Wird in der Schweiz zu viel Holz verheizt?
Holz ist nachhaltig, gut fürs Klima und wächst nach. Während immer mehr mit den nachwachsenden Rohstoff Holz gebaut wird, stellt sich die Frage: Wie viel steht davon zur Verfügung? Und wie nutzt man es am besten? Ein Team von Empa und WSL hat die Materialflüsse von Holz in der Schweiz analysiert – und ungenutzte Möglichkeiten entdeckt.
Quelle: Radek Grzybwoksi, Unsplash
Frisch geerntetes Holz wird in der Schweitz oft direkt zu Pellets verarbeitet.
Für den Weg in eine klimaneutrale Zukunft - oder Netto Null bis 2050 - gehört Holz zu den wichtigsten Rohstoffen. Bindet es doch beim Wachstum CO2 aus der Atmosphäre und bietet sowohl als Material als auch als Energieträger Alternativen zu fossilen Rohstoffen.
Auch wenn der Holzbau schon länger ein grosses Thema ist, ist noch immer relativ wenig darüber bekannt, wie davon zur Verfügung steht und in welcher Form. Ein Team von Empa und der WSL hat nun im Rahmen einer Studie sämtliche dokumentierte Materialflüsse von Holz in der Schweiz umfassend analysiert. Die Studie ist kürzlich in der Zeitschrift «Industrial Ecology» veröffentlicht worden und, entstand im Rahmen von «Swiss Center of Excellence on Net-Zero Emissions» (SCENE), einer gemeinsamen Initiative des ETH-Bereichs (siehe Box unten).
Rohholz, Schnittholz, Holzspäne und Holzfasern
Für ihre Analyse nutzen die Fachleute Daten aus 21 verschiedenen Quellen zum Jahr 2020. Es sei eine methodische Herausforderung gewesen, schreibt die Empa. Denn die Angaben in den unterschiedlichen Quellen stimmten nicht immer überein. Holz sei ein vielfältiger Rohstoff, der auf dem Weg von der Ernte zur Anwendung zahlreiche Formen annehmen könne, die sich oft im Volumen und im Feuchtigkeitsgehalt unterschieden. Sie es etwa Rohholz, Schnittholz, Holzspäne oder zum Beispiel Holzfasern für die Papierindustrie. - «Die gute Datenlage in der Schweiz haben wir vor allem unseren Kolleginnen und Kollegen von der WSL und dem Bundesamt für Umwelt zu verdanken», so Co-Autorin und Empa-Forscherin Claudia Som.
Der Aufwand lohnte sich. Studien-Erstautorin Nadia Malinverno aus dem Empa-Labor «Technologie und Gesellschaft» erklärt: «Vergleichbare Studien aus dem Ausland setzen stark auf Modellierung. Sie haben Daten dazu, wie viel Holz im Wald geerntet wird, und berechnen daraus die weiteren Materialflüsse.» Im Gegensatz dazu verwendete des Empa-Team beinahe fast durchgehend «echte» Daten – von der Holzernte sowie dem Import und Export über die Verarbeitung bis hin zu Recycling und Entsorgung. Damit ergibt sich laut Malinverno ein deutlich genaueres Bild – wenn auch kein perfektes.
Die Holznutzung in der Schweiz hat in Sachen Nachhaltigkeit Potenzial
Das Fazit der Studie oder vielmehr von Malinverno und ihrem Team: In der Schweiz besteht noch erhebliches Potenzial, was die nachhaltige Holznutzung betrifft. Die Recycling-Rate beim Holz beispielsweise gerad einmal knapp acht Prozent – beim Papier sind es rund 70 Prozent. Wie Malinverno erklärt, werden von den fünf bis sieben Millionen Kubikmetern Holz, die in der Schweiz jährlich geerntet werden, rund 40 Prozent direkt energetisch genutzt, das heisst verbrannt. «Damit das Holz seine Funktion als CO2-Speicher erfüllt, sollte es möglichst lange als Material in der Technosphäre verbleiben», erklärt Som.
Die Vision der beiden Forscherinnen und der «SCENE»-Initiative: die Kaskadennutzung von Holz. Dabei würde ein gefällter Baum zumächst zu möglichst grossen und hochwertigen Werkstücken verarbeitet werden – etwa zu Balken und Brettern für den Bau. In dieser Funktion sollte das Holz dann so lange wie möglich wiederverwendet werden. Erst wenn dies nicht mehr möglich ist, würde es zerkleinert und in die nächste Materialstufe überführt, beispielsweise für kleinere Bretter, Holzspäne oder Holzwerkstoffe genutzt. Verheizt werden sollte das Holz erst dann, wenn es sich nicht mehr anders nutzen lässt.
Kaskadennutzung ist nur ein Beispiel
Allerdings ist diese Kaskade ist nur ein mögliches Beispiel, wie die Empa mitteilt. Welche Holznutzungen ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll sind, will das Team im Rahmen von «SCENE» noch näher untersuchen. Eines der Ziele ist auch, ausgewählte Materialströme genauer unter die Lupe zu nehmen: In welcher Form liegt das Holz in einem bestimmten Fluss vor? Wo genau fällt es an? Wie ist es behandelt? (mgt/mai)
SCENE – eine «Joint Initiative» des ETH-Bereichs
Das «Swiss Center of Excellence on Net-Zero Emissions» (SCENE) ist eine gemeinsame Initiative aller sechs Institutionen des ETH-Bereichs, die teilweise vom ETH-Rat finanziert wird.
Zusammen betreiben die Partner interdisziplinäre Forschung, um die Schweiz bei der Erreichung des Netto-Null-Ziels bis ins Jahr 2050 zu unterstützen.
Die beiden Empa-Labore «Technologie und Gesellschaft» und «Cellulose and Wood Materials» arbeiten gemeinsam mit dem PSI und der WSL am Arbeitspaket «Biomasse-Kohlenstoffkreislauf».
Weitere Informationen auf www.scene-project.ch