Architekturführer Moskau: «Moskau, was bist Du für eine Stadt?»
Moskau ist auch ein Projekt Vladimir Putins, der das Gesicht der Metropole wie nur wenige vor ihm geprägt hat und prägt, indem er den Umbau der Metropole vorantreibt. Während der letzten 20 Jahre habe sich die russische Hauptstadt stark verändert, schreibt Philipp Meuser, Herausgeber des kürzlich neu aufgelegten Moskau-Architekturführers.
Dass die Architektur der Stadt immer stark unter dem Einfluss der Politik gestanden hat, ist allerdings nichts Neues. Die Zaren drückten ihr mit ihren Kirchen und Palästen ebenso ihren Stempel auf wie später die Oktoberrevolution, die der Stadt zahlreiche dem Konstruktivismus und dem Rationalismus verpflichtete Bauten bescherte.
Letzteres gilt für die Gebäude der Arbeiterklubs und für die Kulturpaläste, die zwischen den 1920er- und Mitte der 1930er-Jahre errichtet worden sind. Ihre Architektur sollte die neue Ideologie symbolisieren – und damit zur «Schaffung des neuen Sowjetmenschen» beitragen. Ebenfalls von diesem Baustil beeinflusst sind auch Wohnüberbauungen und Industrieanlagen.
Unter der Ägide von Nikita Chruschtschow kam die industrielle Produktion oder vielmehr der Plattenbau im Wohnungsbau an: «Der Wohnungsbau in der Sowjetunion war hinsichtlich seines Umfangs bislang beispiellos – von der strategischen Ausrichtung über die architektonische Planung bis hin zur technischen Ausführung durch und durch politisiert und von der Erfüllung der von Partei und Staat vorgegebenen Richtwerte geprägt», weiss Meuser. Zahllose Beispiele sind bis heute erhalten geblieben, etwa einige der im Projektierungsinstitut entworfenen Typenhäuser «Mnitep».
Wolkenkratzer und Überwachungskameras
Starke Veränderungen zog auch der Fall des Eisernen Vorhangs nach sich. Der russische Turbokapitalismus wandelte Moskau zum Schmelztiegel aller möglichen Architekturströmungen. Wolkenkratzer schraubten sich in den Himmel, Strassen wurden saniert, Metrostationen eröffnet, Velowege angelegt sowie Grünräume und Plätze geschaffen, die zum Verweilen einladen. Doch vor allem letztere haben eine Schattenseite: Sie zählen laut dem Architekturführer zu den Orten mit der höchsten Überwachungskameradichte. Damit sind sie ein Ausdruck der zunehmenden Kontrolle des öffentlichen Lebens. Dies ist nur eine vielen Geschichten, die der Führer erzählt und die zeigen, wie stark hier Politik und Macht mit der Architektur verwoben sind.
«Moskau – was bist Du für eine Stadt?», fragt Meuser im Vorwort. Beinahe scheint es, als ob sich die Frage ob der schieren Vielfalt Moskaus nicht beantworten lässt. Sie hat viele Gesichter. Und sie zu entdecken lohnt sich, wie der Band zeigt.
«Architekturführer Moskau», Peter Knoch, Hrsg. Philipp Meuser, 576 Seiten, DOM publishers, ISBN 978-3-86922-634-7, 58 Franken 90