Taxis sollen Gehbehinderte zu barrierefreien Bahnhöfen bringen
Wenn Gehbehinderte an ihrem Wohnort noch keinen barrierefreien Bahnhof haben, sollen sie künftig ein Taxi zum nächsten behindertengerecht umgebauten Bahnhof nehmen können. Das wollen die in der Alliance SwissPass organisierten Unternehmen des öffentlichen Verkehrs.
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Rollstuhlfahrer, Symbolbild.
Die SBB haben letzte Woche auf der öffentlichen Beschaffungsplattform simap.ch schweizweit einen Auftrag für solche Fahrtdienste ausgeschrieben. Darauf machten die Zeitungen des Tamedia-Verlags am Mittwoch aufmerksam. Die SBB wurden im Namen aller in der Alliance SwissPass organisierten Unternehmen tätig, wie eine Sprecherin der SBB auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte.
Der Strassentransport wird demnach mindestens zwei Stunden im Voraus beim «Call Center Handicap» der SBB bestellt werden müssen. Dieses Callcenter hilft Personen mit eingeschränkter Mobilität kostenlos, Zugreisen zu planen und durchzuführen.
Befördert werden Personen mit eingeschränkter Mobilität vom nicht behindertengerechten Bahnhof zum nächstgelegenen barrierefreien Bahnhof. Nicht behindertengerecht meint, dass der Bahnhof keinen stufenfreien Zugang zum Perron hat oder das Perron zu schmal ist für eine Hilfe mittels Mobilift. Ein Mobilift ist eine gelbe Hebebühne.
Kein Taxi wenn genügend Hilfeleistung
Wo die Hilfeleistung hingegen gewährleistet ist, kommt der Taxidienst nicht zum Einsatz. Zu den Kosten für den geplanten Fahrdienst kann die SBB noch keine Angaben machen. Im Sommer dieses Jahres wollen die SBB den Auftrag vergeben haben. Geplant ist eine Laufdauer bis Ende 2029.
Die SBB sprechen auf Anfrage von einer Übergangslösung. Sie soll zur Anwendung kommen bis überall dort, wo es verhältnismässig ist, Bahnhöfe und Haltestellen des öffentlichen Verkehrs barrierefrei umgebaut sind. Die Behindertenorganisationen seien über diese Übergangslösung informiert und bei der Erarbeitung der Ausschreibung seien Personen mit Mobilitätseinschränkungen befragt worden.
In der Alliance SwissPass sind rund 250 Unternehmen des öffentlichen Verkehrs organisiert.
Noch über 500 Haltestellen nicht bereit
Hintergrund für die Ausschreibung des Taxidienst-Auftrags ist, dass gemäss dem Behindertengleichstellungsgesetz alle Haltestellen des öffentlichen Verkehrs bis Ende dieses Jahres behindertengerecht angepasst sein müssten. Nur wird diese Anpassung bei über 500 Bahnhöfen und Bahn-Haltestellen mehrerer öV-Unternehmen Ende Jahr noch nicht erfolgt sein. Das ist seit Dezember klar.
Das Bundesamt für Verkehr forderte deshalb im Dezember, dass die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs bis zur Inbetriebnahme der verspätet umgebauten Anlagen Teilinbetriebnahmen umsetzen. Auch Überbrückungsmassnahmen sind möglich, zum Beispiel mit Hilfe durch das Bahnpersonal.
Kein Lob von «Inclusion Handicap»
Der geplante Taxidienst für Menschen mit Beeinträchtigungen erntet vom Dachverband der Behindertenorganisationen Inclusion Handicap kein Lob: Grundsätzlich sei eine Taxilösung im Vergleich zur Fahrt im öffentlichen Verkehr für Behinderte weniger gut.
Sie grenze Gehbehinderte aus, weil sie allein im Taxi reisen müssten. Auch zwinge sie zum Umsteigen, sagte am Mittwoch Caroline Hess-Klein, Abteilungsleiterin Gleichstellung bei Inclusion Handicap, auf Anfrage von Keystone-SDA. Gehbehinderte seien weiterhin auf fremde Hilfe angewiesen.
Das Behindertengleichstellungsgesetz wolle, dass Behinderte selbständig reisen könnten. Die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs seien verpflichtet, solche Massnahmen zu ergreifen, bis die Bahnhöfe umgebaut seien.