Wohnungsknappheit: Runder Tisch präsentiert über 30 Massnahmen
Während die Bevölkerung wächst und die Wohnfläche pro Kopf steigt, stagniert der Wohnungsbau nach und nach. Mehr Wohnungen sollen gebaut werden, vor allem preisgünstige: Dies ist das Ziel eines Aktionsplans mit über dreissig Massnahmen, den Bund, Kantone, Gemeinden und Verbände erarbeitet haben. Nicht alle sind aber zufrieden.
Auf der Angebotsseite gehe die Bautätigkeit von Wohnungen seit 2018, als gut 53 000 neue Wohnungen auf den Markt gekommen seien, stetig zurück, heisst es im am heute Dienstag in Bern präsentierten Aktionsplan. Für 2023 rechnet man mit rund 43'000 neuen Wohnungen. Auch die Perspektiven seien nicht viel versprechend, heisst es weiter. «Die erteilten Baubewilligungen für Neubauten sind zwischen 2016 und 2023 um über 30 Prozent zurückgegangen und eine Trendumkehr ist bislang nicht ersichtlich.» Damit entsteht bei einer jährlichen Wohnungsnachfrage in der Grössenordnung von 50’000 Einheiten eine Lücke von 7000 bis 10’000 Wohnungen pro Jahr. – Wie dem Aktionsplan weiter zu entnehmen ist, ist derweil die Zahl der Bewilligungen für Neubauten von 2016 und 2023 um über dreissig Prozent zurückgegangen.
Verdichtung und bessere Ausnutzung von Bauland
Mit
dem Aktionsplan soll nun für mehr Wohnraum und im Besonderen für mehr
Wohnungen zu erschwinglichen Preisen gesorgt werden: Ansätze sind die
Verdichtung und die bessere Ausnutzung von Bauland, effizientere
Planungs-
und Bewilligungsverfahren sowie die Stärkung der indirekten
Wohnbauförderung - soweit die knappen Finanzen es zulassen. Wie lange
die Umsetzung des Plans dauert, hängt von den Massnahmen ab.
Eine
Studie oder ein Leitfaden könnten laut Guy Parmelin rasch realisiert
werden. Aber bis eine Nutzungsplanung oder ein kommunales Baureglement
geändert sei, dauere es länger, so der Wirtschaftsminister. Dabei
ist die Entwicklung nach innen ein grosses Thema: Gebaut werden soll
auf erschlossenem Land, die Nutzungsdichte auf schon bebauten
Arealen könnte erhöht werden. An geeigneten Orten sollte geprüft werden,
ob vermehrt in die Höhe gebaut werden könne, sagte Parmelin. Auch
geringere Grenzabstände seien ein Thema.
Aufgehoben werden
könnte zudem die strikte Trennung von Arbeits- und Wohnzonen. Dies,
damit zum Beispiel Büro- oder Hotelgebäude einfacher zu Wohnbauten
umgenutzt werden könnten. Was einst dem Schutz vor schädlichen
Immissionen diente, sei heute weniger wichtig, da viele gewerbliche und
industrielle Tätigkeiten emissionsarm seien, heisst es dazu.
Versorgung mit genügend Wohnungen im Gesetz verankern?
Rascher Vorangehen soll das Planen und Bewilligen von Wohnbauten. Nachdem sich Verfahren zuweilen wegen missbräuchlicher Einsprachen über Jahre in die Länge ziehen können, soll geprüft werden, ob sich das Interesse an einer genügenden Versorgung mit Wohnungen allenfalls im Gesetz verankert lässt.
Einsprachen, die nur dazu dienen, Projekte zu verhindern, soll
es weniger geben: Es soll darum geklärt werden, ob Einsprache- und
Rechtsmittelmöglichkeiten gebündelt und reduziert werden können; auch
eine Kostenauflage wird erwähnt. Eine materielle Einschränkung soll es
aber nicht geben. - Der Hauseigentümerverband Schweiz pochte in einer Mitteilung auf diese Vorschläge, verlangte aber mehr. Es brauche «vernünftige»
Lärmschutzvorschriften und Lockerungen beim Denkmal- und Heimatschutz, schrieb er.
Kein Fonds zur Unterstüztung gemeinnütziger Bauträger
Angesetzt werden soll zudem bei der Stärkung der indirekten Wohnbauförderung. Doch die knappen Finanzen setzen Grenzen: Auf einen Fonds, der gemeinnützigen Bauträgern helfen würde, an Baugrund zu kommen, soll verzichtet werden. Nicht reaktiviert werden sollen Darlehen und Bürgschaften zugunsten preisgünstiger Wohnungen. Damit nicht zufrieden ist der Verband Wohnbaugenossenschaften Schweiz: «Wir hoffen auf mehr Tempo», sagte Verbandspräsidentin und SP-Ständerätin Eva Herzog. Das Fehlen des Fonds für gemeinnützigen Wohnungsbau sei bedauerlich. Zu begrüssen sie die Massnahme, bei Aufzonungen einen Anteil an preisgünstigem Wohnraum vorzuschreiben.
Auch die Städte hätten
das Vorkaufsrecht für Gemeinden gewünscht und dazu die Formularpflicht,
also die Pflicht, neuen Mietern den Zins ihrer Vorgänger anzugeben.
Diese Massnahmen seien im Aktionsplan stark zurückgestuft worden,
monierte Corine Mauch, Vizepräsidentin des Städteverbandes und Zürcher
Stadtpräsidentin.
Laut Mieterverband fehlen rasche und wirksame Massnahmen
Derweil kritisierte die
Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete, dass es mehr braucht als den
Aktionsplan, damit junge Menschen in Tourismusorten auf Dauer zu
erschwinglichen Preisen wohnen könnten. Genannt werden Anpassungen im
Raumplanungs- und im Zweitwohnungsgesetz. Der Mieterinnen- und
Mieterverband sprach von «Augenwischerei». Rasche und wirksame
Massnahmen, die es erleichtere, eine bezahlbare Mietwohnung zu finden,
enthalte der Aktionsplan nicht. Statt Verantwortung zu übernehmen,
delegiere der Bund das Problem an Kantone und Gemeinden. (mai/sda/mgt)