heinrich». Keller hatte sich dafür von einem Kinderporträt aus dem frühen 17. Jahrhundert inspirieren lassen.
Quelle: The Estate of Sigmar Polke, Anna Polke-Stiftung, Grossmünster Zürich, Grossmünster Zürich, Glas Mäder & Co. AG
Musterglasplatte zum Fenster Elijas Himmelfahrt im Grossmünster Zürich, Entwurf Sigmar Polke (1941–2010), Ausführung Urs Rickenbach (geb. 1957), Glas Mäder & Co. AG, um 2006-2009, Fusing Glass Leihgabe Glas Mäder & Co. AG, Rüschlikon