Wohnungsnot im Engadin: Verein Anna Florin warnt vor «Brandbeschleuniger»
Die Pläne der nationalrätlichen Kommission für Umwelt, Energie und Raumplanung (Urek-N) Hausumbauten in Zweitwohnungsgemeinden zu erleichtern, erfahren Kritik aus dem besonders betroffenen Engadin. Die Bürgerbewegung Anna Florin kritisiert die Vorlage als Brandbeschleuniger für die grassierende Wohnungsnot.
Quelle: Engadin St. Moritz Tourismus AG / Fabian Gattlen
Der Gemeindevorstand von Celerina (im Bild) hatte im vergangenen Juni eine Planungszone erlassen. Damit sollte vorerst die Umnutzung von Erstwohnungen zu Ferienwohnungen gestoppt werden.
Die als Verein organisierte politische Bewegung Anna Florin kämpft für lebendige Dörfer und bezahlbaren Wohnraum für Einheimische. Der Verein wurde vor wenigen Jahren von jungen Engadinern gegründet, um «dem Druck des Immobilienmarkts entgegenzuwirken».
Durch die von der Urek-N angestossene Gesetzesänderung werde der Druck auf bezahlbaren altrechtlichen Erstwohnraum nochmals massiv zunehmen, schrieb Anna Florin Anfang Woche in einer Mitteilung. Die Vorlage verkenne die Realität in den Zweitwohnungsgemeinden und «möchte den Ausverkauf dieser Ortschaften anscheinend gar noch beschleunigen».
Der Verein spricht von «durchsichtigen Partikularinteressen». Der Wille der Schweizer Bevölkerung werde bewusst ignoriert, indem weitere Lockerungen im Zweitwohnungsgesetz angestrebt würden.
Mehr Freiheiten bei altrechtlichen Wohnungen
Konkret sollen Gemeinden, die sich an Einschränkungen des Zweitwohnungsgesetzes halten müssen, nach dem Willen der Urek-N mehr Freiheiten erhalten für die Neunutzung von sogenannten altrechtlichen Wohngebäuden.
Die vor der Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative erstellten Wohnhäuser sollen neu gleichzeitig vergrössert und in verschiedene Erst- oder Zweitwohnungen unterteilt werden dürfen. Heute darf die Wohnfläche nur vergrössert werden, wenn keine zusätzlichen Wohnungen geschaffen werden.
Zudem sollen in Zukunft auch Ersatzneubauten grösser als das abgerissene Gebäude geplant werden können und das ohne Nutzungseinschränkungen.
Verdichtete Bauweise fördern
Die Urek-N will damit gemäss eigener Aussagen eine verdichtete Bauweise und die Entwicklung von Bergregionen ermöglichen. Den Anstoss zur Vorlage hatte der Bündner Nationalrat Martin Candinas (Mitte) mit einer parlamentarischen Initiative gegeben.
Die Kommission hatte ihren Entwurf einer entsprechenden Änderung des Zweitwohnungsgesetzes bis zum 17. Februar in die Vernehmlassung geschickt. Nun werden die Rückmeldungen ausgewertet und die Vorlage allenfalls bereinigt.
Bevor sich das Parlament damit befasst, wird sich noch der Bundesrat dazu äussern. (sda/pb)
Quelle: Orlando Mugwyler - Own work, wikimedia CC BY-SA 4.0
Um Zeit für die Suche nach Auswegen zu gewinnen, zog die Gemeinde Sils (im Bild) im Januar 2022 als erste die Reissleine und verhängte eine Planungszone.