Quartalsbericht 3/2023: Segmente überraschen positiv
Die schwächelnde Konjunktur in der Eurozone und Deutschland sowie in Übersee haben die Risiken für die Binnenwirtschaft erhöht. Die Industrie plant trotzdem den Ausbau des Gebäudeparks. Hohe Investitionen sind bei Mehrfamilienhäusern vorgesehen. Der Ausbau der Gebäudeinfrastruktur des Bildungswesens erhält zusätzlichen Schub, während das Tourismussegment rückläufig ist.
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Obwohl in der Schweiz eine Abschwächung der konjunkturellen Entwicklung möglich ist, legten die geplanten Investitionen in Hochbauten zu.
Das Schweizer Bauhaupt- und Ausbaugewerbe hat gesamthaft ein aussergewöhnlich gutes Quartal hinter sich mit Aussicht auf eine prosperierende Hochbautätigkeit. Denn die auf Basis von Gesuchen ermittelte Bausumme erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahresquartal nominal um 24,7 Prozent und zum Vorquartal sogar um 42,3 Prozent. Bei der Zahl eingereichter Gesuche für Hochbauten konnte der hohe Wert im Vergleich zum Vorjahresquartal bestätigt und gegenüber dem Vorquartal sogar übertroffen werden. Zum guten Ergebnis beigetragen haben mehrere Segmente.
Beim Wohnbau, in den im Schnitt rund zwei Drittel der Hochbauinvestitionen fliessen, überlagern sich im Verlauf der letzten Quartale mehrere Entwicklungen. Innerhalb eines Jahres ist die Leerwohnungsziffer auf 1,15 von zuvor 1,31 Prozent gesunken (Stichtag 1. Juni), wobei alle sieben Grossregionen der Schweiz vom Rückgang betroffen sind. Aufgrund der Angebotsverknappung dürften die Mietpreise weiter steigen. Wüest Partner prognostiziert für 2023 einen nominalen Anstieg der Angebotsmieten von 3,2 Prozent.
Als Grund für die Wohnungsknappheit wird etwa die Nettozuwanderung ins Feld geführt. Doch laut dem Immobilienberatungsunternehmen spielt auch die Umsetzung des revidierten Raumplanungsgesetzes eine Rolle, indem Gemeinden Bau- und Zonenordnungen erst allmählich anpassen, was einige Investoren zum Abwarten veranlasst, die zudem nach Jahren des Anlagenotstands inzwischen Alternativen ins Auge fassen könnten.
Weil Interessenten aufgrund des knappen Angebots in den Grosszentren auf Agglomerationsgemeinden ausweichen, manifestiert sich das Problem zusehends auch dort. Demnach hat sich laut einer Analyse des Beratungsunternehmens PwC die mittlere Insertionsdauer einer Wohnung in Regionen nahe der Stadt Zürich wie dem Limmat- und Glattal oder den Gebieten Zimmerberg und Pfannenstiel in den letzten vier Quartalen im Vergleich zum langjährigen Mittel halbiert. Durchschnittlich werde in diesen Regionen mittlerweile eine Wohnung mit 14 bis 16 Tagen etwa ähnlich lange inseriert wie in der Stadt Zürich.
Wohnbau legt stark zu
Denn seit Jahren ist die Wohnbautätigkeit rückläufig, was aktuell auch mit der Baupreisentwicklung und steigenden Finanzierungskosten erklärt werden kann. Nach mehreren Zinsschritten der Schweizerischen Nationalbank (SNB) stagnierte der Wohnbau zum Jahresbeginn, im zweiten Quartal war er sogar stark rückläufig, wie Zahlen der Docu Media Schweiz GmbH zeigen. Vorerst scheint die Zurückhaltung der Investoren verflogen zu sein.
Die geplante Wohnbausumme schoss im Vergleich zum Vorjahresquartal um 18,7 Prozent in die Höhe und macht damit den Rückgang vom Vorquartal wieder wett. Für den Bau von Mehrfamilienhäusern (MFH) erhöhte sich das geplante Investitionsvolumen im Vergleich zum Vorjahresquartal gesamthaft um 26,5. Renovierungen dürften im Rahmen energetischer Sanierungen zu einem stabilen Wachstum der Wohnbautätigkeit beitragen. Im Vergleich zum Vorjahresquartal betrug der Anstieg der Bausumme 44,8 Prozent, gegenüber dem Vorquartal waren es sogar 52,8 Prozent. Das bedeutende Neubaugeschäft konnte ein Plus von 21,8 Prozent verbuchen.
Firmen investieren trotzdem
Die Lage der Schweizer Industrie ist nach wie vor von Unsicherheit geprägt. Doch hat sich die Stimmung im Verlaufe des Quartals etwas aufgehellt. Der erhöhte Einkaufsmanager-Index (PMI) der Industrie stieg zum zweiten Mal in Folge, im September um 5,0 Punkte auf 44,4 Zähler und im August um 1,4 Punkte auf 39,9 Zähler, nachdem der Industrie-PMI im Juli auf 38,5 Zählern auf den tiefsten Stand seit 2009 abstürzte. Der als Frühindikator der Konjunkturentwicklung geltende Index verharrt immer noch unter der Wachstumsschwelle von 50 Zählern, den siebten Monat in Folge, wie die von der UBS in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Einkaufs- und Supply- Management-Verband «Procure.ch» berechnete Kennziffer zeigt.
Zudem meldeten 40 Prozent der befragten Industrieunternehmen einen sinkenden Auftragsbestand, was nicht auf eine nachhaltige konjunkturelle Erholung des Industriesektors schliessen lässt. Auch der Export von Industrieprodukten schwächelte zu Beginn des dritten Quartals, nach einem Auf und Ab in der Periode davor. Zwischenzeitlich wurden auch die kleinen und mittelgrossen Unternehmen (KMU) von den Entwicklungen in Mitleidenschaft gezogen. Mit einem Plus von 4,8 Zählern auf 51,1 Zähler schaffte es der von der Raiffeisenbank ermittelte KMU-Einkaufsmanagerindex (KMU-PMI) im September erstmals seit April aber wieder über die 50er-Marke.
Die konjunkturelle Entwicklung bildete sich auch bei den von Unternehmen geplanten Investitionen für den Ausbau des Gebäudeparks ab. Im 3. Quartal legte die Bausumme im Vergleich zur Vorjahresperiode um 24,3 Prozent zu, während im Vorquartal laut Docu-Media-Zahlen gesamthaft noch ein Minus von 21,9 Prozent resultierte. Aufgrund der im Jahr aufgelaufenen Summe (Year to Date – YTD) können Bauunternehmen gleichwohl mit einem deutlich höheren Auftragsvolumen für den Bau von Industrie- und Gewerbegebäuden rechnen (YTD: +13,2%).
Bürobau weiterhin rückläufig
Im Dienstleistungssektor befand sich laut der UBS der entsprechende Indikator im Wachstumsbereich. Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) wurden in den letzten Quartalen vor allem im Dienstleistungssektor Stellen geschaffen. Im Büroflächenmarkt beobachten Wüest Partner daher eine rege Nachfrage. Gleichzeitig zeigt die Investitionsbereitschaft in Bürogebäude wegen gestiegener Bau- und Finanzierungskosten nach wie vor wenig Dynamik, was zu einer rückläufigen Neubautätigkeit geführt und schweizweit zu einer Reduktion der Angebotsmieten für Büroflächen geführt hat.
Ausnahmen bilden in der Statistik von Wüest Partner die Zentren der Städte Zürich und Genf sowie der Regionen Basel und Bern. Der rückläufige Trend im Segment Bürobau bestätigen im vergangenen Quartal auch die Docu-Media-Zahlen. Im Vergleich zur Vorjahresperiode ging die Bausumme um 16,7 Prozent zurück. Auch lagen die geplanten Investitionen in Bürogebäude in den Quartalen weit unter dem langjährigen Durchschnitt.
Gesamthaft prognostiziert die Expertengruppe des Bundes für das laufende Jahr 2023 nach wie vor ein BIP-Wachstum von 0,8 Prozent. Als Grund für die Bestätigung der bisherigen Prognose sehen die Ökonomen des Bundes den besser als erwartet verlaufenen Start ins Jahr, auf den im zweiten Semester eine «schwache Entwicklung» folge. Weil jedoch die Bundesökonomen nicht von einer raschen konjunkturellen Erholung ausgehen, senken sie ihre BIP-Prognose für 2024 auf 1,6 von zuvor 1,8 Prozent.
Insbesondere die Inflation und die schlecht laufende Weltwirtschaft erachten die Experten des Bundes als Risikofaktoren. Wegen steigender Energiepreise und höherer Mieten infolge des höheren Referenzzinssatzes erweise sich die Inflationsbekämpfung als hartnäckig. Für das Gesamtjahr 2023 sei eine Teuerung von 2,2 Prozent zu erwarten und für 2024 im Jahresschnitt von 1,9 Prozent (bisher: 1,5%). Im Bereich des Möglichen gehalten wird auch eine «technische Rezession», bei der zwei Quartale in Folge ein Negativwachstum resultiert. Eine schwere Re-zession ist laut Seco-Chefökonom Eric Scheidegger jedoch nicht zu erwarten. Dennoch ist laut den Bundesexperten mit Risiken für die Schweizer Exportwirtschaft zur rechnen, ausgehend von Deutschland und China.
Wirtschaftsschrumpfung möglich
Führende Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen in diesem Jahr mit einer Schrumpfung der Wirtschaftsleistung in Deutschland, dem wichtigsten Handelspartner der Schweiz. Sie senkten ihre BIP-Prognose für den im Vergleich zur Frühjahrsschätzung um 0,9 Prozentpunkte auf minus 0,6 Prozent. Für das Jahr 2024 passten die Wirtschaftsforscher ihre Prognose um 0,2 Prozentpunkte auf 1,3 Prozent nach unten an. Gründe für die revidierten Schätzungen sind, dass sich die Industrie und der private Konsum langsamer erholen als im Frühjahr erwartet wurde. Stark steigende Energiepreise hätten die Erholung von der Corona-Pandemie abgewürgt, die Inflation entziehe den Haushalten Kaufkraft und die Leitzinserhöhungen belasteten die Bauwirtschaft.
Inzwischen ist laut den Forschungsinstituten bei der Inflationsrate eine Entspannung absehbar. Von 6,1 Prozent in diesem Jahr werde die Teuerung 2024 auf 2,6 Prozent zurückgehen. Höhere Löhne aufgrund der Teuerung und fallende Energiepreise hätten zudem die Kaufkraft erhöht. Dazu trage auch bei, dass Exporteure höhere Kosten teilweise hätten überwälzen können, wie es weiter heisst. Zum Wachstum im Euroraum kann die Wirtschaftslokomotive Deutschland somit vorerst wenig beitragen. Trotzdem wird sich in der Eurozone laut den Wirtschaftsprognostikern das Wachstum allmählich von 0,9 Prozent im laufenden Jahr auf 1,5 Prozent 2024 beschleunigen. Die Inflation wird 2023 voraussichtlich auf 5,8 und 2024 auf 3,2 Prozent zurückgehen, wie aus einem OECD-Wirtschaftsbericht hervorgeht.
Hohe Zahl an Zinsschritten
Die US-Wirtschaft ist im Frühjahr etwas schwächer gewachsen als bisher bekannt. Im zweiten Quartal stieg das BIP zum Vorquartal der weltgrössten Volkswirtschaft aufs Jahr hochgerechnet um 2,1 Prozent. Eine frühere Schätzung ging von einem Anstieg von 2,4 Prozent aus (1. Quartal: annualisiert 2,0%). Zur Inflationsbekämpfung hob die US-Notenbank im Juli den Leitzins noch einmal um 0,25 Prozentpunkte an, der sich nun in einer Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent befindet. Es ist die elfte Erhöhung binnen 16 Monaten. Beobachter gehen davon aus, dass damit der Zinsgipfel erreicht ist.
Die Interventionen der Fed zeigen allmählich Wirkung, obwohl die Inflationsrate im August gegenüber dem Vorjahresmonat um 3,7 Prozent gestiegen ist nach 3,2 Prozent im Juli. Im Januar betrug die Teuerung noch 6,4% Prozent. Die Kerninflation fiel aber inzwischen von 4,7 auf 4,3 Prozent. Sie wird von der US-Zentralbank bei ihren Entscheiden zur Geldpolitik besonders beachtet, weil sie den Preistrend laut Fachkreisen besser abbildet als die Gesamtrate, da schwankungsanfällige Komponenten herausgerechnet werden.
China war dagegen im Juli mit sinkenden Verbraucherpreisen konfrontiert. Die Erzeugerpreise fielen zum zehnten Mal in Folge. Damit dürfte die chinesische Wirtschaft im 3. Quartal in eine Deflation abgerutscht sein. Wirtschaftsexperten halten Deflationen für gefährlicher als Perioden mit steigenden Preisen, weil wegen der Margenerosion die Kosten nicht mehr gedeckt werden können und die Gefahr von Stellenabbau droht. Zudem ist die Immobilienkrise in China noch nicht überstanden.
Die Verfassung der Weltwirtschaft be-einträchtigt auch den Tourismus in der Schweiz. Aufgrund der durchzogenen Bilanz des Hotel- und Gastgewerbes konnte das Tourismussegment im 3. Quartal bei Bauvorhaben die Erholung nicht fortsetzen. Denn in den letzten drei Monaten ging die Bausumme im Vergleich zum Vorjahresquartal um 44,0 Prozent zurück, auch blieb der langjährige Durchschnitt ausser Reichweite. Unterdurchschnittlich war auch der September, obwohl immerhin gegenüber dem Vorjahr nach einem guten Startquartal noch ein Plus resultierte (+13,3%).
Bildungsbereich als Stütze
Die Hochbautätigkeit stimulieren dürften die geplanten Investitionen in die Gebäudeinfrastruktur im Bildungsbereich. Die dafür vorgesehene Summe verdreifachte sich gegenüber dem Vorjahresquartal. Insbesondere die Kantone Zürich, Bern und Genf wollen mit hohen Investitionen den Bildungsstandort stärken. Gesamthaft bestätigt der Jahresverlauf den Ausbau des Gebäudeparks im Bildungswesen (YTD: +126,9%).
Dagegen entwickelte sich die Summe für Bauten im Bereich des Gesundheitswesens sowohl bei der Quartalbetrachtung (-41,2%) als auch im Jahresverlauf unterdurchschnittlich (YTD: -21,6%). Nach entbehrungsreichen Jahren während und nach der Pandemie dürfte das Segment Gesellschaft, Kultur und Freizeit wieder Tritt fassen können, denn die geplante Bausumme schoss im 3. Quartal um 91,9 Prozent in die Höhe, was die Aussicht auf ein positives Jahresendergebnis verbesserte (YTD: +3,3%). Das Segment Infrastruktur, zu dem Hochbauten mit Bezug zu Verkehrsanlagen zählen, kann im 3. Quartal eine ähnliche Wachstumsrate ausweisen (+90,1%), bleibt aber im Langjahresvergleich durchschnittlich.