Verkehrsprojekte in Zürich und Aargau: Katerstimmung und Vorfreude
Die Kantone Zürich und Aargau versuchen, ihre Infrastrukturen für die rasch anwachsende Bevölkerung auszubauen. Zürich erlitt mit dem Scheitern des Rosengarten-Projekts einen herben Rückschlag, der Aargau sieht der Fertigstellung wichtiger Grossprojekte entgegen.
Stadt und Kanton Zürich stehen vor einem verkehrspolitischen Scherbenhaufen: Das 1,1 Milliarden-Projekt «Rosengartentram und Rosengartentunnel» wurde vom kantonalen Stimmvolk deutlich abgelehnt. Linke und Grüne hatten das Vorhaben als unverhältnismässig teuer sowie als «Verkehrspolitik von vorgestern» kritisiert und die Mehrheit überzeugt. Der Regierungsrat hatte vergeblich darauf hingewiesen, dass die Rosengartenachse «für einen grossen Teil der Kantonsbevölkerung eine wichtige Verbindungs- und Erschliessungsfunktion hat».
Das Problem rund um die täglich von 56000 Fahrzeugen befahrene und gerne verstopfte Achse quer durch die Stadt bleibt damit aber ungelöst. Die Abstimmungsgewinner forderten im Kantonsrat Sofortmassnahmen, mit Tempo 30 als Kernelement sowie weiteren verkehrsberuhigenden Eingriffen. Der alternative Tiefbauvorsteher Richard Wolff ist solchen Plänen offenbar nicht abgeneigt und will seinen diesbezüglichen politischen Spielraum ausnutzen. Ein Konflikt mit dem Kanton droht: In der Zürcher Verfassung befindet sich ein Anti-Stau-Artikel, der gemäss bürgerlichen Parteien solche Massnahmen ausschliesst.
Leuchtturm Einhausung
Ein anderes Grossprojekt, nur wenige hundert Meter vom Rosengarten entfernt, ist dafür in Ausführung: die Einhausung der Stadtautobahn Schwamendingen, die 2024 abgeschlossen sein wird und 450 Millionen Franken kostet. Sie legt einen 940 Meter langen Deckel über die Autobahn und schafft obendrauf neue Grünflächen. Eine Art Leuchtturmprojekt: Ähnliche Lösungen könnten auch in anderen lärmgeplagten Städten Abhilfe schaffen und Aussenräume für die Bevölkerung zurückerobern.
Die Nordumfahrung ist das andere grosse Autobahnprojekt: Hier rollen täglich 120000 Fahrzeuge zwischen dem Limmattaler Kreuz und der Verzweigung Zürich Nord, was sich auf Dauer nur durch einen Ausbau auf drei Spuren bewältigen lässt, dies in beide Richtungen. Dazu gehört auch der Bau der dritten Gubrist-Tunnelröhre(siehe weiter unten).
Portale für mehr Kapazität
Zwischen Zürich-Nord und Effretikon werden bis 2021 auf dem 11,7 Kilometer langen Teilstück diverse Instandsetzungsarbeiten durchgeführt. Die bereits 2018 begonnenen Arbeiten sollten dieses Jahr abgeschlossen werden und kosten gemäss dem Bundesamt für Strassen Astra 210 Millionen Franken. Zwischen Zürich-Nord und Brüttisellen prüft der Bund daneben, ob man durch die permanente Umnutzung von Pannenstreifen die Stauzeiten verringern kann. Die Plangenehmigungsverfügung für das Projekt wird dieses Jahr erwartet, sodass man ab 2023 mit der Umsetzung beginnen könnte.
Ein anderes Astra-Projekt soll bis Frühling 2021 abgeschlossen sein. Auf der A3 zwischen Pfäffikon und Zürich werden 30 neue Portale montiert. Mit ihnen soll die Geschwindigkeit flexibel gesteuert werden können, was den Verkehr flüssiger hält: Forscher fanden heraus, dass dieser bei einem Tempo unter 80 Stundenkilometern seine maximale Kapazität erreicht. Die Massnahme kostet dabei vergleichsweise bescheidene zehn Millionen Franken.
Quelle: Ben Kron
Die Bauarbeiten zur Einhausung Schwamendingen haben begonnen: Die Nordumfahrung Zürich verschwindet auf fast einem Kilometer Länge im Untergrund, zur Entlastung der lärmgeplagten Anwohner.
Tempo 30 auf Kantonsstrassen
Auf Ebene der Kantonsstrassen hat der grüne Baudirektor konkrete Pläne, die den Autofahrern sauer aufstossen dürften. Der neu gewählte Martin Neukomm plant, auf ausgesuchten Teilen von Kantonsstrassen Tempo 30 einzuführen, um Unfallschwerpunkte zu entschärfen und mehr Ruhe zu schaffen. «Tempo 30 halbiert den Lärm», erklärt Neukomm gegenüber Radio SRF. Deshalb soll nicht überall ein Tempo-30-Regime eingeführt werden, sondern auf gewissen Stellen und auf einer Länge von einigen hundert Metern. Dass auch auf Hauptstrassen solche Temporeduktionen erlaubt sind, hat 2018 das Bundesgericht entschieden; in der Stadt Zürich werden sie bereits eingesetzt.
Im Kantonsrat zeigen die neuen Mehrheitsverhältnisse Auswirkungen: Das links-grüne Lager hat den Grundsatzentscheid durchgebracht, die Bedürfnisse des öffentlichen Verkehrs über die des Individualverkehrs zu stellen. Zugleich wurde das Strassengesetz dahingehend angepasst, dass auf Gemeindestrassen Begegnungszonen mit Tempo 20 erlaubt sind. Der Kantonsrat hilft den Gemeinden zudem mit 80 Millionen Franken beim Unterhalt ihrer Verkehrsflächen.
107 Veloprojekte
In Zürich will die links-grüne Regierung mit dem Ausbau der Velowege vorwärtsmachen. In dieser Kategorie hat die Limmatstadt massiv Nachholbedarf und hinkt etwa velofreundlichen Städten wie Bern hinterher. Dieses Jahr hat das Tiefbauamt nun nicht weniger als 107 entsprechende Bauprojekte in Angriff genommen.
Beim öffentlichen Verkehr darf sich der Kanton Zürich über den Nationalrat freuen: Im Zuge des Ausbaus und der Modernisierung der Bahninfrastruktur sprach er letzten Sommer 13 Milliarden Franken, von denen auch einige regionale Projekte profitieren. So soll ein zweiter Zimmerberg-Basistunnel direkt von Zürich in den Kanton Zug führen, was ein Nadelöhr im Schienennetz behebt, aber auch eine Milliarde Franken kostet.
Viertes Gleis am Stadelhofen
Für den Umbau des Bahnhofs Wädenswil, seinerseits bald überlastet, will man 100 Millionen Franken investieren, kombiniert mit einem neuen Seezugang für die Stadt. Zwischen Herrliberg und Meilen an der Goldküste soll bis 2025 eine zweite Doppelspur entstehen. Ebenfalls drei Abschnitte mit Doppelspur erhält die Sihltal-Zürich-Uetliberg-Bahn, wofür 35 Millionen Franken bereitgestellt werden.
Umgebaut werden muss auch der Bahnhof Zürich Stadelhofen, der ein viertes Gleis erhalten soll. Da das Projekt auch zwei neue Tunnel nach Stettbach und Tiefenbrunnen umfasst, wird es 900 Millionen Franken kosten. Wenn alles nach Plan läuft, ist hier 2026 Baubeginn und das neue Gleis soll 2035 in Betrieb gehen.
«Forschungslinie» für Uni/ETH
Daneben hat der Kantonsrat zwei Postulate für die Verlängerungen von Forch- und Sihltal-Zürich-Uetliberg-Bahn überwiesen. Der Ausbau letzterer soll dabei eine bessere Erschliessung des Zürcher Hochschulquartiers gewährleisten, wofür ein visionärer Plan vorliegt: Das auf einem Hügel gelegene Quartier soll durch einen Tiefbahnhof erschlossen werden. Dieser wäre Teil einer Ring-S-Bahn, einer «Forschungslinie», die Flughafen, Irchel, Hönggerberg, Uni Zentrum und Balgrist mit dem Bahnhof verbindet.
Konkret ist der Ausbau der Glattalbahn: Die Bauarbeiten für die zweite Limmattalbahn-Etappe bis Killwangen-Spreitenbach AG haben begonnen(siehe weiter unten). Gemäss Strategie des Zürcher Verkehrsverbunds sollen bis 2027 das Tram nach Zürich-Affoltern und die Verlängerung der Glattalbahn zwischen Zürich-Flughafen und Kloten-Industrie realisiert sein. Noch kein Zeithorizont existiert für weitere Ausbauschritte zum Flugplatz Dübendorf und nach Bassersdorf, ebenso wenig für das Projekt Tramtangente Nord.
Ab hier ist dieser Artikel nur noch für Abonnenten vollständig verfügbar.
Jetzt einloggenSie sind noch nicht Abonnent? Übersicht Abonnemente