Versicherungen: Rekordverdächtig hohe Unwetterschäden im ersten Halbjahr
Schwere Gewitter haben rund zwei Drittel der versicherten Naturkatastrophenschäden im ersten Halbjahr verursacht, dabei geht es um rund 50 Milliarden Dollar- Das geht aus Schätzungen des Swiss Re Institute hervor. Dies sei der zweithöchste Wert seit 2011, heisst es in der Medienmitteilung.
24-Stunden-Satellitenanimation des Zyklons Gabrielle: Sie zeigt, wie er sich am 8. und 9. Februar 2023 vor der Küste Australiens verstärkte.
In den USA ist eine ausgedehnte Serie von Gewittern mit Unwetter mit Donner, Blitz, Sturm, Starkregen, Hagel und plötzlichen Temperaturveränderungen – so genannte Konvektivgewitter – im ersten Halbjahr für 68% der weltweiten versicherten Naturkatastrophenschäden verantwortlich gewesen. Dies verdeutliche, dass sekundäre Naturgefahren immer höhere Schäden verursachen, schreibt das Swiss Re Institute.
«Hauptursache der überdurchschnittlich hohen Versicherungsschäden im ersten Halbjahr 2023 waren schwere Gewitter», sagt Martin Bertogg, Head of Catastrophe Perils bei Swiss Re. Damit werde diese sekundäre Naturgefahr zu einem der wichtigsten globalen Treiber für Versicherungsschäden. Wie er weiter erklärte, bestätigt die Schadenshöhe zudem den Trend, dass die versicherten Schäden pro Jahr bedingt durch die Erwärmung des Klimas um durchschnittlich 5 bis 7 Prozent steigen, aber mehr noch durch «die rasante Zunahme der wirtschaftlichen Werteakkumulation in städtischen Gebieten» weltweit.
Gefahr für städtische Gebiete
Als Beispiel führt Bertogg den Zyklon und die Überschwemmungen in Neuseeland im ersten Quartal an. Sie zeigten, welches Risiko für grosse städtische Zentren heute bestehe, und schrieben die Muster fort, die 2021 bei dem Hochwasser in Deutschland und 2022 in Australien und Südafrika zu beobachten gewesen seien. – In Neuseeland ist es anfangs Jahr im Abstand von nur zwei Wochen zu zwei schweren Wetterereignissen gekommen: So wurde wurde Auckland zunächst von schweren Überschwemmungen und kurz darauf von den Ausläufern des Zyklons Gabrielle heimgesucht. Mit versicherten Schäden von insgesamt 2,3 Mrd. USD waren dies die beiden Ereignisse mit den höchsten wetterbedingten Versicherungsschäden in Neuseeland seit 1970.
Weltweit schlugen schwere Konvektivgewitter in der ersten Jahreshälfte 2023 mit versicherten Schäden in Höhe von 35 Mrd. USD (knapp 70%) zu Buche. Sie sind damit laut dem Swiss Re Institute in nur sechs Monaten fast doppelt so hoch wie im Jahresdurchschnitt der vergangenen zehn Jahre (18,4 Mrd. USD).
In den USA verursachte eine Serie schwerer Gewitter in der ersten Jahreshälfte 2023 versicherte Schäden in Höhe von 34 Mrd. USD – die höchsten versicherten Schäden, die jemals innerhalb von sechs Monaten aufgetreten sind. Bei zehn Ereignissen erreichten die Schäden je mindestens 1 Mrd. USD, verglichen mit durchschnittlich sechs Ereignissen gleicher Grössenordnung pro Jahr in den vergangenen zehn Jahren.
Klimawandel, extremeres Wetter und Zersiedlung
Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich in immer extremeren
Wetterereignissen: «Die Auswirkungen des Klimawandels sind bei bestimmten
Naturgefahren wie Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und Extremniederschlägen bereits zu erkennen», erklärt Jérôme Jean Haegeli, Group Chief Economist von Swiss Re. «Hinzu kommt, dass die Verplanung von stärker gefährdeten Flächen an Küsten und Flüssen und die Zersiedlung der Natur zu einer Werteakkumulation in risikoreicheren Lagen führt, die kaum umkehrbar ist.» Damit Versicherungsprodukte für solche stark gefährdete Objekte wirtschaftlich blieben, müssten Schutzmassnahmen ergriffen werden. «Es ist höchste Zeit, verstärkt in die Klimaanpassung zu investieren», so Haegeli weiter.
Teuerstes Wetterereignis in Italien seit 1970
In Italien haben schwere Regenfälle in der Region Emilia-Romagna Mitte Mai zu grossflächigen Überschwemmungen mit versicherten Schäden von voraussichtlich mehr als 0,6 Mrd. USD verursacht. Es ist laut Swiss Re Institute damit das teuerste Wetterereignis in Italien seit 1970. Die wirtschaftlichen Schäden werden auf 10 Mrd. USD geschätzt. Während der den vergangenen beiden Jahre litt Norditalien unter Trockenheit, in der Folge wurde der Boden im Zuge der starken Niederschläge schnell gesättigt, was wiederum zu Überschwemmungen führte. Diese Entwicklung zeigt gemäss Swiss Re Institute eine deutliche Zunahme von Dürren in Südeuropa.
Veränderungen in der Saisonalität können zwar dazu führen, dass Starkregenereignisse seltener werden, aber dafür intensiver ausfallen.
Unter Hitzewellen litten seit Anfang Juli neben Südeuropa besonders die USA und Nordwestchina. In Südeuropa verschlimmerten trockene Witterungsbedingungen und starke Winde die - höchstwahrscheinlich von Menschen verursachten - Waldbrände auf vielen griechischen Inseln, aber auch in Italien und Algerien. Für eine Schätzung der wirtschaftlichen und der versicherten Schäden sei es allerdings noch zu früh schreibt Swiss Re.
Wirtschaftliche Schäden von 120 Milliarden US-Dollar
Erdbeben gehören nach wie vor zu den Ereignissen mit den gravierendsten humanitären und finanziellen Folgen. Die schlimmste Katastrophe gemessen an den wirtschaftlichen und den versicherten Schäden war das Erdbeben in der Türkei und in Syrien: Die versicherten Schäden werden laut Swiss Re auf 5,3 Mrd. USD geschätzt, während die wirtschaftlichen Schäden nach vorläufigen Schätzungen der Weltbank bei 34 Mrd. USD liegen.
Insgesamt betragen die wirtschaftlichen Schäden aus Naturkatastrophen im ersten Halbjahr 2023 120 Mrd. USD, verglichen mit 123 Mrd. USD im Vorjahreszeitraum, und lagen sie damit um 46% über dem zehnjährigen Durchschnitt. (mai/mgt)