Satelliten-Lösung für Einzelzimmer
Der Einbau von Lüftungsanlagen in bestehende Wohnungen bietet einige Knacknüsse, darunter so elementare wie die Frage nach dem Platz für die Luftführung. Vielfach scheitert die an sich erwünschte Lösung mit einem Zuluftkanal für jedes einzelne Zimmer am kaum vorhandenen Platz. Da können aktive Überströmer eine Lösung sein.
Die eigentlich elegante Lösung mit der Leitungsführung in Doppeldecken scheidet dann aus, wenn die Raumhöhe zu knapp ist oder, bei offenen Grundrissen, gestalterische Gründe dagegen sprechen. Luftleitungen in Aussenwänden kommen ohnehin nur dann in Frage, wenn das Gebäude im gleichen Zuge Wärme gedämmt wird.
Unterdrucksysteme sind keine Lösung
Abluftsysteme mit passiven Nachströmöffnungen sind in der Regel keine ernsthafte Alternative, weil nachströmende Luft auch über problematische Wege in den Raum gelangt, beispielsweise über Steigzonen der Heizverteilung oder Elektrorohre, über Zimmeröfen oder Küchenabluftsysteme, über interne Leckagen oder gar über Abluftrohre der Wohnung. Die definierte Nachströmöffnung ist dadurch nur eine von vielen Zuluftöffnungen. Das Merkblatt SIA 2023 fordert deshalb bei Unterdrucksystemen einen um 30 Prozent höheren Abluftvolumenstrom im Vergleich zum gesamten Aussenluftvolumen, das durch die definierten Aussenluftdurchlässe strömt. Der Unterdruck darf zudem höchstens vier Pascal betragen. Weitere Störfaktoren sind offene Türen und Fenster sowie unterschiedlich belastete Filter (Druckunterschiede).
Mini-Komfortlüftung als Alternative
Das Projekt «Luftwechsel» des Amtes für Hochbauten der Stadt Zürich zeigt, dass mechanisch belüftete Wohnungen mit offenen Zimmertüren eine weitgehend homogene Luftqualität aufweisen. Der Befund bedeutet, dass die Zuluft über eine einzige Öffnung, zum Beispiel im Korridor oder im Wohnbereich, in die Wohnung eingebracht werden kann. Die Abluft sollte aus hygienischen Gründen über die für Komfortlüftungen üblichen Öffnungen in Küche und Bad/WC abströmen. Die Fachstelle Energie- und Gebäudetechnik im Amt für Hochbauten der Stadt Zürich (FS EGT) bezeichnet diese Systeme mit einer reduzierten Zuluftseite und einer konventionellen Abluftführung als «Mini-Komfortlüftung». Gemäss der in der Stadt Zürich für Baubewilligungen zuständigen Behörde Umwelt- und Gesundheitsschutz UGZ ist die Kombination von Mini-Komfortlüftung und Umluft-Abzugshauben bei Kochstellen erlaubt, was erhebliche bauliche Vorteile zur Folge hat. Vorteilhaft ist zudem, dass Mini-Komfortlüftungen die Hygiene gewährleisten, dass sie sich mit Pollenfiltern ausrüsten lassen und dass die Wärmerückgewinnung keine Ankopplung an ein anderes System bedingt, beispielsweise an eine Wassererwärmung. Nachteilig ist dagegen, dass bei geschlossenen Zimmertüren und Zimmerfenstern mit schlechter Luftqualität zu rechnen ist.
Aktive Überströmer
Angesichts der Problematik wurde in den letzten Jahren in der Lüftungsbranche die Idee von aktiven Übertrömern diskutiert. Bislang sind aber keine standardisierten Produkte verfügbar. In der Art eines Satteliten hängen die separaten Zimmer am Hauptluftstrom, indem Luft über einen aktiven Überströmer vom Korridor ins Zimmer strömt und über einen passiven Überströmer – beispielsweise über einen Türspalt – zurück in den Korridor. Die FS EGT und der Verein Minergie attestieren dieser Lösung ein grosses Anwendungspotenzial, auch wenn erklärtermassen bis zur Serienreife noch einige Hürden zu überwinden sind. Beispielsweise sind sehr hohe Anforderungen bezüglich Schallschutz zu erfüllen. Und das erst noch bei deutlich erhöhten Luftmengen. Denn aufgrund der Belastung der Zuluft aus dem Korridor ins Zimmer muss zur Einhaltung der CO2-Limite die doppelte Luftrate vorgesehen werden.
Wettbewerb zeigt Lösungen
Zur Förderung von Entwicklungen von Überströmern lancierten das Amt für Hochbauten der Stadt Zürich und der Verein Minergie einen Wettbewerb. Insgesamt sind 9 Beiträge eingereicht worden, was in Anbetracht des kleinen Schweizer Marktes von einer beachtlichen Resonanz zeugt. Das Lösungsspektrum ist erfreulich breit: Die Überströmer sind ins Türblatt, in den Türrahmen oder in den Türsturz eingebaut. Auch das angrenzende Mauerwerk eignet sich nach Einschätzung eines Wettbewerbsteilnehmers für die Installation eines Überströmers. Drei Produktvorschläge wurden von der Jury zur Weiterbearbeitung ausgewählt. Massgebend waren die in der Ausschreibung definierten Bewertungskriterien (siehe Kasten «Wettbewerb» oben). Dass der Gestaltung der Geräte grosses Gewicht beigemessen wird, lässt sich auch an der Zusammensetzung der Jury ersehen: Von den fünf Mitgliedern sind drei in der Architektur und im Produktdesign sowie zwei in der Technik tätig. Bevor Überströmer in Wohnsiedlungen eingebaut werden, sollen sie auf dem Prüfstand ausgemessen werden. Das bedeutet, dass funktionstüchtige Prototypen oder Gebrauchsmuster verfügbar sein müssen, die sich im Nachgang zur Prüfung und vor der Serienfertigung optimieren lassen. Einzelne Beiträge des Wettbewerbs thematisieren den Einsatz von Überströmern auch im Neubau, beispielsweise zur Versorgung von abseits liegenden oder schwierig erschliessbaren Zimmern.
Steuerung birgt Potenzial
Eine mit aktiven Überströmern ausgerüstete Wohnung ermöglicht den Einsatz einer einfachen bedarfsgerechten Regulierung, die über den CO2-Gehalt erfolgen kann. Da die Luftqualität überall in der Wohnung ähnlich gut ist, lässt sich die CO2-Konzentration mit geringem Aufwand messen. Die Regelung führt zu kleineren Luftmengen, was den Strombedarf merklich reduziert.
Wettbewerb: Die wichtigsten Bewerungskriterien
- Gestaltung und Materialisierung
- Baulicher Aufwand für den Einbau (Vielseitigkeit, Sstromversorgung, etc.)
- Luftrate: Zuluft und Abluft je 60 m3/h
- Schallleistungspegel im versorgten Raum bei Nennluftmenge höchstens 27 dB (A)
- Norm-Schallpegeldifferenz über 30 dB
- Energieeffizienz des Ventilators: maximal 5 W Stromaufnahme bei Nennluftmenge
- Bei passiver Rückströmung maximal 3 Pa Druckdifferenz
- Keine Zugserscheinungen im Aufenthaltsbereich: DR-Wert höchstens 13 %
- Reinigung und Wartung einfach möglich (z.B. Ersatz Ventilator)
Kontakt; Minergie-Agentur Bau
St. Jakob-Strasse 84
4132 Muttenz
Tel. 061 467 45 10
Fax 061 467 45 43