Zweitwohnungen: Parlament lockert die Baubeschränkungen
Das Parlament lockert Baubeschränkungen in Gemeinden mit vielen Zweitwohnungen. Häuser, die vor dem März 2012 gebaut worden sind, sollen abgerissen, neu aufgebaut, saniert, in einem gewissen Grad erweitert und uneingeschränkt genutzt werden dürfen.
Quelle: Patrick Rober Doyle, Unsplash
Blick auf Flims GR: In der Gemeinde werden laut einer Untersuchung der Fachhochschule Graubünden rund sieben von zehn Wohnungen als Zweitwohnung genutzt.
In Gemeinden mit über zwanzig Prozent Zweitwohnungen dürfen diese Bauten heute nur beschränkt umgebaut und umgenutzt werden. Die Umwelt- und Raumplanungskommission des Nationalrats (Urek-N) wollte mit der Vorlage Verdichtungen und Entwicklungen in Berggebieten möglich machen.
«Punktuelle Flexibilisierung»
Mit 27 zu 11 Stimmen – gegen den Willen von SP und Grünen und mit fünf Enthaltungen – stimmte die kleine Kammer am Dienstag zu. Ihre eigene Umweltkommission hatte beantragt, dem Nationalrat zu folgen. Kommissionssprecher Beat Rieder (Mitte/VS) sprach im Ständerat von «punktueller Flexibilisierung».
Konkret sollen vor dem 11. März 2012 erstellte Gebäude – an jenem Tag wurde die Zweitwohnungsinitiative an der Urne angenommen – bei Sanierungen sowie nach einem Abbruch und Wiederaufbau um bis zu dreissig Prozent vergrössert und neue Wohnungen eingerichtet werden dürfen. Einschränkungen für die Nutzung soll es in diesen Fällen nicht geben.
Die geltenden Vorschriften verhinderten Investitionen, sagte Rieder. Brigitte Häberli-Koller (Mitte/TG) ergänzte, dass die Vorschriften energetische Sanierungen in Altbauten verhindern könnten. Es müsse möglich sein, diese Häuser nach modernen Standards umzubauen.
Eine rot-grüne Minderheit lehnte die Vorlage ab. Diese löse den Bau von finanziell attraktiven Zweitwohnungen aus und widerspreche dem Verfassungsartikel, sagte Mathilde Crevoisier Crelier (SP/JU) dazu. Bezahlbare Erstwohnungen für Einheimische gerieten unter Druck.
Widerspruch zur Verfassung
Der Bundesrat hatte schon dem Nationalrat erfolglos beantragt, den so entstehenden zusätzlichen Wohnraum ausdrücklich zu Erstwohnungen für die lokale Bevölkerung zu machen und nicht zu Zweitwohnungen. Im Ständerat wurde dieser Antrag mit 17 gegen 26 Stimmen abgelehnt.
Auch der Bundesrat sei besorgt über den Mangel an erschwinglichen Wohnungen in einigen touristischen Orten, sagte Umweltminister Albert Rösti. Die nun beschlossene Regelung stehe aber in einem gewissen Widerspruch zur Verfassung.
Auch Heidi Z'graggen (Mitte/UR) plädierte für den Weg des Bundesrates. Dieser ermögliche es, neue Erstwohnungen zu bauen, ohne die Nachfrage für Zweitwohnungen weiter anzukurbeln. Die Vorlage der Urek-N möge für Feriensiedlungen aus den 1960er- und 1970er-Jahren Sinn machen, aber nicht in Dorfkernen.
Perspektive für Einheimische nötig
Josef Dittli (FDP/UR) stellte sich mit einem Blick nach Andermatt UR ebenfalls hinter den Bundesrat. Der Ort profitiere zwar vom Projekt von Samih Sawiris. Die dortigen neuen Wohnungen dienten aber fast nur als Zweitwohnungen, gab er zu bedenken. Doch auch Einheimische und junge Menschen brauchten eine Perspektive.
«Ohne Möglichkeiten, Zweitwohnungen zu bauen, hätte es das Projekt von Sawiris in Andermatt nicht gegeben», entgegnete der Oberwalliser Rieder. Die Gemeinde habe Möglichkeiten, diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, mit an ihre Situation angepassten Reglementen.
Der Nationalrat hatte die Vorlage gegen den Willen von SP, Grünen und GLP gutgeheissen. Sie ist bereit für die Schlussabstimmungen. Den Anstoss dazu gegeben hatte Nationalrat Martin Candinas (Mitte/GR) mit einer parlamentarischen Initiative. (sda)