Tiefenlager: Nördlich Lägern bleibt im Rennen
Die Nagra muss auf der Suche nach einem Standort für ein Atommüll-Tiefenlager neben den Gebieten Jura Ost und Zürich Nordost auch Nördlich Lägern weiter untersuchen. Das empfiehlt die Ausichtsbehörde Ensi nach Prüfung der Nagra-Unterlagen.
Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) wollte auf eine weitere Untersuchung des Standortgebiets Nördlich Lägern im Grenzgebiet der Kantone Zürich und Aargau zurückstellen, also faktisch verzichten. Es seien nicht ausreichend Daten vorhanden, um Nördlich Lägern zurückzustellen, sagte Hans Wanner, Direktor des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi), am Mittwoch an einem Mediengespräch. Für die Vergleiche möglicher Standorte habe die Nagra zu pessimistische Gebirgsmodelle für Nördlich Lägern angenommen.
Die Aufsichtsbehörde hatte von der Nagra vor einem Jahr zusätzliche Berichte gefordert, um den Verzicht auf den Standort überprüfen zu können. Die Aufsichtsbehörde studierte auch diese Unterlagen in Zusammenarbeit mit der Expertengruppe Geologische Tiefenlagerung und weiteren externen Experten. Die zusätzlichen Unterlagen hätten sich gelohnt, hielt Wanner fest. "Wir haben viel mehr Informationen."
"Nicht ausreichend begründet"
Trotzdem ist die Beurteilung der Nagra beim Standort Nördlich Lägern gemäss Ensi "nicht belastbar". Die vorhandenen Daten reichten nicht aus, um diesen Standort zurückzustellen. Die Rückstellung sei "nicht ausreichend begründet". Die Vorgaben würden festlegen, dass ein möglicherweise geeigneter Standort nicht aufgrund einer allenfalls noch unvollständigen Datengrundlage frühzeitig aus dem Verfahren ausscheiden dürfe,
erläuterte Wanner. Das ENSI empfiehlt daher, dieses Gebiet in der Etappe 3 des Sachplanverfahrens weiter zu untersuchen. Es lasse sich nicht sagen, ob die Nagra mit der Rückstellung des Standortgebiets Recht habe oder nicht, führte Ensi-Direktor Wanner aus: "Wir wissen heute nicht, was korrekt ist."
Aargauer Bözberg und Zürcher Weinland
Einverstanden ist das Ensi nach der Prüfung der Unterlagen damit, dass die Standortgebiete Jura Ost (Region Bözberg im Aargauer Jura) und Zürich Nordost (Weinland) in der Etappe 3 weitergezogen werden. Nachvollziehbar ist für das Ensi auch, dass die Nagra die Standortgebiete Südranden, Jura-Südfuss und Wellenberg (NW) wegen sicherheitstechnischen Nachteilen zurückstellt.
Die Nagra akzeptiert nach eigenen Angaben die Schlussfolgerungen der Ensi-Analyse. Die Aufsichtsbehörde habe eine andere Position bezogen, heisst es in einer Stellungnahme. Weil das Gutachten des Ensi noch nicht vorliege, könne sich die Nagra inhatlich nicht dazu äusssern.
Gemäss Nagra kann ein Tiefenlager in Nördlich Lägern sicher gebaut werden. Die Realisierung eines Tiefenlagers im Opalinuston in grosser Tiefe sei jedoch sehr anspruchsvoll. Die Nagra werte dies als eindeutigen, sicherheitstechnischen Nachteil.
Gutachten und Vernehmlassung
Die Atomaufsichtsbehörde will ihr detailliertes Gutachten zu ihren Entscheiden bis zum kommenden Frühling fertigstellen. Danach werden die Kommission für nukleare Sicherheit (KNS) sowie der Ausschuss der Kantone Stellungnahmen abgeben. Wenn das alles auf dem Tisch liegt, nimmt das Bundesamt für Energie (BFE) eine Gesamtbeurteilung der Vorschläge vor.
Das nächste Kapitel auf dem langen Weg zu einem Tiefenlager wird Ende 2017 aufgeschlagen: Sämtliche Berichte, Gutachten und Stellungnahmen gehen in eine dreimonatige öffentliche Vernehmlassung.
Bundesrat entscheidet bis Ende 2018
Der BFE-Vizedirektor Roman Mayer sagte am Mediengespräch, der Entscheid des Ensi sei definitiv. Es sei ein "eindeutiges Ergebnis". Der Bundesrat wird gemäss BFE "unter Kenntnis aller relevanten Fakten" voraussichtlich bis Ende 2018 über den Abschluss von Etappe 2 der Standortsuche entscheiden. Damit wird der Bundesrat festlegen, welche Standortgebiete in Etappe 3 tatsächlich vertieft untersucht werden sollen. Entscheidet der Bundesrat, das Standortgebiet Nördlich Lägern wie vom Ensi vorgeschlagen nicht zurückzustellen, so müssen weitere Untersuchungen durchgeführt werden.
Um zeitliche Verzögerungen zu verhindern, hat die Nagra bereits mit den 3D-seismischen Messungen des Untergrunds in diesem Gebiet begonnen. Damit will die Nagra gemäss eigenen Angaben für "alle Fälle gerüstet" sein. (sda)