12:04 BAUBRANCHE

Schweiz: Noch harzt es beim CO2-Absaugen, doch das könnte sich ändern

Teaserbild-Quelle: Matthias Heyde, Unsplash

Damit die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden kann, muss sie aktiv CO2 aus der Luft holen und braucht dafür eine entsprechende Infrastruktur. Noch ist diese kaum vorhanden, doch nun könnte etwa die Carbon-Capture-and-Storage-Technologie der Branche Schwung verleihen.

Bis zum Netto-Null-Ziel bleiben 25 Jahre. Laut Klimaschutzgesetz darf die Schweiz ab 2050 nicht mehr Treibhausgase ausstossen, als durch natürliche und technische Speicher wieder aufgenommen werden können. Die Emissionen müssen also drastisch sinken, während unvermeidbare Emissionen aus Bau, Abfallverbrennung und Landwirtschaft eingefangen werden. Das sind gemäss Schätzungen des Bundes rund 12 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr.

ETH-Spin-off entwickelt Technologien zur CO2-Filterung

Eine Hoffnung ruht auf Carbon Capture and Storage (CCS): CO2 wird an der Quelle, etwa in Verbrennungsanlagen, abgeschieden, verflüssigt und wird dann in ehemalige Erdölfelder oder in den Meeresboden gepresst. Alternativ kann CO2 direkt aus der Atmosphäre gefiltert werden. Bäume tun dies auf natürliche Weise, aber technisch-chemischen Methoden könnten den Prozess noch zuverlässiger machen - weil sie nicht abbrennen können. Allerdings sind diese Verfahren teuer und energieintensiv. Zudem fehlt es an Speicherkapazitäten.

Trotz aller Herausforderungen glaubt das Zürcher Unternehmen Climeworks an den Markt. Das ETH-Spin-off entwickelt seit 2009 Technologien zur CO2-Filterung aus der Luft. Seine Kollektoren funktionieren wie riesige Staubsauger, die CO2 abscheiden. Das Ziel: Bis 2050 mit weltweit verteilten Anlagen Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr entfernen. Bereits heute setzen rund 200 Unternehmen und 21'000 Privatpersonen auf Climeworks. Doch noch stehen die Kapazitäten am Anfang. Die zwei Anlagen in Island können bisher maximal 40'000 Tonnen CO2 pro Jahr entfernen - ein Bruchteil der benötigten Mengen. Wann weitere Anlagen folgen, bleibt offen.

Die Transportfrage ist noch nicht beantwortet - die Schweiz braucht Infrastruktur

Effizienter ist die CO2-Abscheidung direkt an der Quelle, sagt Hans-Michael Kellner, CEO von Messer Schweiz, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. Je konzentrierter das CO2, desto leichter lasse es sich filtern. Das grösste Problem ist laut Kellner die Speicherung: In der Schweiz fehlen geologische Speichermöglichkeiten. Wie eine aktuelle ETH-Studie zeigt, kann CO2 mittelfristig nur im Ausland - zum Beispiel in Norwegen - gespeichert werden. Dies setzt wiederum eine funktionierende Transportinfrastruktur voraus. Bis 2030 könnten Lastwagen, Bahnen und Schiffe das CO2 befördern, schätzt das Bundesamt für Umwelt (Bafu). Doch langfristig brauche es ein Pipelinenetz - Kostenpunkt: 16,3 Milliarden Franken.

Noch ist unklar, wer für den Aufbau dieser Infrastruktur aufkommt. Der Bundesrat will laut Bafu die Finanzierung und die Rollen von Bund, Kantonen und Wirtschaft prüfen. Doch politische
Uneinigkeit bremst den Fortschritt. Kritiker befürchten, dass Unternehmen ihre Emissionen nicht genug senken und stattdessen auf CO2-Entnahme setzen. Andere sorgen sich um mögliche Lecks oder wollen die Kosten nicht mittragen. Denn der Preis bleibt ein zentrales Hindernis: Die Abscheidung an der Quelle kostet laut Global Energy Solutions zwischen 40 und 120 Dollar pro Tonne CO2, während die direkte Luftabscheidung mit 600 bis 800 Dollar zu Buche schlägt. "Es kostet etwas, die Welt zu retten", sagt Ralph Spring, CEO des CO2-Spezialisten ASCO Kohlensäure.

CO2-Speicher in der Nordsee

Die CCS-Branche dürfte nun zumindest einen Schub erhalten: Grosse Unternehmen haben sich bis 2030 erste Ziele zur CO2-Reduktion gesetzt. Zudem fördert die Schweiz seit Anfang Jahr Technologien zur CO2-Reduktion über sechs Jahre mit 1,2 Milliarden Franken. Und auch die EU investiert in CCS-Technologien, um ihre Klimaziele zu erreichen. Länder wie Deutschland, Dänemark und Norwegen planen etwa CO2-Speicher in der Nordsee.

Ob die Schweiz bei den Entwicklungen mithalten kann, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Viel Zeit bleibt allerdings nicht. Brnachenkenner Spring dazu: "Viele Firmen werden merken, dass sie den Einstiegszeitpunkt verschlafen haben." (Leah Süss, AWP)

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