Verkehrssituation Ostschweiz: Kampf den Flaschenhälsen
Bund und Kantone investieren in den nächsten Jahren Millionen in die Ostschweizer Infrastruktur. Nebst dem Unterhalt steht dabei die Behebung von Engpässen im Vordergrund. Einzelne der Strassen- und Bahnprojekte sind gar von grenzüberschreitender Bedeutung.
Quelle: zvg
Die Ostschweizer Kapazitäten auf Schiene und Strasse sollen intelligent erhöht werden, das ist das erklärte Ziel von Bund und Kantonen (Bild: Ausbauarbeiten beim Bahnhof Teufen AR).
Selten war ein Doppelspurausbau von
gerade einmal 1260 Metern Länge so wichtig. Zwischen Goldach und Rorschach
Stadt wird bis 2021 für rund 40 Millionen Franken nicht nur ein
Kapazitätsengpass auf der Linie St. Gallen–St. Margrethen entschärft, sondern gleichzeitig
auch die ganze Ostschweiz besser an den europäischen
Hochgeschwindigkeitsverkehr in Deutschland angebunden. Bis der allerletzte
einspurige Abschnitt auf der bedeutenden Anschlussstrecke eliminiert ist,
werden allerdings noch etliche Jahre vergehen. Die Doppelspur zwischen den
Bahnhöfen Rorschach und Rorschach Stadt will der Bund im Ausbauschritt 2035
seines Strategischen Entwicklungsprogramms (Step) für 30 Millionen Franken
realisieren.
Per Bahn rückt München aber bereits ab Dezember 2020 um eine
Dreiviertelstunde näher an die Ostschweiz heran. Denn dann ist die
Allgäu-Strecke endlich durchgehend elektrifiziert, was den Einsatz neuer
Neigezüge erlaubt. Die Schweiz hat das für sie wichtige Infrastruktur-Projekt
mit 50 Millionen Euro vorfinanziert, Deutschland wird den Kredit bis Ende Jahr
zurückzahlen. Eine grenzüberschreitende S-Bahn in der Bodenseeregion bleibt
hingegen eine Vision. Ende August erteilten Liechtensteins Stimmberechtigte dem
entsprechenden Projekt der eigenen Regierung an der Urne eine Abfuhr. 62,3
Prozent lehnten den Kreditrahmen von 71,2 Millionen Franken ab, der den
teilweisen Doppelspurausbau zwischen Buchs SG und Feldkirch ermöglicht hätte.
Bis auf weiteres verkehrt damit zwischen der Schweiz und Österreich keine
S-Bahn im Halbstundentakt.
Fester Bestandteil des Step-Ausbauschritts 2025 sind
hingegen diverse Doppelspurausbauten zwischen Sevelen und Oberriet im St.
Galler Rheintal. Um den Halbstundentakt zwischen St. Gallen und Sargans zu
ermöglichen, investiert der Bund bis Ende 2024 rund 220 Millionen Franken in
die Bahninfrastruktur. Frühestens per Dezember 2023 wird der Fahrplan zwischen
Uznach und Rapperswil verdichtet, da die vom Doppelspurausbau betroffene
Seegemeinde Schmerikon das 58-Millionen-Projekt vor Bundesgericht angefochten
hat – wegen befürchteter Staufolgen auf der Strasse.
Neue Appenzeller ÖV-Pläne
Im dichten Viertelstundentakt verkehren die Appenzeller
Bahnen (AB) dafür bereits seit letztem Jahr zwischen St. Gallen und Teufen AR.
Damit die zusätzlichen Züge beim Teufner Bahnhof einfach wenden können, ist
dieser bis Ende August 2020 für 15 Millionen Franken auf drei Gleise ausgebaut
und gleichzeitig barrierefrei gestaltet worden. Nach wie vor umstritten ist die
geplante Streckenführung durchs Dorf als neue Doppelspur. Eine angekündigte
Abstimmung über den Projektierungskredit für einen alternativen Bahntunnel
sagte die Gemeinde erst unter dem argumentativen Druck von AB und Kanton
kurzfristig ab. Die Anschlüsse an den Fernverkehr in St. Gallen könnten nur mit
einer Doppelspur sichergestellt werden, hiess es seitens der Verantwortlichen.
Hoch gesteckt sind die Ziele für das Bahnhofareal in
Herisau. Dieses soll zur einladenden Verkehrsdrehscheibe sowie zum attraktiven
Gewerbe- und Wohnraum entwickelt werden. Um den notwendigen Raum für einen
zeitgemässen Bahnhofplatz mit Bushof zu schaffen, müssen einerseits die AB ihre
Gleisanlagen verschieben, andererseits ist der Kantonsstrassen-Kreisel zu
verlegen. Das Stimmvolk von Herisau hat den entsprechenden Baukredit von 40,8 Millionen
Franken Ende September überdeutlich angenommen. Das kantonale Stimmvolk
bewilligte gleichzeitig den Kredit von 13,3 Millionen für einen neuen
Bahnhof Herisau.
55,5 Millionen Franken wollen die AB in den effizienten
Unterhalt ihrer erneuerten Fahrzeugflotte investieren. Geplant ist der Bau
eines zentralen Servicezentrums in Appenzell bis im Frühjahr 2024. Bei einem
weiteren AB-Schlüsselprojekt starteten die Bauarbeiten bereits diesen Frühling
mitten im Corona-Lockdown. Auf dem St. Galler Güterbahnhofareal wird bis zum
Fahrplanwechsel 2021 für 40 Millionen Franken die Streckenführung begradigt und
eine moderne Haltestelle realisiert.
Fokus St. Galler Stadtautobahn
Nicht weit davon entfernt sind auf der 1987 eingeweihten St.
Galler Stadtautobahn die Engpässe innert nützlicher Frist zu beseitigen, soll
der drohende Verkehrskollaps auf der A1 verhindert werden. Im Rahmen des
Strategischen Entwicklungsprogramms (Step) für die Nationalstrassen wird die
dritte Röhre des Rosenbergtunnels unterhalb der Stadt St. Gallen
voraussichtlich ab 2031 prioritär in Angriff genommen werden. Damit wird der
Abschnitt Kreuzbleiche–St. Fiden mit Geldern aus dem Nationalstrassen- und
Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) bis 2040 gezielt ausgebaut. Integraler
Bestandteil des 1,4 Milliarden Franken schweren Pakets ist zudem der Zubringer
Güterbahnhof mit einem unterirdischen Kreisel.
Bereits in vollem Gang sind die Vorarbeiten für das
500-Millionen-Vorhaben «Instandsetzung Stadtautobahn St. Gallen» zwischen den
A1-Anschlüssen Winkeln und Neudorf. Ob die sechseinhalb Jahre dauernden
Hauptarbeiten wie geplant Mitte 2021 starten können, ist aber aufgrund einer
hängigen Beschwerde noch offen. Angelaufen sind die Arbeiten für den
«Olma-Deckel» in St. Fiden. Die 41,6 Millionen Franken teure A1-Teilüberdeckung
wird ab 2022 den bestehenden Rosenbergtunnel im Osten um 180 Meter verlängern
und so Platz für die Erweiterung des Olma-Messegeländes schaffen.
Agglo St. Gallen sucht Anschluss
Mitte November 2019 sagten die kommunalen Stimmberechtigten deutlich Ja zum neuen Autobahnanschluss Rorschach/Goldach. 315 Millionen Franken soll das im Vorfeld heftig diskutierte Gesamtprojekt kosten, das zum allergrössten Teil durch Kanton und Bund finanziert wird. Nebst dem eigentlichen Autobahnanschluss für 108 Millionen umfasst es insbesondere eine 166 Millionen teure neue Kantonsstrasse zum See. Wenn alles optimal läuft, könnte die Realisierung des Mammutprojekts 2028 starten.
Quelle: PD
Ein neuer A1-Zubringer am Bodensee soll den Siedlungsraum Rorschach/Goldach besser an die Stadt St. Gallen anbinden (Visualisierung: Portal Süd des geplanten Tunnels Hohrein).
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