08:02 BAUPRAXIS

3D-gedruckte Betonbrücke in Lyon: Phönix aus der Asche

Geschrieben von: Robert Mehl (rm)
Teaserbild-Quelle: Vincent Delesvaux

Im Jahr 2021 wurde auf der Biennale von Venedig die aus gedrucktem Beton erstellte Skulptur Striatus gezeigt. Nach Ausstellungsende wurde das von der ETH Zürich und Zaha Hadid Architects verantwortete Objekt klein gemahlen. Nun wurde aus diesem Bauschutt auf dem Gelände des Holcim Innovation Centers in Lyon eine neue Version realisiert.

Phoenix-Project Holcim Innovation Center in Lyon

Quelle: Vincent Delesvaux

Deren Reinkarnation Phoenix im Garten des Holcim Innovation Centers in Lyon im Jahr 2024.

Tatsächlich baut auf dieser Idee das nachhaltige Recyclingkonzept auf, welches dem Phoenix-Projekt zugrunde liegt. Federführend ist dabei die Block Research Group (BRG), die an der ETH Zürich angesiedelt ist. Philippe Block ist dort Leiter des Instituts für Technologie in der Architektur. Zusammen mit Shajay Bhooshan von Zaha Hadid Architects (ZHA) hatte er das Striatus-Konzept entwickelt. Darauf nun aufbauend, konzipierte die ETH mit ZHA dessen Reinkarnation in Form des Phoenix-Projekts. Im Frühjahr 2024 konnte die neu erschaffene Brückenskulptur im Garten des Holcim Innovation Center in Lyon eingeweiht werden. Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt an der ETH Zürich von Alessandro Dell'Endice.

Im Unterschied zum Vorgängerbau ist die Phoenix-Brücke nicht als temporäre, sondern als dauerhafte Anlage ausgelegt. Der konstruktive Fokus lag auf dem Baustoffrecycling und wurde, entsprechend dem Standort, technisch durch die Holcim AG betreut. Dabei wandte der Konzern die von ihm entwickelte Eco-Cycle-Technologie an.

Optisch unterscheiden sich die beiden Bauwerke Striatus und Phoenix in zwei markanten Details:

  • Das venezianische Vorgängerprojekt war etwas höher, seine Aufgänge etwas steiler, weshalb es über eine aufgelegte, hölzerne Treppenkonstruktion verfügte, während die Neufassung in Lyon eine reine Rampenanlage aus gedrucktem 3D-Beton ist.
  • Bei Striatus bestanden auch die Handläufe aus gedruckten und zusammengefügten Betonelementen, bei Phoenix bestehen die Handläufe aus Edelstahl, die ausgeführt als schlanke Pfosten und Streben eine freie Sicht auf die reduzierte Betonskulptur geben.

Brückenskulptur Striatus auf der Biennale Venedig 2021

Quelle: Naaro / ZHA

Die Brückenskulptur Striatus auf der Biennale von Venedig im Jahr 2021.

Bauweise

Konstruktiv bestand die Striatus-Skulptur aus 53 gedruckten Betonelementen, die nach dem Prinzip einer Kettenlinie zu einem Gewölbe zusammengefügt waren. Deshalb wies das Objekt keine Querkräfte auf, und ausschliesslich Druckkräfte wurden von einem Element zum nächsten weitergeleitetet. Aus diesem Grund konnte im Hochbauteil des Projektes vollkommen auf Bewehrungen verzichtet werden. Nur im Tiefbaubereich mussten die Punktfundamente zusätzlich mit Stahlseilen miteinander verbunden sein, um ihr Auseinanderstreben durch Auflast zu verhindern. Um Material zu reduzieren, wurden die einzelnen Betonlagen senkrecht zu den Vektorrichtungen der Druckkräfte gedruckt und eben nicht so, wie es die jeweilige Bausteingeometrie angeboten hätte.

Der Phoenix-Bau besteht nun aus rund doppelt so vielen Betonbauteilen wie die Striatus-Skulptur. Für die erheblich kleineren Elemente entschied man sich, um die statische Präzision zu erhöhen. Stellt man sich den Gewölbeschnitt als eine Kurve vor und die gedruckten Steine als ein Polygon, das diese abbildet, dann ist der sogenannte Stich bei kleineren Elementen natürlich ein höherer und eine Annäherung an die Ideallinie grösser. Damit ergab sich für den Druck eine bessere Schichthöheneffizienz. Stärkere Drucklayer konnten angelegt werden und ermöglichten, die Betondruckfestigkeit von 90MPa auf 50MPa zu senken. Auch war es möglich, grössere und vor allem recycelte Zuschläge zu verwenden. Es konnte CEM III-Zement verarbeitet werden, was zu einer Reduktion des CO2-Fussabdrucks um fast 25 Prozent führte. 

Die erforderlichen Forschungen dazu betreute bei Holcim Serge Nana. Hélène Lombois-Burger, die Leiterin der Forschungs- und Entwicklungsabteilung für Beton am Holcim Innvovation Center, stellt zudem fest, dass neben dem verringerten CO2-Fussabdruck auch die Zirkularität maximiert wurde. So wurde der gesamte Striatus-Bauschutt zu 100 Prozent wiederverwendet: teilweise im Zuschlag, teilweise als Füllmaterial im Bereich unterhalb der Skulptur und teilweise noch bei einem weiteren Projekt.

Phoenix-Project Holcim Innovation Center in Lyon

Quelle: Vincent Delesvaux

Senkrechte Drohnenaufnahme des Phoenix-Projects im Garten des Holcim Innovation Centers in Lyon.

Phoenix-Project Holcim Innovation Center in Lyon

Quelle: Cecilia Vuillermoz

Festgehalten wurde hier effektiv der Richtfestzustand. Die fertig montierte Betonkonstruktion der Brückenskulptur in der Vogelperspektive, aber noch ohne Edelstahlgeländer.

Ausführung

Gedruckt wurden die Phoenix-Betonelemente, wie auch damals die des Striatus-Projekts, von der in Innsbruck ansässigen Incremental3D GmbH. Um nun den konstruktiv niedrigen CO2-Fussabdruck nicht durch Transportleistungen zu vergrössern, entschied man sich, den erforderlichen zusätzlichen Sand ausschliesslich aus der Umgebung des 3D-Druckdienstleisters zu beziehen. Die erwähnte kleinere Ausführung der fertigen Betonelemente erlaubte zudem eine dichtere Bepackung der Transportfahrzeuge, weniger Fahrten und somit eine Reduktion des CO2-Ausstosses in der erforderlichen Logistik.

Von innen nach aussen

Um eine maximale Effizienz in der Übertragung der Druckkräfte von einem Betonstein auf den nächsten zu gewährleisten, wurden an deren Stössen Neoprenpolster eingelegt. Damit wäre auch grundsätzlich eine zerstörungsfreie Demontage der Skulptur möglich. Montiert wurde der Pavillon in entgegengesetzter Vorgehensweise als im traditionellen Gewölbebau üblich. Begonnen wurde im Scheitelpunkt und geendet in den fünf Fundamentpunkten. Anlass für diese Strategie war das Bestreben, möglichst viele Bautoleranzen und Unvollkommenheiten gleich mit der Ausführung zu kompensieren. Denn letztendlich ist es bei dem vollendeten Objekt unerheblich, welchen Abstand die Teilfundamente zueinander haben. Viel wichtiger ist der präzise, vollflächige Stoss der einzelnen Betonelemente aneinander. Umgesetzt wurde diese Art der Ausführung mit einem handelsüblichen Gerüstsystem aus Stahl, auf dem die einzelnen Bauteile aufgelegt wurden und das mit dem Gewölbe zusammen nach aussen sukzessive an Umfang zunahm. Die fünf Fundamentpunkte waren zuvor an den grob festgelegten Positionen angelegt worden. Die erwarteten Spalten in den Anschlusspunkten wurden mit Mörtel geschlossen.

Phoenix-Project Holcim Innovation Center in Lyon

Quelle: Cecilia Vuillermoz

Errichtet wurde die Brückenskulptur durch Auflegen der gedruckten Betonelemente auf ein handelsübliches Lehrgerüst aus Stahl.

Phoenix-Project Holcim Innovation Center in Lyon

Quelle: Alessandro Dell‘Endice

Die einzelnen Betonelemente sind erheblich kleiner als bei dem Vorgänger Striatus.

Stahlkonstruktion

Anders als bei der Striatus-Skulptur weist das Phoenix-Projekt keine seitlichen Brüstungen aus gedruckten Betonelementen auf. Sein Geländer besteht aus Edelstahlelementen, deren Pfosten mit T-förmigen Fussstücken ohne eine zusätzliche Fixierung zwischen die einzelnen Betonelemente geklemmt wurden.

An diese wurden die vertikalen Pfosten geschraubt, die wiederum mit Horizontalstreben und Handläufen miteinander reversibel verbunden sind. Auch hier wird die einfache Trennbarkeit der Materialien im Falle einer Demontage betont.

Wie schon erwähnt, stellt die Konstruktion des Phoenix-Projekts statisch ein Gewölbe dar, dessen Fusspunkte durch die Vertikallasten der Bauteile, aber auch durch zu erwartende Verkehrslasten auseinanderstreben. Um dies konstruktiv zu kompensieren, sind die fünf Fusspunkte mit stählernen Zugseilen miteinander verbunden, womit statisch das Gleichgewicht der Kräfte hergestellt wurde.

Auf Dauer ausgelegt

Anders als beim Striatus-Projekt ist sein Nachfolger flacher angelegt. Die Phoenix-Skulptur erfordert keine Stufen mehr, um sie zu besteigen, die geneigten Rampen reichen völlig. Dennoch ist ihre Bauhöhe so gross, dass die lichte Höhe unterhalb des Brückenkörpers im Scheitel immer noch mehr als zwei Meter beträgt und man darunter stehen kann. Die begehbare Oberfläche der Brückenskulptur besteht aus dem Rohbaumaterial, dem gedruckten Beton. Nach Fertigstellung wurde die Phoenix-Brücke erfolgreich einem Belastungstest mit Sandsäcken unterzogen. Dieser untersuchte jedoch nicht eine Bruchbelastung, sondern nur die von einem Statiker berechnete zulässige Maximallast. Da das neue Objekt im Gegensatz zu Striatus nicht als temporäres, sondern als permanentes Objekt konzipiert wurde, war ein statischer Nachweis für eine Standzeit von mindestens zehn Jahren gegenüber dem Bauamt erforderlich. Letztlich soll mit diesem Projekt auch gezeigt werden, dass 3D-Beton genauso langlebig wie sein analoger Verwandter ist. 

Die an der Biennale aus gedrucktem Beton erstellte Striatus-Struktur wurde auch im Baublatt 13 / 2022 vorgestellt.

Phoenix-Project Holcim Innovation Center in Lyon

Quelle: Cecilia Vuillermoz

Die Fusspunkte des Edelstahlgeländers sind T-förmige Profile, die unverschraubt zwischen die gedruckten Betonelemente geklemmt wurden.

Geschrieben von

Freier Mitarbeiter für das Baublatt.

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