Sand-Alternative: Genfer Forscher stellen Sand aus Bergbau-Abfällen vor
Forscher der Universität Genf und des Sustainable Minerals Institute der Universität Queensland stellen eine Alternative für den schwindenden Rohstoff Sand vor: Erzsand. Für seine Herstellung werden Reststoffe aus dem Bergbau genutzt.
Quelle: Arild Vågen, wikimedia CC BY-SA 4.0
Der Erzberg Kiirunavaara im schwedischen Kiruna enthält eine der grössten Eisenerzvorkommen der Welt. Geht es nach den Forschern könnten Reststoffe aus dem Erzabbau künftig für die Herstellung einer Sand-Alternative genutzt werden.
Beton, Asphalt, Glas, Elektronikchips – Sand hat viele Anwendungsmöglichkeiten. Das aus kleinen Mineralpartikeln bestehende, körnige Material stammt aus Meeren, Stränden, Seen und Flüssen oder aus Umgebungen an Land wie alten Flussablagerungen und Steinbrüchen.
Nach Schätzungen würden jedes Jahr 50 Milliarden Tonnen Sand verbraucht, wie die Universität Genf (Unige) am Montag mitteilte. In den letzten zwei Jahrzehnten habe sich die Nachfrage vor allem aufgrund der Verstädterung und des Bevölkerungswachstums verdreifacht. Ein Trend, der sich laut der Universität voraussichtlich fortsetzen wird, so dass der Verbrauch von Aggregaten bis 2030 die 50 Milliarden Tonnen pro Jahr überschreiten wird.
Abgesehen von den Risiken einer lokalen Verknappung der natürlichen Ressource habe die Gewinnung einer solchen Menge Sand auch ökologische und gesellschaftliche Folgen. Sie könne etwa zur Erosion von Flussufern führen, was die Gefahr von Überschwemmungen deutlich erhöhe. In einigen Ländern habe der Sandabbau bei Gemeinden bereits zum Verlust der Lebensgrundlagen geführt.
Abfälle aus Bergbau als Sand-Alternative
Forscher der Universität Genf und des australischen Sustainable
Minerals Institute (SMI) der University of Queensland haben nun das
Potenzial einer möglichen Alternative zu natürlichem Sand erforscht. Das
Material, das die beiden Universitäten in einer kürzlich publizierten Studie vorstellen,
wird als «Erzsand» bezeichnet. Für seine Herstellung werden sandähnliche,
mineralische Abfälle aus dem Erzabbau verwendet. Genauer Rückstände, die bei
Zerkleinerungsvorgängen zur Gewinnung bestimmter Metalle anfallen.
Im Erzabbau entstünden pro Jahr rund 13 Milliarden Tonnen
mineralische Abfälle, was den derzeit grössten Abfallstrom auf der Erde
darstelle, heisst es in der Mitteilung der Universität. Mit der Abtrennung und
Wiederverwendung dieser sandähnlichen Materialien, könnte nicht nur das
Abfallvolumen im Erzabbau erheblich reduziert, sondern auch eine verantwortungsvolle
Sandquelle geschaffen werden. Weiter könne die Herstellung von Erzsand dabei
helfen, den weiteren Aufbau von Abraumhalden zu verringern.
Ein solcher Erzsand biete das grösste Potenzial, um die Menge an verwendetem Sand aus der natürlichen Umwelt zu reduzieren, so Pascal Peduzzi, Mitautor der Studie und Professor am Departement F.-A. Forel for Environmental and Aquatic Sciences der Uni Genf. Durch die Verwendung des Materials, das im Erzabbau bisher als «Reststoff» angesehen wurde, gebe das Projekt einen wichtigen Anstoss zu einer Kreislaufwirtschaft, so Peduzzi.
Quelle: Josue Marinho wikimedia CC BY 3.0
Blick auf eine Eisenerzmine von Vale S.A in der brasilianischen Stadt Itabira. Für die Studie wurde Sand aus den Eisenerzwerken des Unternehmens untersucht.
Möglicher Ersatz für Bau- und Industriesand
Im Rahmen einer 12-monatigen Studie hat das Team unabhängige Proben entnommen und Sand aus den Eisenerzwerken der brasilianischen Vale S.A untersucht. Nach einer Analyse der chemischen Eigenschaften und einiger Veredelungsvorgänge konnten die Forscher nachweisen, dass ein Teil des Materials, die sonst als Reststoffe enden würden, als Ersatz für Bau- und Industriesand verwendet werden könnte. – Ähnlich wie recycelter Beton und Stahlschlacke.
«Wenn diese Ergebnisse auch mit anderen Arten von Mineralerzen erzielt werden können, besteht das Potenzial für eine erhebliche Verringerung der weltweiten Bergbauabfälle», erklärt Daniel Franks, Professor am SMI und Mitautor der Studie. Das Team konnte zudem durch die Kartierung der weltweiten Bergbaustandorte und die Modellierung des globalen Sandverbrauchs nachweisen, dass fast ein Drittel der Bergbaustandorte in einem Umkreis von rund 50 Kilometern eine Nachfrage für Erzsand finden könnte.
Laut den Forschern könnte dies dazu beitragen, das Volumen des anfallenden Abraums an jedem Standort um mindestens 10 Prozent zu verringern. Gleichzeitig könnte fast die Hälfte des weltweiten Sandmarktes (nach Volumen) eine lokale Quelle für Erzsand finden.
Darüber hinaus soll eine Lebenszyklus-Analyse von Erzsand, die auf der Grundlage von Tests bei Vale S.A basiert, aufzeigen, dass der Ersatz von natürlichem Sand durch Erzsand potenziell zu einer Nettoreduktion der CO2-Emissionen bei der Sandproduktion führen könnte.
Erzsand auch für Entwicklungsländer
Die Co-Produktion von Erz-Sand sei ein bedeutender Vorteil für Bergbauunternehmen: Sie reduziere die Abraumhalden und könne gleichzeitig zusätzliche Einnahmen bringen, so Peduzzi. Auch für Entwicklungsländer könnte dies eine Option sein, die aufgrund ihrer Infrastruktur zwar meist weniger Möglichkeiten für die Verwendung von rezyklierten Zuschlagstoffen hätten, jedoch oft über Bergbaugebiete verfügen würden, die Erzsand als Nebenprodukt erzeugen könnten.
Die Forscher möchten nun in einem nächsten Schritt die Zusammenarbeit mit Marktteilnehmern für Zuschlagstoffe suchen, um die Verwendung, die Leistungsfähigkeit und den Beschaffungsprozess des Ersatzmaterials in der Praxis demonstrieren zu können. (pb/mgt)
Hier geht es zur Studie (Englisch): smi.uq.edu.au