Ägyptisch Blau wurde in Europa in der Nähe von Neapel produziert
Über Jahrtausende ist Ägyptisch Blau nur in Ägypten hergestellt worden. Ab etwa dem ersten Jahrhundert produzierte man es auch in Europa: Wie Analysen von Wandmalereifragmenten aus Augusta Raurica und Avenches zeigen, befand sich die erste europäische Produktionsstätte in der Nähe von Neapel.
Quelle: Thomas Schmid
Pigmentkugeln von Ägyptisch Blau und ein Wandfragment, gefunden in den archäologischen Überresten der antiken römischen Städte Aventicum (oben) und Augusta Raurica.
Das intensive Blau war kostbar und seine Rezeptur während Jahrtausenden geheim: Ägyptisch Blau wurde in Ägypten für Wandmalereien verwendet, auch Sarkophage versah man mit der Farbe. Sie gilt als erstes künstlich hergestelltes Pigment und dürfte im Zuge der Glasproduktion und der Kupfergewinnung entdeckt worden sein.
Ägypten trieb über lange Zeit als einziges Land damit Handel. Geändert hat sich dies wohl erst im ersten Jahrhundert. Das geht aus den «Zehn Büchern über die Architektur» («De architectura libri decem») des römischen Architekten, Ingenieurs und Architekturtheoretikers Vitruv hervor. Er berichtet darin von einem «gewissen Vestorius», der in Puteoli – oder vielmehr Pozzuoli – entsprechende Produktionsstätten errichtet haben soll.
Wandmalereien in einer Südtiroler Kirche
Dass das begehrte Blau tatsächlich im Ort in der Nähe von Neapel hergestellt worden ist, stellten Kunsttechnologin Petra Dariz von der Hochschule der Künste Bern und Chemiker Thomas Schmid von Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Berlin bereits letztes Jahr fest. Sie konnten in frühmittelalterlichen Wandmalereien der Kirche St. Peter ob Gratsch in Südtirol verwendeten Ägyptisch Blau Spuren zu Produktionsstätten in Pozzuoli nachweisen.
Die Farbe war auch in die heutige Schweiz importiert worden, wie Dariz und Schmid weiter herausgefunden haben: Sie entdeckten das Blaupigment auch in Wandmalereien der römisch-kaiserzeitlichen Ausgrabungsstätten von Augusta Raurica und Avenches.
Strandsand aus dem Volturno
Quelle: Thomas Schmid
Mikroskopische Aufnahme einer Pigmentkugel aus Augusta Raurica, die im Rahmen des Forschungsprojekts «Spurenbestandteile in Ägyptisch Blau» entstanden ist.
Möglich machte dies die Ramanmikrospektroskopie: Die Oberfläche der Pigmentekugeln und der Wandmalereifragmente wurde dabei mit einem Laser zerstörungsfrei abgetastet und währenddessen flächendeckend chemisch analysiert. Wie die Hochschule der Künste Bern in ihrer Medienmitteilung schreibt, eröffnete dies den Zugang zu rund 40 Spurenbestandteilen der Rohstoffe. So konnten unter anderem Strandsande, die nahe der von Vitruv vermerkten Produktionsstätten als Flusssedimente des Volturno in den Golf von Gaeta transportiert werden, festgestellt werden.
Vitruvs Überlieferung, dass die erste europäische Produktion von Ägyptisch Blau auf italienischem Boden erfolgt sein soll, ist laut BFH somit naturwissenschaftlich belegt. (mai/mgt)
Die vollumfänglichen
Ergebnisse des Projektes veröffentlichten Petra Dariz und Thomas Schmid
kürzlich im Nature-Research-Journal Scientific Reports.
Internettipp: Hintergrundinformationen zu Ägyptisch Blau auf www.materialarchiv.ch
Quelle: Philip Pikart, eigenes Werk, CC BY-SA 3.0b
Büste der Nofretete im Ägyptischen Museum Berlin. Für die Krone war Ägyptisch Blau verwendet worden.