Steinschlagtests beim Flüelapass unter realitätsnahen Bedingungen
Das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF und die Geobrugg AG haben in den letzten zwei Jahren bei Tests am Flüelapass untersucht, wie sich realistische Einschläge von Testblöcken auf Steinschlagbarrieren auswirken.
Ein Video zeigt einen Testversuch vom 8. Oktober. (Quelle: SLF)
Die ersten Tests mit Steinschlagbarrieren
fanden bereits Ende der 80er statt. Damals wurde aber noch auf die «natürliche Variante»
gesetzt: Man liess lediglich Steine einen Hang hinunter in eine Barriere
rollen. Die Testblöcke änderten dabei unabhängig vom Gelände immer wieder die Bahn,
sie sprangen und schlugen unkontrolliert irgendwo im Netz ein.
Dank dieser Tests konnten zwar wertvolle Erkenntnisse
über die Leistungsfähigkeit solcher Systeme gewonnen werden. Bald wurde aber
klar, dass die Aussagekraft solcher Versuche sehr begrenzt war, wie das WSL-Institut
für Schnee- und Lawinenforschung SLF in einer Mitteilung schreibt. Denn die Tests liessen keine wirklichen Vergleiche zwischen den verschiedenen Schutzsystemen
zu, da zu viele unterschiedliche Parameter hineinspielten.
In diesem Zusammenhang wurde eine neue Testmethode
entwickelt, die auf Grund vordefinierter, kontrollierbarer Parameter einen
echten Vergleich der Systeme ermöglichte. Die Wahl fiel auf eine bis heute
etablierte Methode, wonach eine Barriere durch zwei aufeinanderfolgende Schüsse
ins Mittelfeld getestet wird.
Schutzbarrieren mit Stahldrahtnetzen
Weltweit haben sich in den letzten Jahrzehnten flexible Steinschlagschutzbarrieren mit hochfesten Stahldrahtnetzen als effiziente und zuverlässige Schutzmassnahme etabliert. Gleichzeitig erhöhten sich die Energieaufnahmefähigkeiten von damals 1500 Kilojoule auf bis zu 10‘000 Kilojoule. Angesichts derart hoher Energien und teils höheren Verbauungen stellte sich die Frage, was «natürliche» Einschläge bewirken, die an einer beliebigen Stelle in das Netz einschlagen und dabei möglicherweise auch noch rotieren.
Im Rahmen eines Innosuisse-Forschungsprojekts des SLF werden seit 2019 gemeinsam mit dem Industriepartner Geobrugg AG in diversen Feldtests die Einflüsse von unterschiedlichen Lastfällen auf Steinschlagbarrieren untersucht. Zu diesem Zweck wird am Schweizer Flüelapass in natürlichem Gelände derzeit eine ausgedehnte Feldtestserie durchgeführt, bei der verschiedene Steinformen- und –grössen in ein Schutznetz abgeworfen werden.
Sensoren messen Rotation und Geschwindigkeit
Dabei sind sowohl die Barriere als auch die Steine mit Sensoren ausgerüstet, um die Belastung auf unterschiedliche Elemente des Schutzsystems zu messen. Unter anderem wird untersucht, wie sich Treffer an verschiedenen Aufprallpositionen, die Rotation der Testblöcke sowie die Aufprallgeschwindigkeiten auf das Verhalten der Barriere auswirken.
Die Sensoren an den Blöcken selbst messen derweil die Rotation und Beschleunigung des Steines während des Sturzes und beim Aufprall. In Kombination mit hochauflösenden Drohnen- und Videoaufnahmen aus verschiedenen Blickrichtungen, lassen sich so Flugbahnen und Geschwindigkeit der Blöcke detailliert rekonstruieren. Dadurch können die Forschenden weitere Erkenntnisse über das Zusammenspiel aller Parameter gewinnen.
Quelle: SLF / M. Heggli
Mit den Feldversuchen wird untersucht, wie sich Treffer an verschiedenen Aufprallpositionen, die Rotation der Testblöcke sowie die Aufprallgeschwindigkeiten auf das Verhalten der Barriere auswirken.
Verbesserung von Steinschlagschutz
Die Auswertung der Daten habe gezeigt, dass es heute möglich ist, solche Versuche als Ergänzung zu den vorgeschriebenen Tests durchzuführen. Für das SLF dienen die Untersuchungen aber auch zur Weiterentwicklung der Steinschlag-Simulationssoftware «RAMMS::Rockfall». Für die Geobrugg dienen die Feldversuche hingegen zur Verbesserung der Steinschlagbarrieren. (mgt/pb)
Die Ergebnisse der ersten Tests sind nun als WSL-Bericht verfügbar: www.slf.ch