Eine armierungsfreie Brücke aus dem 3D-Betondrucker
«Striatus» ist der Name einer gewölbten Fussgängerbrücke, die derzeit in einem Park in Venedig zu sehen ist. Das spezielle an ihr: Sie besteht aus 3D-gedruckten Beton-Blöcken und kommt ohne Mörtel und Armierungsstahl aus.
Millionen von Neubauten werden auf der ganzen Welt mit Stahlbeton gebaut, obwohl diese Bauweise sehr hohe CO2-Emissionen verursacht. Insbesondere der Stahl für die Armierung und der Zement sei gravierend, schreibt die ETH in einer Mitteilung von heute Montag. ETH-Forschende zeigen in einem aktuellen Projekt nun, wie man bei diesen Aspekten künftig sparen könnte.
Brücke ohne Armierungsstahl
«Striatus» nennt sich eine Brücke, die in den Giardini della Marinaresse in Venedig steht. Für die Besucher des Parks sieht der Bau auf den ersten Blick nicht allzu speziell aus und wirkt wie eine kunstvoll geschwungene Brücke oder eine Skulptur. Der Bau birgt jedoch ein Geheimnis: Er kommt komplett ohne Mörtel oder Armierungsstahl aus.
Die Brücke ist Teil der Ausstellung «Time Space Existence» des European Cultural Center für die Architekturbiennale in Venedig, die noch bis zum 21. November 2021 läuft. Entstanden ist sie im Rahmen eines gemeinsamen Projekts der Block Research Group der ETH Zürich und der Computation and Design group von Zaha Hadid Architects.
Mithilfe der Industriepartner «incremental3d» und dem Zementkonzern Holcim schufen die Projektbeteiligten einen 12 mal 16 Meter grossen, gewölbten Fussgängersteg, der dank der Geometrie des Bauwerks und einer neuen Art des 3D-Betondrucks stabil und gleichzeitig ästhetisch ist. Am Montag wurde die Konstruktion nun enthüllt.
Neue Art von Beton-3D-Druck
Das Bauwerk setzt sich aus additiv gefertigten Beton-Bausteinen zusammen, die sich wie bei alten Steinbrücken durch ihre eingepasste Form zu Bögen ergänzen, heisst es in der ETH-Mitteilung. Auf diese Weise wirken die Kräfte in reiner Kompression genau auf die im Boden miteinander verstrebten Stützen. Die Bausteine stabilisieren sich einzig durch die Geometrie des Bauwerks und kommen so ganz ohne Armierungsstahl aus.
Besonders an der Brücke ist zudem die angewandte, neue Art des Beton-3D-Drucks, die das Forschungsteam gemeinsam mit «incremental3d» entwickelt hat. Hierbei wird der Beton in Schichten nicht wie üblich horizontal aufgetragen, sondern in spezifischen Winkeln, sodass sie genau rechtwinklig zu den Druckkräften zu liegen kommen. Diese Vorgehensweise bewirkt, dass sich auch die bis zu 500 einzelnen Druckschichten im Inneren der Bausteine stabilisieren.
Ein Video gibt Einblick in die Entstehung der Brücke. (Quelle: ETH Zürich)
Spezialbeton für Drucker entwickelt
Holcim hat für das Projekt eigens einen Spezialbeton für den 3D-Drucker entwickelt. Im Gegensatz zum typischen Extrusions-3D-Druck kam bei «Striatus» eine Zweikomponenten (2K)-Betontinte zum Einsatz, um ungleichmässige und nicht parallele Schichten zu drucken, wie Holcim mitteilte. Diese Art des 3D-Betondrucks in Kombination mit der gewölbten Mauerwerkstechnik mache die statische Nutzung von Bauteilen ohne jegliche Bewehrung oder Vorspannung möglich.
Die Prinzipien des traditionellen Gewölbebaus liessen sich dank dieser Form von Beton-3D-Druck mit dem digitalen Betonbau verbinden und Material ausschliesslich dort einsetzen, wo es strukturell notwendig ist, erklärt Philippe Block, Co-Direktor der Block Research Group, in der Mitteilung der ETH.
Weil das Bauwerk zudem ohne Mörtel auskommt, können die Bausteine ganz einfach voneinander getrennt und an einem anderen Ort wieder zusammengefügt werden. Und hat der Bau schliesslich ausgedient, lassen sich die Materialien voneinander trennen und wiederverwerten. (mgt/pb)