3D-Laserscanner: Risse und Feuchte gleichzeitig erfassen
Extreme Wetterereignisse können Bahntrassen, Strassen, Tunnel und Brücken schädigen. Der am deutschen Fraunhofer Institut für Physikalische Messtechnik (IPM) entwickelte, «weltweit schnellste» 3D-Laserscanner hilft, solche Infrastrukturen präzise zu überwachen und ihre Instandhaltung zu planen.
Quelle: Fraunhofer IPM
Messfahrzeug mit eingehaustem 3D-Laserscanner.
Stürme, heftige Niederschläge oder Hochwasser können grosse Schäden am Bahnnetz und an Strassen verursachen. Um Risse und andere Defekte in Fahrbahnbelägen, Tunnelwänden und Brücken rechtzeitig zu entdecken, werden Messfahrzeuge mit mobilen Laserscannern eingesetzt, die die Umgebung dreidimensional, berührungslos und hochpräzise erfassen.
Am IPM ist nun mit dem «Tunnel Inspection System»(TIS) ein Messsystem entwickelt worden, das mit zwei Laserwellenlängen arbeitet und neben der Geometrie des Bauwerks zusätzlich die Feuchte von Oberflächen erfasst. Wie es in der Medienmitteilung heisst, ist dies ein Alleinstellungsmerkmal. Das TIS erkennt somit, ob etwa die Innenwand eines Tunnels trocken oder feucht ist, was Rückschlüsse auf den Zustand des Bauwerks zulässt.
Im Gegensatz zu kamerabasierten Verfahren funktioniert das TIS auch bei schlechten Lichtverhältnissen. Denn der Scanner kann nicht nur den Zustand von Tunneln, sondern auch von Strassen und Schienen erfassen. Er liefert georefenzierte 3D-Daten, die automatisiert ausgewertet werden können.
Schnellster Laserscanner der Welt
Das TIS identifiziert Defekte im Millimeterbereich: «Ans Messfahrzeug montiert fährt der Scanner mit einer Geschwindigkeit von bis zu 80 Stundenkilometern das Objekt ab und registriert dessen Gesamtgeometrie und, bei mehrmaligem Vermessen, auch die entsprechenden Veränderungen», erläutert Alexander Reiterer, Wissenschaftler am IPM.
Das System misst zwei Millionen Messpunkte pro Sekunde, das heisst der Messstrahl legt zwei Millionen Mal pro Sekunde die Distanz vom Messgerät zum untersuchenden Objekt –zum Beispiel zu einer Wand –zurück. Über einen rotierenden Spiegel wird der Messstrahl 200 Mal pro Sekunde in einem 360-Grad-Radius abgelenkt und somit engmaschig über das Messobjekt geführt.
Damit sei er der schnellste Scanner dieser Art weltweit, teilt das Fraunhofer Institut mit. Distanzen bis zu 80 Meter werden dabei gemessen, was gemäss den Forschern mehr als ausreichend für die Aufgabenstellung ist. Das Scanergebnis liefert eine 3D-Beschreibung der Umgebung in Form einer Punktwolke. Ausgelegt für raue Umgebungen, trotzt das Messgerät grosser Kälte und Hitze: Es funktioniert sowohl bei Temperaturen von –50 Grad Celsius als auch bei +50 Grad Celsius.
Komplexes Phasenvergleichsverfahren
Laserscanner wenden meist das Prinzip der Lichtlaufzeitmessung an: Dabei wird die Laufzeit des Lichts vom Emitter zum Objekt und zurück zum Detektor gemessen und über die Lichtgeschwindigkeit auf die Distanz geschlossen. Beim TIS ist das anders: Es nutzt das komplexere Phasenvergleichsverfahren: «Dabei wird die Intensität des Senders hochfrequent moduliert. Die Laufzeit des Lichts zum Ziel und wieder zurück wird aus der Phasenverschiebung zwischen Sende- und Empfangssignal gewonnen», so Reiterer.
Um die Oberflächenfeuchtigkeit zu messen, kommen Laserstrahlen unterschiedlicher Wellenlänge zum Einsatz, die von Wasser unterschiedlich stark, aber sehr spezifisch absorbiert werden. Die Intensität der gemessenen Signale gibt Aufschluss über die Feuchte an der Oberfläche der Tunnelwand. «Infrarotlicht wird von Wasser stark absorbiert. Diesen physikalischen Effekt machen wir uns zunutze. Wir verwenden zwei sehr nah beieinanderliegende Wellenlängen, eine wird stark absorbiert, die andere schwach. Aus der Differenz berechnen wir den Feuchtegrad.»
Effizient auswerten mit Hilfe von Machine Learning
Die vom Scanner erzeugten hochaufgelösten, georeferenzierten Daten liegen digital vor. Digitale Messdaten sind eine wichtige Voraussetzung für langfristiges Infrastruktur-Monitoring. Die anschliessende Auswertung basiert auf Machine Learning-Verfahren. Anhand eigens entwickelter Algorithmen erkennt das System automatisch, welche Objekte in dem betrachteten Areal vorhanden sind. Das kann ein Laternenpfahl sein oder ein Riss in der Wand. Das System ordnet dann jedem Datenpunkt die Zusatzinformation zu, zu welchem Objekt er gehört. Daraus lässt sich umfangreiches Kartenmaterial automatisiert ableiten.
Allerdings: Bevor die Algorithmen die erfassten Daten interpretieren können, müssen sie trainiert werden. «Die grosse Herausforderung liegt darin, eine entsprechende Datenbasis für das Training aufzubauen», sagt Reiterer. Am IPM liegen solche Daten für verschiedenste Anwendungsfälle vor und können für das individuelle und anwendungsspezifische Training eingesetzt werden.
Erste Testmessungn in der Schweiz
Derzeit gibt es das TIS erst als Prototypen. Erste Test-Messungen seien in einem Schweizer Versuchsstollen wurden bereits erfolgreich abgeschlossen worden, heisst es in der Medienmitteilung. Das finale System soll mit einer Grösse von 30 x 30 x 30 cm3 sehr kompakt ausfallen.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des Scanners ist gemäss seinen Schöpfern der Umstand, dass das komplette System geschlossen ist. Die rotierende Komponente, die den Laserstrahl ablenkt, befindet sich in einem Glaszylindergehäuse. «Dadurch realisieren wir ein robustes, langlebiges und wartungsfreies System», sagt Reiterer. Im nächsten Schritt soll es unter realen Bedingungen auf Strasse und Schiene getestet werden.
Mit dem TIS haben habe man jetzt ein multimodales System, das es erstmals erlaube, die 3D-Daten, Risse und Feuchte gleichzeitig zu erfassen, so der Wissenschaftler. «Das ist ein grosser Fortschritt in Bezug auf Kosten, Geschwindigkeit und Effizienz.»(mai/mgt)