Stefan Brupbacher: «Schweiz braucht intelligente Bauvorschriften und mehr Tech-Industrie»
In der Kolumne berichten Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Stefan Brupbacher, Direktor von Swissmem, beschäftigt sich mit der Zuwanderung, dem Klimawandel, hinderlichen Baunormen sowie der Digitalisierung.
Quelle: Swissmem
Stefan Brupbacher ist Direktor von Swissmem.
Der Bau gehört zu den tragenden Pfeilern unserer Wirtschaft. Angesichts von Zuwanderung und Klimawandel rückt er immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Während sich viele Länder Europas wegen tiefen Geburtenraten entvölkern, bleibt die Zuwanderung in die Schweiz hoch. Unser Land bietet Jobs und Perspektiven. Gerade der Bau eröffnet vielen Immigranten Ein- und Aufstiegsmöglichkeiten.
Die hohe Zuwanderung hat zu Diskussionen um die 10-Millionen-Schweiz geführt. Sie ist wichtig und muss klug geführt werden. Obwohl die Schweizer Tech-Industrie (Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie sowie verwandte Technologiebranchen) primär im Inland rekrutiert und ausbildet, wird sie auch künftig Fachkräfte aus dem Ausland brauchen. Denn anders als das Ausland kennt die Schweiz keine Deindustrialisierung. Im Gegenteil: Die Tech-Industrie ist eine Zukunftsbranche, welcher am Standort Schweiz gute Wachstumschancen vorausgesagt werden. Davon wird auch der Bau profitieren, weil Fabriken modernisiert und oft neu gebaut werden müssen.
Die Personenfreizügigkeit mit der EU ist deshalb für die Tech-Industrie zentral. Um deren Akzeptanz zu erhöhen, muss die Umsetzung der flankierenden Massnahmen digitalisiert werden. So kann der Kampf gegen ausländische Lohn- und Qualitätsdumper effizienter sowie effektiver geführt werden. Rein politisch motivierte Massnahmen wie flächendeckende Gesamtarbeitsverträge oder nationale Mindestlöhne braucht es nicht. Gleichzeitig dürfen wir die Probleme, welche die hohe Zuwanderung mit sich bringt, nicht negieren und müssen adäquate Lösungen finden.
Klimawandel und Zuwanderung fordern Bau – Industrie hat Lösungen
Mehr Einwohner erfordern mehr Wohnraum und mehr Verkehrsinfrastruktur. Das Netto-Null-Ziel bis 2050 wird zusätzlich Milliardeninvestitionen im Bau und in der Energieversorgung auslösen, die Schweiz in den kommenden Jahrzehnten quasi neu gebaut.
Um den Weg zu ebnen, müssen die Baunormen überdacht werden. Dabei braucht es eine Rückkehr zum gesunden Menschenverstand. Gegen Autos gerichtete Lärmvorschriften dürfen die Verdichtung in Städten nicht behindern. Die Verfahren sind generell zu beschleunigen und Einsprachen einzuschränken. Beim Abbruch alter Liegenschaften soll es einen Verdichtungsbonus geben, womit nutzungszifferbedingte, überteure Totalsanierungen wegfallen. Und nicht zuletzt müssen die Prozesse der Baubehörden digitalisiert werden. So können die Verfahren schneller und kostengünstiger abgewickelt werden.
Der Beitrag der Tech-Industrie zur Neugestaltung der Schweiz liegt in ihren technologischen Innovationen. Firmen wie Belimo, Siemens, ABB, Stadler Rail, Bucher, Geberit, Bühler und Nussbaum produzieren intelligente Lösungen für mehr Energie- und Ressourceneffizienz sowie für nachhaltige Mobilität. Sie machen Netto-Null erst möglich.
Unter dem Strich leisten die Bauwirtschaft und die Industrie entscheidende Beiträge für eine klimaverträgliche und lebenswerte Schweiz. Sie sind auch in vielen politischen Bereichen natürliche Partner, weil beide auf gute Rahmenbedingungen angewiesen sind. Diese werden bekanntlich im Parlament in Bern definiert. Am 22. Oktober 2023 wird es neu gewählt. Swissmem hat im Hinblick darauf das «Team Tech-Industrie» geschaffen. Auch die Bauwirtschaft schickt viele Kandidierende ins Rennen. Angesichts vieler überschneidender Interessen wäre es grossartig, wenn sich die beiden Branchen gegenseitig mit vielen Stimmen unterstützen würden.