Stahl Gerlafingen verzichtet vorerst auf Kündigungen
Stahl Gerlafingen im Kanton Solothurn wartet die politischen Entscheide auf Bundesebene ab: Das Stahlwerk verzichtet vorerst auf den Abbau von 120 Stellen. Das zur italienischen Beltrame Group gehörende Werk nimmt erneut das Instrument der Kurzarbeit für einen Teil Beschäftigten in Anspruch.
Damit wolle man in Absprache mit der Eignerfamilie die angekündigte Unterstützung aus der Politik abwarten, teilte Stahl Gerlafingen am Mittwoch mit.
«Sollten alle politischen Projekte eine Mehrheit in den Räten finden, würde Stahl Gerlafingen eine stabile Zukunftsperspektive erhalten», lässt sich CEO Alain Creteur zitieren. Dies würde gemäss Unternehmen dazu führen, dass die Beltrame Group am Standort festhalten kann.
Alle Gewinne, die in Gerlafingen gemacht worden seien, seien als Investitionen ins Werk zurückgeflossen. Beltrame stehe bereit, das auch in Zukunft zu tun, hiess es in der Medienmitteilung.
Reduzierte Netzkosten
Laut Creteur forderte Stahl Gerlafingen nie Subventionen, sondern die Wiederherstellung von fairen Wettbewerbsbedingungen. Die Politik diskutiert etwa eine temporäre Reduzierung von Netzkosten und eine zukünftige vorgezogene Recyclinggebühr für Stahl.
Auch der Einsatz von einheimischem Stahl bei öffentlichen Bauten steht zur Debatte. Diese Unterstützungsmassnahmen würden laut Stahl Gerlafingen die von der EU verzerrten Marktbedingungen «ein wenig korrigieren».
So nahm die zuständige Ständeratskommission drei Motionen an, die Massnahmen zur Sicherung der Stahlproduktion in der Schweiz fordern. Im Nationalrat beschloss die zuständige Kommission, dass man die Rahmenbedingungen für energieintensive Werke der Metallproduktion verbessern will.
Man habe in den letzten Wochen und Monaten grosse Unterstützung aus Politik und Verwaltung erfahren, wird CEO Creteur weiter zitiert. Ein grosser Dank gehe auch an die Unterstützung der Sozialpartner. Creteur: «Wir werden alle unsere Kraft einsetzen, um dieses Werk in die Zukunft zu führen.»
Gewerkschaften sehen «Etappensieg»
Die Gewerkschaften Unia, Syna sowie der kaufmännische Verband Schweiz und Angestellte Schweiz schrieben in einer Stellungnahme von einem «wichtigen Etappensieg». Der Kampf der Stahlarbeiter habe Wirkung gezeigt. Der Verzicht auf Entlassungen sei eine zentrale Forderung gewesen.
Das Parlament und der Bundesrat müssten nun «Nägel mit Köpfen machen». Es gehe darum, die Rahmenbedingungen für die Schweizer Stahlindustrie nachhaltig zu verbessern. Auf dieser Grundlage müssten die Unternehmen in die Pflicht genommen werden, ihre Produktion und die Arbeitsplätze in der Schweiz langfristig zu erhalten.
Schweizer Stahlschrott wiederverwenden
Als grösstes Recyclingwerk der Schweiz stellt Stahl Gerlafingen nach eigenen Angaben rund die Hälfte der Produktion von Betonstahl in der Schweiz sicher. Dieser werde zu mehr als 80 Prozent aus einheimischem Stahlschrott hergestellt.
Massive Wettbewerbsverzerrungen hätten jedoch Absatz und Marge des Solothurner Werks selbst im Schweizer Heimmarkt empfindlich getroffen. Um den anhaltenden Abfluss von finanziellen Mitteln zu stoppen, schickte das Werk im Oktober die ganze Belegschaft in Kurzarbeit und kündigte Entlassungen an. (sda)