Verkehr Ostschweiz: Der Beginn besserer Perspektiven
Die Schweiz hört bezüglich Strassen- und Bahnprojekten doch nicht in Winterthur auf. Zahlreiche Ostschweizer Infrastrukturbauten sind für die nächsten Jahre verbindlich geplant. Und mittelfristig sollen weitere Bundesmillionen in den Osten fliessen.
Immer wieder wurde die Ostschweiz vertröstet. Die Bundespolitik entschied, lieber anderswo in die Bahninfrastruktur zu investieren. Und auch beim Ausbauschritt 2035 drohte die Ostschweiz vergessen zu gehen.
Doch letzten Juni stockte das eidgenössische Parlament nicht nur das Budget des nächsten Ausbauprogramms auf 12,89 Milliarden Franken auf, sondern anerkannte gleichzeitig, dass «der Bahnhof St. Gallen zum Vollknoten mit schlanken Anschlüssen vom Fern- auf den Regionalverkehr ausgebaut werden muss», wie das «St. Galler Tagblatt» kommentierte.
Nachträglich zum Paket hinzugefügt hat das Bundesparlament auch die Doppelspur zwischen Rorschach und Rorschach Stadt für 30 Millionen Franken. Damit kann die letzte einspurige Strecke auf der nationalen Ost-West-Achse beseitigt werden.
Bereits dieses Jahr angelaufen ist der 40 Millionen Franken teure Doppelspurausbau zwischen Rorschach Stadt und Goldach. Die wichtigen Ausbauten entschärfen die Kapazitätsengpässe auf der Linie St. Gallen–St. Margrethen und helfen, die Ostschweiz gut ans europäische Hochleistungsbahnnetz anzuschliessen.
München rückt aber schon ab Dezember 2020 um eine Stunde näher, weil dann die Allgäu-Strecke endlich durchgehend elektrifiziert ist. Die Schweiz hat dieses Projekt mit 50 Millionen Euro vorfinanziert, die von Deutschland bis Ende 2020 zurückbezahlt werden. Der Weg zu einer grenzüberschreitenden S-Bahn in der Bodenseeregion ist hingegen noch weit.
Immerhin hat die Regierung des Ländle im Juli beschlossen, die Sistierung des 100-Millionen-Euro-Projekts «S-Bahn Liechtenstein» aufzuheben. Diese soll die S-Bahn Vorarlberg und die S-Bahn St. Gallen zu einem Gesamtsystem verbinden – vorausgesetzt Österreich beteiligt sich an den Kosten für den Ausbau der Strecke Feldkirch–Buchs.
Bereits beschlossen sind hingegen diverse Doppelspurausbauten zwischen Sevelen und Oberriet im St. Galler Rheintal. Um den Halbstundentakt zwischen St. Gallen und Sargans zu ermöglichen, investiert der Bund bis Ende 2024 rund 220 Millionen Franken in die Bahninfrastruktur. Ebenfalls im Rahmen des Ausbauschritts 2025 soll zwischen Uznach und Rapperswil eine Doppelspur für die S-Bahn Obersee realisiert werden.
Die rechtskräftige Plangenehmigung für das 58-Millionen-Projekt fehlt allerdings noch. Zwei grössere Unterhaltsprojekte hat die Südostbahn im Spätsommer abgeschlossen: Das 110 Jahre alte Sitterviadukt zwischen St. Gallen und Herisau und die Bahnstrecke Wattwil–Neu St. Johann sind rundum erneuert.
Quelle: Geschäftsstelle Wil West
Neuer Autobahnanschluss und neue Bahnhaltestellen: Der interkantonale «Entwicklungsschwerpunkt Wil West» löst auch grosse Investitionen in die Infrastruktur aus.
ÖV-Ausbau in Ausserrhoden
Seit März verbinden die neuen «Tango»-Züge der Appenzeller Bahnen (AB) St. Gallen und Teufen im Viertelstundentakt. Damit die zusätzlichen Züge künftig beim Teufner Bahnhof wenden können, wird dieser bis Sommer 2020 für 15 Millionen Franken auf drei Gleise ausgebaut und gleichzeitig barrierefrei gestaltet. Der Bahnhofumbau ist am 1. Juli gestartet – trotz heftiger Opposition gegen die geplante doppelspurige Ortsdurchfahrt.
Die Umbauarbeiten würden die Art der Streckenführung durchs Dorf nicht präjudizieren, liess die AB verlauten. Der in einer Petition geforderte Marschhalt gefährde hingegen «den gesetzlich geforderten, behindertengerechten Umbau des Bahnhofs Teufen».
Weit fortgeschritten ist die Planung eines weiteren AB-Grossprojekts. Für 40 Millionen Franken soll bis zum Fahrplanwechsel 2021 die Streckenführung auf dem St. Galler Güterbahnhofareal begradigt werden und gleichzeitig eine neue, doppelspurig ausgestaltete Haltestelle entstehen.
Hoch gesteckt sind die Ziele für das Bahnhofareal in Herisau. Für 58 Millionen Franken soll sich dieses zur einladenden Verkehrsdrehscheibe sowie zum attraktiven Gewerbe- und Wohnraum entwickeln. Dafür stellt der Bund im Rahmen des dritten Agglomerationsprogramms (2019–2023) maximal 15,8 Millionen Franken zur Verfügung.
Um den notwendigen Raum für einen zeitgemässen Bahnhofplatz mit Bushof zu schaffen, müssten einerseits die AB ihre Gleisanlagen verschieben, andererseits wäre der Kantonsstrassen-Kreisel zu verlegen. In drei Abstimmungen befindet das kommunale und kantonale Stimmvolk bis Frühling 2020 darüber, ob das Herisauer Generationenprojekt zur Umsetzung kommt.
Stadtsanktgaller Strassenpakete
Dringend zu beseitigen sind Engpässe auf der St. Galler Stadtautobahn, soll der drohende Verkehrskollaps auf der A1 verhindert werden. Im Rahmen des Strategischen Entwicklungsprogramms (Step) für die Nationalstrassen soll die dritte Röhre des Rosenbergtunnels unterhalb der Stadt St. Gallen ab 2031 prioritär in Angriff genommen werden.
Damit wird der Abschnitt Kreuzbleiche–St. Fiden mit Geldern aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) gezielt ausgebaut. Integraler Bestandteil des 1,4 Milliarden Franken schweren Pakets ist zudem der Zubringer Güterbahnhof mit einem unterirdischen Kreisel. Die Erweiterung des anschliessenden A1-Abschnitts zwischen Neudorf und der Verzweigung Meggenhus für 124 Millionen Franken ist hingegen erst nach 2040 vorgesehen.
Bereits Ende Jahr abgeschlossen sind die Vorarbeiten für das 500-Millionen-Vorhaben «Instandsetzung Stadtautobahn St. Gallen» zwischen den A1-Anschlüssen Winkeln und Neudorf. Die Hauptarbeiten sollen Mitte 2020 starten und bis 2027 dauern.
Parallel dazu laufen zwischen 2021 und 2022 die Arbeiten für den «Olma-Deckel» in St. Fiden. Die 41,6 Millionen Franken teure A1-Teilüberdeckung wird den bestehenden Rosenbergtunnel im Osten um 180 Meter verlängern und so Platz für die Erweiterung des Olma-Messegeländes schaffen.
Pläne für St. Galler Agglos
Seit 2018 wird die A3 zwischen Murg und Walenstadt für rund 170 Millionen Franken umfassend saniert. Bis Ende 2021 werden an der gut 30-jährigen Strasse bestehende Schäden behoben und veraltete Anlagen auf den neusten Stand gebracht.
Noch bis 2022 laufen die Bauarbeiten für die zweite Etappe der Umfahrungsstrasse Wattwil. Der 3,4 Kilometer lange und 124 Millionen Franken teure Abschnitt umfasst zahlreiche Brücken und Überführungen.
Mitte September hat die zuständige Steuerungsgruppe das Vorprojekt für den neuen Autobahnanschluss Rorschach/Goldach präsentiert. 315 Millionen Franken soll das Gesamtprojekt kosten, das massgeblich durch Kanton und Bund finanziert wird.
Nebst dem eigentlichen Autobahnanschluss für 108 Millionen umfasst es insbesondere eine 166 Millionen teure neue Kantonstrasse zum See. Die Stimmberechtigten in Goldach und Rorschach entscheiden Mitte November, ob das umstrittene Projekt weiterbearbeitet werden kann.
In Wil West sollen bis 2030 rund 3000 neue Arbeitsplätze entstehen. Grundlage dafür sind verschiedene Infrastrukturvorhaben wie der neue Autobahnanschluss und die Verlegung der Frauenfeld-Wil-Bahn (FWB), die voraussichtlich bis 2026 realisiert werden.
Im Rahmen des Agglomerationsprogramms der dritten Generation unterstützt der Bund den «Entwicklungsschwerpunkt Wil West» der Kantone St. Gallen und Thurgau mit 37 Millionen Franken. Zusätzliche 24 Bundesmillionen fliessen im Rahmen des Bahninfrastruktur-Ausbauschritts 2035 nach Wil und in den Hinterthurgau. Das Geld ist für den Bau einer FWB-Haltestelle am neuen Wirtschaftsstandort Wil West sowie einer Kreuzungsstelle zwischen Matzingen und Wängi reserviert. Letztere ermöglicht der FWB, ab 2026 den Viertelstundentakt einzuführen.
Thurgauer Strassenpoker
2012 hatten sich die Thurgauer Stimmberechtigten in einem Grundsatzentscheid für den Bau der Bodensee-Thurtalstrasse (BTS) ausgesprochen, einer 800 Millionen Franken teuren Entlastungsstrasse von Arbon bis zum Autobahnzubringer in Bonau. Gleichzeitig gab der Souverän damals prinzipiell auch grünes Licht für die sogenannten Oberlandstrasse (OLS), also das 220-Millionen-Projekt, welches den Raum Kreuzlingen besser mit Amriswil verbinden soll.
Das fertiggestellte «Generelle Projekt» für die BTS hat der Kanton Thurgau nun diesen Sommer dem Bund übergeben. Dieser übernimmt per 1. Januar 2020 die heutige Hauptstrasse und damit auch das Ausbauvorhaben BTS.
Wann die umstrittene und aus heutiger Sicht mit 1,55 Milliarden Franken doppelt so teure Strasse gebaut wird, ist noch offen. Nach der nur knapp gescheiterten Aufnahme der BTS in den Nationalstrassen-Ausbauschritt 2019 dürften die Chancen aber gut stehen, dass sie das Bundesparlament nun für den Ausbauschritt 2024–2027 berücksichtigen wird.
Unabhängig davon will der Kanton Thurgau das OLS-Vorprojekt den betroffenen Gemeinden nochmals zur Stellungnahme unterbreiten. Die Projektierung der kantonalen Schnellstrasse wird erst fortgesetzt, wenn klar ist, wann der Bund die BTS realisieren will. Aufgrund der Verquickung mit der BTS und der noch ungeklärten Finanzierung dürfte die OLS also nicht so schnell gebaut werden.
Bundeshilfe für Schaffhausen
Bereits ab Dezember ist hingegen die Entlastung der Gemeinde Neuhausen am Rheinfall Tatsache. Dann geht der 1,1 Kilometer lange Galgenbucktunnel in Betrieb, der die Funktionsfähigkeit des Autobahnanschlusses Schaffhausen Süd langfristig sichern soll.
Der neu erstellte Kunstbau wird lediglich 215 anstatt der ursprünglich budgetierten 240 Millionen Franken kosten. Genehmigt ist zudem das «Generelle Projekt» für die rund 473 Millionen Franken teure Engpassbeseitigung auf der A4 in Schaffhausen.
Den Bau der zweiten Röhre des Fäsenstaubtunnels will der Bund im Rahmen des Strategischen Entwicklungsprogramms (Step) für die Nationalstrassen mit Realisierungshorizont 2030 angehen.
Ein Glücksfall für den Kanton Schaffhausen ist, dass die Verantwortung für die stark befahrene Kantonsstrasse J15 zwischen Schaffhausen und Thayingen per 1. Januar 2020 an den Bund übergeht. Da die Strasse wegen geschützter Flachmoore in einen Tunnel verlegt werden muss, wird der notwendige Ausbau auf vier Spuren mindestens 420 Millionen Franken kosten.
Profitieren wird Schaffhausen auch vom Bahninfrastruktur-Ausbauschritt 2035. An der SBB-Bahnlinie Zürich–Schaffhausen soll die Strecke zwischen den deutschen Gemeinden Lottstetten und Jestetten auf Doppelspur ausgebaut werden, um die Kapazität auf der wichtigen ÖV-Schlagader zu erhöhen. Positiv für die Region ist zudem, dass das Bundesland Baden-Württemberg die Hochrheinstrecke zwischen Schaffhausen und Basel bis spätestens im Jahr 2025 elektrifizieren will.
Quelle: Rhätische Bahn AG
Neuer Albulatunnel der Rhätischen Bahn: In der bereits sechsten Bausaison steht der Innenausbau im Fokus (im Bild: Abdichtungsarbeiten).
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