3D-gedruckte Betonbrücke in Lyon: Phönix aus der Asche
Im Jahr 2021 wurde auf der Biennale von Venedig die aus gedrucktem Beton erstellte Skulptur Striatus gezeigt. Nach Ausstellungsende wurde das von der ETH Zürich und Zaha Hadid Architects verantwortete Objekt klein gemahlen. Nun wurde aus diesem Bauschutt auf dem Gelände des Holcim Innovation Centers in Lyon eine neue Version realisiert.
![Phoenix-Project Holcim Innovation Center in Lyon](https://www.baublatt.ch/storage/images/crop1/157415_1.jpg)
Quelle: Vincent Delesvaux
Deren Reinkarnation Phoenix im Garten des Holcim Innovation Centers in Lyon im Jahr 2024.
Tatsächlich baut auf dieser Idee das nachhaltige
Recyclingkonzept auf, welches dem Phoenix-Projekt zugrunde liegt. Federführend
ist dabei die Block Research Group (BRG), die an der ETH Zürich angesiedelt
ist. Philippe Block ist dort Leiter des Instituts für Technologie in der
Architektur. Zusammen mit Shajay Bhooshan von Zaha Hadid Architects (ZHA) hatte
er das Striatus-Konzept entwickelt. Darauf nun aufbauend, konzipierte die ETH
mit ZHA dessen Reinkarnation in Form des Phoenix-Projekts. Im Frühjahr 2024 konnte
die neu erschaffene Brückenskulptur im Garten des Holcim Innovation Center in
Lyon eingeweiht werden. Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt an der ETH
Zürich von Alessandro Dell'Endice.
Im Unterschied zum Vorgängerbau ist die Phoenix-Brücke nicht
als temporäre, sondern als dauerhafte Anlage ausgelegt. Der konstruktive Fokus
lag auf dem Baustoffrecycling und wurde, entsprechend dem Standort, technisch
durch die Holcim AG betreut. Dabei wandte der Konzern die von ihm entwickelte
Eco-Cycle-Technologie an.
Optisch unterscheiden sich die beiden Bauwerke Striatus und
Phoenix in zwei markanten Details:
- Das venezianische Vorgängerprojekt war etwas höher, seine Aufgänge etwas steiler, weshalb es über eine aufgelegte, hölzerne Treppenkonstruktion verfügte, während die Neufassung in Lyon eine reine Rampenanlage aus gedrucktem 3D-Beton ist.
- Bei Striatus bestanden auch die Handläufe aus gedruckten und zusammengefügten Betonelementen, bei Phoenix bestehen die Handläufe aus Edelstahl, die ausgeführt als schlanke Pfosten und Streben eine freie Sicht auf die reduzierte Betonskulptur geben.
![Brückenskulptur Striatus auf der Biennale Venedig 2021](https://www.baublatt.ch/storage/images/crop1/157414_1.jpg)
Quelle: Naaro / ZHA
Die Brückenskulptur Striatus auf der Biennale von Venedig im Jahr 2021.
Bauweise
Konstruktiv bestand die Striatus-Skulptur aus 53 gedruckten
Betonelementen, die nach dem Prinzip einer Kettenlinie zu einem Gewölbe
zusammengefügt waren. Deshalb wies das Objekt keine Querkräfte auf, und
ausschliesslich Druckkräfte wurden von einem Element zum nächsten
weitergeleitetet. Aus diesem Grund konnte im Hochbauteil des Projektes
vollkommen auf Bewehrungen verzichtet werden. Nur im Tiefbaubereich mussten die
Punktfundamente zusätzlich mit Stahlseilen miteinander verbunden sein, um ihr
Auseinanderstreben durch Auflast zu verhindern. Um Material zu reduzieren,
wurden die einzelnen Betonlagen senkrecht zu den Vektorrichtungen der
Druckkräfte gedruckt und eben nicht so, wie es die jeweilige Bausteingeometrie
angeboten hätte.
Der Phoenix-Bau besteht nun aus rund doppelt so vielen Betonbauteilen wie die Striatus-Skulptur. Für die erheblich kleineren Elemente entschied man sich, um die statische Präzision zu erhöhen. Stellt man sich den Gewölbeschnitt als eine Kurve vor und die gedruckten Steine als ein Polygon, das diese abbildet, dann ist der sogenannte Stich bei kleineren Elementen natürlich ein höherer und eine Annäherung an die Ideallinie grösser. Damit ergab sich für den Druck eine bessere Schichthöheneffizienz. Stärkere Drucklayer konnten angelegt werden und ermöglichten, die Betondruckfestigkeit von 90 MPa auf 50 MPa zu senken. Auch war es möglich, grössere und vor allem recycelte Zuschläge zu verwenden. Es konnte CEM III-Zement verarbeitet werden, was zu einer Reduktion des CO2-Fussabdrucks um fast 25 Prozent führte.
Die erforderlichen Forschungen dazu
betreute bei Holcim Serge Nana. Hélène Lombois-Burger, die Leiterin der Forschungs- und
Entwicklungsabteilung für Beton am Holcim Innvovation Center,
stellt zudem fest, dass neben dem verringerten CO2-Fussabdruck auch die
Zirkularität maximiert wurde. So wurde der gesamte Striatus-Bauschutt zu 100
Prozent wiederverwendet: teilweise im Zuschlag, teilweise als Füllmaterial im
Bereich unterhalb der Skulptur und teilweise noch bei einem weiteren Projekt.
![Phoenix-Project Holcim Innovation Center in Lyon](https://www.baublatt.ch/storage/images/crop1/157416_1.jpg)
Quelle: Vincent Delesvaux
Senkrechte Drohnenaufnahme des Phoenix-Projects im Garten des Holcim Innovation Centers in Lyon.
![Phoenix-Project Holcim Innovation Center in Lyon](https://www.baublatt.ch/storage/images/crop1/157417_1.jpg)
Quelle: Cecilia Vuillermoz
Festgehalten wurde hier effektiv der Richtfestzustand. Die fertig montierte Betonkonstruktion der Brückenskulptur in der Vogelperspektive, aber noch ohne Edelstahlgeländer.
Ausführung
Gedruckt wurden die Phoenix-Betonelemente, wie auch damals
die des Striatus-Projekts, von der in Innsbruck ansässigen Incremental 3D GmbH. Um nun den konstruktiv
niedrigen CO2-Fussabdruck nicht durch Transportleistungen zu vergrössern, entschied man sich, den erforderlichen zusätzlichen Sand ausschliesslich aus der Umgebung des
3D-Druckdienstleisters zu beziehen. Die erwähnte
kleinere Ausführung der fertigen Betonelemente
erlaubte zudem eine dichtere Bepackung der Transportfahrzeuge, weniger Fahrten
und somit eine Reduktion des CO2-Ausstosses in der erforderlichen Logistik.
Von innen nach aussen
Um eine maximale Effizienz in der Übertragung der
Druckkräfte von einem Betonstein auf den nächsten zu gewährleisten, wurden an
deren Stössen Neoprenpolster eingelegt. Damit wäre auch grundsätzlich eine
zerstörungsfreie Demontage der Skulptur möglich. Montiert wurde der Pavillon in
entgegengesetzter Vorgehensweise als im traditionellen Gewölbebau üblich.
Begonnen wurde im Scheitelpunkt und geendet in den fünf Fundamentpunkten.
Anlass für diese Strategie war das Bestreben, möglichst viele Bautoleranzen und
Unvollkommenheiten gleich mit der Ausführung zu kompensieren. Denn letztendlich
ist es bei dem vollendeten Objekt unerheblich, welchen Abstand die
Teilfundamente zueinander haben. Viel wichtiger ist der präzise, vollflächige
Stoss der einzelnen Betonelemente aneinander. Umgesetzt wurde diese Art der
Ausführung mit einem handelsüblichen Gerüstsystem aus Stahl, auf dem die
einzelnen Bauteile aufgelegt wurden und das mit dem Gewölbe zusammen nach
aussen sukzessive an Umfang zunahm. Die fünf Fundamentpunkte waren zuvor an den
grob festgelegten Positionen angelegt worden. Die erwarteten Spalten in den
Anschlusspunkten wurden mit Mörtel geschlossen.
![Phoenix-Project Holcim Innovation Center in Lyon](https://www.baublatt.ch/storage/images/crop1/157418_1.jpg)
Quelle: Cecilia Vuillermoz
Errichtet wurde die Brückenskulptur durch Auflegen der gedruckten Betonelemente auf ein handelsübliches Lehrgerüst aus Stahl.
![Phoenix-Project Holcim Innovation Center in Lyon](https://www.baublatt.ch/storage/images/crop1/157419_1.jpg)
Quelle: Alessandro Dell‘Endice
Die einzelnen Betonelemente sind erheblich kleiner als bei dem Vorgänger Striatus.
Stahlkonstruktion
Anders als bei der Striatus-Skulptur weist das
Phoenix-Projekt keine seitlichen Brüstungen aus gedruckten Betonelementen auf.
Sein Geländer besteht aus Edelstahlelementen, deren Pfosten mit T-förmigen
Fussstücken ohne eine zusätzliche Fixierung zwischen die einzelnen
Betonelemente geklemmt wurden.
An diese wurden die vertikalen Pfosten geschraubt, die
wiederum mit Horizontalstreben und Handläufen miteinander reversibel verbunden
sind. Auch hier wird die einfache Trennbarkeit der Materialien im Falle einer
Demontage betont.
Wie schon erwähnt, stellt die Konstruktion des
Phoenix-Projekts statisch ein Gewölbe dar, dessen Fusspunkte durch die
Vertikallasten der Bauteile, aber auch durch zu erwartende Verkehrslasten
auseinanderstreben. Um dies konstruktiv zu kompensieren, sind die fünf
Fusspunkte mit stählernen Zugseilen miteinander verbunden, womit statisch das
Gleichgewicht der Kräfte hergestellt wurde.
Auf Dauer ausgelegt
Anders als beim Striatus-Projekt ist sein Nachfolger flacher
angelegt. Die Phoenix-Skulptur erfordert keine Stufen mehr, um sie zu
besteigen, die geneigten Rampen reichen völlig. Dennoch ist ihre Bauhöhe so
gross, dass die lichte Höhe unterhalb des Brückenkörpers im Scheitel immer noch
mehr als zwei Meter beträgt und man darunter stehen kann. Die begehbare
Oberfläche der Brückenskulptur besteht aus dem Rohbaumaterial, dem gedruckten
Beton. Nach Fertigstellung wurde die Phoenix-Brücke erfolgreich einem Belastungstest
mit Sandsäcken unterzogen. Dieser untersuchte jedoch nicht eine Bruchbelastung,
sondern nur die von einem Statiker berechnete zulässige Maximallast. Da das
neue Objekt im Gegensatz zu Striatus nicht als temporäres, sondern als
permanentes Objekt konzipiert wurde, war ein statischer Nachweis für eine
Standzeit von mindestens zehn Jahren gegenüber dem Bauamt erforderlich.
Letztlich soll mit diesem Projekt auch gezeigt werden, dass 3D-Beton genauso
langlebig wie sein analoger Verwandter ist.
Die an der Biennale aus gedrucktem Beton erstellte Striatus-Struktur wurde auch im Baublatt 13 / 2022 vorgestellt.
![Phoenix-Project Holcim Innovation Center in Lyon](https://www.baublatt.ch/storage/images/crop1/157413_1.jpg)
Quelle: Cecilia Vuillermoz
Die Fusspunkte des Edelstahlgeländers sind T-förmige Profile, die unverschraubt zwischen die gedruckten Betonelemente geklemmt wurden.