St. Gallen und Appenzellerland: Opfer wegen neuer Ausgangslage
Coronakrise und kantonale Steuerreform haben deutliche Spuren in der St. Galler Staatskasse hinterlassen. Die Politik reagierte besonnen, beerdigte aber eine Steuerfusssenkung und einige Spitalstandorte. Von Letzterem wollen die Appenzeller noch nichts wissen.
Quelle: Archiv Kantonsspital St.Gallen
Im «Maulwurf-Prinzip» in die Tiefe: Auf dem Innenareal des Kantonsspitals St. Gallen erfolgte der Aushub für die Tiefgarage und das neue Bettenhochhaus in Deckelbauweise.
Auf dem Areal des Kantonsspitals St.
Gallen ist die kritische Tiefbauphase inmitten der bestehenden Gebäude
abgeschlossen. Nach aufwendigem Aushub in Deckelbauweise, für den sich die
Planer aufgrund der engen Platzverhältnisse entschieden haben, steht die neue
Tiefgarage inzwischen im Rohbau. Bereits wird an den ersten Geschossen des
neuen Bettenhochhauses 07A gearbeitet, das sich einmal 52 Meter in den Himmel
recken wird. Und doch soll es noch bis 2028 dauern, bis die letzte Etappe des
600 Millionen Franken teuren Generationenprojekts «come together» abgeschlossen
ist. Denn dieses umfasst nicht nur die Erneuerung des Kantonsspitals St. Gallen
unter laufendem Betrieb, sondern auch den Neubau des Ostschweizer
Kinderspitals.
Eine Grossbaustelle bleibt die St. Galler Spitallandschaft
aber auch im übertragenen Sinne. Das Kantonsparlament besiegelte Mitte
September in einer emotionalen Debatte das Ende der vier öffentlichen
Kleinspitäler in Altstätten, Flawil, Rorschach und Wattwil. An deren Stelle
sollen in den nächsten Jahren Gesundheits- und Notfallzentren treten. Die
SP-Fraktion hatte sich vergebens für den Erhalt aller neun kantonalen Spitäler
und gegen die «Abbauvorlage» eingesetzt. «Manchmal muss etwas sterben, damit
etwas Neues entstehen kann», kommentierte SVP-Kantonsrat Walter Gartmann als
Präsident der parlamentarischen Spitalkommission den Beschluss. Unsicher bleibt
die Zukunft der Klinik in Walenstadt, die vom Zustandekommen einer
Zusammenarbeit mit den Kantonen Glarus und Graubünden abhängt.
Dass sie bei der Spitalplanung den vorherrschenden
Kantönligeist überwinden wollen, hatten die zuständigen Regierungsräte von St.
Gallen, Graubünden, Glarus sowie den beiden Appenzell bereits Ende Februar mit
einer Absichtserklärung bekräftigt. Im Rahmen des schweizweiten Pionierprojekts
solle das stationäre Angebot künftig aufeinander abgestimmt und der «ungesunde
interkantonale Wettbewerb um Patienten und Personal» beendet werden, sagte die
damalige St. Galler SP-Gesundheitsdirektorin Heidi Hanselmann vor den Medien.
Wieviel von der lobenswerten Absicht übrig bleiben wird, muss sich bei der
konkreten Umsetzung ab Mitte 2022 weisen.
Trendwende mit Folgen
Wie schnell der Wind manchmal drehen kann, zeigte die St.
Galler Finanzpolitik. Im Februar – und damit noch vor Beginn der Coronakrise –
hatten sich im Kantonsparlament FDP und SVP mit ihrem Antrag durchgesetzt, den
Steuerfuss von 115 auf 110 Prozent zu senken. Diesem Auftrag widersetze er sich
nun als neuer St. Galler Finanzchef, erläuterte FDP-Regierungsrat Marc Mächler
Ende September vor den Medien, habe sich die Situation doch um 180 Grad
gedreht. «Niemand kann derzeit sagen, wann sich die Wirtschaft erholt und wie
sich die Lage entwickelt.»
Für 2021 budgetierte Mächler denn auch ein operatives
Defizit von gegen 250 Millionen Franken, das jedoch nur knapp zur Hälfte
coronabedingten Steuerausfällen geschuldet sei. Auf ganze 115 Millionen Franken
bezifferte er nämlich die voraussichtlichen Mindereinnahmen durch die Anfang
2020 in Kraft getretene kantonale Umsetzung der eidgenössischen
Unternehmenssteuerreform (Staf). «Wir stehen vor einer Trendumkehr», zeigte
sich Mächler überzeugt. Nach fetten Jahren, in denen das angesparte
Eigenkapital auf über 1,3 Milliarden Franken angewachsen sei, könne und müsse
der Kanton jetzt von der Substanz zehren, so Mächler weiter. «Spare in der
Zeit, so hast du in der Not» – dieses konservative Credo habe sich bewährt.
Um die wirtschaftlichen Folgen von Covid-19 abzufedern, hatte der St. Galler Regierungsrat bereits im Frühling ein Massnahmenpaket im Umfang von 45 Millionen Franken geschnürt, das der Kantonsrat gar auf 70 Millionen aufstockte. Vollumfänglich in die Bewältigung der Coronakrise floss zudem gemäss Parlamentsbeschluss die Ausschüttung der Schweizerischen Nationalbank von 103 Millionen Franken, die damit um satte 79 Millionen höher ausgefallen war als noch im Vorjahr.
Anspruchsvolle Auszonungen
Noch in seiner alten Funktion als kantonaler Bauchef hatte Marc Mächler im Februar Verständnis für die Gemeinden gezeigt, die mit der Anpassung ihrer Zonenpläne und Baureglemente an die seit 2017 geltende Rechtslage kämpften. «Selbst versierte Ortsplaner» bezeichneten das Zusammenspiel des neuen St. Galler Richtplans mit dem gleichzeitig revidierten kantonalen Planungs- und Baugesetz als «sehr anspruchsvoll». Doch letztlich gelte es, die kommunalen Bauzonen an den Bedarf der nächsten 15 Jahre anzupassen, so wie dies das 2014 in Kraft getretene neue eidgenössische Raumplanungsgesetz verlangt.
Weiter fortgeschritten als andernorts ist die einschneidende Zonenplanrevision in der Gemeinde Wildhaus-Alt St. Johann. Gemäss den Vorgaben des überarbeiteten kantonalen Richtplans sind hier 13,2 von insgesamt 17,9 Hektaren unbebautem Bauland auszuzonen, was einer Fläche von 18,5 Fussballfeldern entspricht. Der Kanton gehe eben von einer «zurückhaltenden Siedlungsentwicklung» in der Toggenburger Kultur- und Agrarlandschaft aus, sagte Rolf Züllig, Gemeindepräsident von Wildhaus-Alt St. Johann, gegenüber dem «St. Galler Tagblatt».
Noch diesen Herbst sollen alle Rückmeldungen aus dem öffentlichen Mitwirkungsverfahren verarbeitet sein, dann werde der revidierte Zonenplan öffentlich aufgelegt, so Züllig weiter. «Ist dieser dann einmal rechtskräftig, haben die Grundbesitzer zehn Jahre Zeit, um beim Kanton eine Entschädigung wegen Wertminderung zu verlangen.»
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