15:58 BAUBRANCHE

Wenn Computer bauen und herrschen

Teaserbild-Quelle: Nasa

Nicht erst seit Masdar versucht man den Traum einer ökologischen Stadt Realität werden zu lassen. Industriedesigner Jacque Fresco arbeitet seit 60 Jahren an der Verwirklichung seines Ideals einer perfekten Stadt, dem Venusprojekt. Frescos Stadt wird von Computern gebaut, unterhalten und regiert.

Nasa

Quelle: Nasa

Jacque Fresco will den Traum von einer besseren Welt wahr machen.

Sanft schimmern die Sterne am schwarzen Himmel. Sphärische Klänge untermalen den Blick in die Tiefen des Alls. Im Bild erscheint die Erde. «Dieser zerbrechliche Planet hängt von unserer Gnade ab. Wir müssen alles tun, um ihn zu schützen, für uns und für künftige Generationen», erklärt eine sonore Stimme aus dem Off. Die Weltbevölkerung fahre fort zu explodieren. «Soziale Probleme wie Kriminalität, Tod, Krankheiten und Armut aber auch unfähige Führer verschlimmern diese Probleme.» Wie der Werbefilm für das Projekt von Jacque Fresco weiss, ist eine Lösung bereits in Reichweite: das Venusprojekt.

Seit rund 60 Jahren versucht Fresco die Vision einer Welt umzusetzen, in der umsichtig mit den Resourcen umgegangen und in der Nachhaltigkeit und Umweltschutz gross geschrieben wird. Ermöglichen sollen dies hoch technisierte Städte, deren gesamte Infrastruktur riesige Computern beherrschen und steuern. Der heute 93jährige ist überzeugt, dass solche Gigamaschinen nicht nur eine absolut umweltfreundliche Gesellschaft ermöglichen, sondern auch soziale Probleme lösen: Weil die Supercomputer alles berechnen und optimieren, erhält jeder Mensch genug von dem, was er zum leben braucht.

Grüne Sonne

Aus der Vogelperspektive wirkt Frescos Prototyp der Stadt der Zukunft wie ein grüner, blühender Kreis. Seine Struktur erinnert an eine Sonne und gliedert sich in acht Bereiche: In der Mitte der Stadt finden sich das Bildungszentrum, Spitäler und computergesteuerte Netzwerke. Dieses «Herz» der Stadt wird von einem Ring umgeben, in dem Theater, Museen, Konzertsäle und weitere Räume für kulturelle Aktivitäten zu stehen kommen. Der dritte Ring beherbergt die Bereiche, in denen die Stadt weiterentwickelt und gestaltet wird. Schliesslich folgen Ringe fürs Ausgehen, Wohnen und für die umweltfreundliche Energiegewinnung, zum Beispiel mittels Photovoltaik- oder Geothermieanlagen. In den letzten beiden Ringen befinden sich neben Gewächshäusern und Feldern, die die Bewohner der perfekten Stadt mit biologisch angebauter Nahrung versorgen, Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten im Freien.

Neben seinen hochfliegenden Plänen engagiert er sich auch für die umstrittene Zeitgeistbewegung (Zeitgeistmovement). Die internationale Bewegung setzt sich für eine geldlose Gesellschaft, die die neueste Technik nutzt und jeden an ihren Errungenschaften teilhaben lässt. Spöttisch umschrieb die «New York Times» in einem Artikel die Vision der Zeitgeistbewegung von der idealen Welt: «Es ist, als ob Karl Marx und Carl Sagan John Lennon während seiner „Imagine“-Phase beauftragt hätten, die unserem Planeten zugrunde liegenden Strukturen des Lebens völlig zu entwerfen.»

Laserbagger im Hightech-Disneyland

Jeder, der in Frescos idealer Stadt residiert, verfügt über ein eigenes Haus. Weil die einzelnen Bestandteile der Häuser vorgefertigt sind, kann man sein Zuhause aus einer breiten Palette verschiedener Module individuell zusammen stellen. Weil das Baumaterial besonderes leicht ist, kann man die an Ufos erinnernden kleinen Villen jederzeit abbrechen und an einem beliebigen Ort schnell wieder aufbauen. Egal ob mitten im Urwald, auf einem unwirtlichen Berggipfel oder einer abgeschiedenen Insel. Für Strom sorgen Photovoltaikanlagen. Zudem soll ein flexibler Keramiküberzug Schutz gegen Feuer und Wetter bieten.

Gebaut wird allerdings nicht von Menschenhand. Dies erledigen gigantische Roboter: Riesenkrane installieren mittels Instruktionen per Satellit Geschosse, Dächer und Wände. «Die Bauteile werden Sensoren enthalten, um Unfälle oder Kollisionen mit anderen Elementen oder Lebewesen zu verhindern», führt Fresco dazu aus. Ebenfalls per Satellit wird der Laserbagger gesteuert, der die Erde zu «Magma artigem Material» schmilzt, wenn er Kanäle gräbt und Strassen baut.

Was auf den ersten Blick wie ein Hightech-Disneyland aussieht, hat seinen Preis. «Das Venusprojekt steht für eine Gesellschaft, in der Computer das überholte System von gewählten Politikern ersetzen, die in den meisten Fällen sowieso nur eigennützige Interessen vertreten», heisst es auf Frescos Website. «Diese neue Technologie wird keine Diktatur sein, sie wird auch nicht jedes einzelne Individuum überwachen» erklärt Jacque Fresco. Von Parallelen zwischen seiner Vision und den Horrorvorstellungen wie dem totalen Überwachungsstaat in George Orwells «1984» will Fresco nichts wissen. (mai)

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