Quartalsbericht 2/2021: Im Takt der Gesamtwirtschaft
Einfamilienhäuser boomen, die Preise für Mehrfamilienhäuser steigen. Die Industrie investiert kräftig, doch trotz Nachholeffekten dürfte die geplante Summe für Gewerbebauten den Zenit überschritten haben. Der Bürobau ist von Unsicherheit über den künftigen Flächenbedarf geprägt mit einer entsprechend volatilen Bausumme.
Quelle: Stefan Schmid
Die geplante Investitionssumme in Bürobauten hat sich nach guten Vorgaben im Schlussquartal erneut abgeschwächt. Im Bild der Ersatzneubau der Swiss Re in Zürich.
Das Schweizer Bauhauptgewerbe konnte im 2. Quartal die guten Vorgaben der beiden Vorquartale nicht bestätigen. Die auf Basis von Gesuchen ermittelte Summe schwächte sich im Vergleich zum Vorjahr gesamthaft um 2,4 Prozent ab. Auch lag die aggregierte Summe 5,5 Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt.
In den Vorquartalen verzeichneten sowohl die Zahl der geplanten Hochbauten als auch die Bausumme noch zweistellige Wachstumsraten. Im vergangenen Quartal entkoppelte sich zudem die Entwicklung der Gesuche von der Bausumme. Die Zahl der Bauprojekte erhöhte sich um 17,7 Prozent auf den Höchststand der letzten zehn Jahre. Einer grösseren Zahl von Objekten steht somit ein kleineres Investitionsvolumen gegenüber, was die durchschnittliche Projektsumme reduziert.
Rasantes EFH-Wachstum
Das starke Wachstum bei der Zahl der Projekte ist seit dem 3. Quartal letzten Jahres zu beobachten, was mit der Entwicklung bei den Einfamilienhäuser (EFH) zusammenhängen dürfte. Damals boomte das Segment, doch so hoch wie im vergangenen Quartal waren die Wachstumsraten bisher nie. Satte 30,7 Prozent legte die geplante EFH-Bausumme gegenüber dem Vorjahresquartal zu. Das ist umso erstaunlicher, weil die geplante Summe bereits im entsprechenden Vorjahresquartal ein Plus verzeichnen konnte.
Anhaltend war im 2. Quartal die Nachfrage nach einem Haus mit Umschwung, obwohl das Angebot in diesem Segment weiterhin sehr knapp ist, wie Martin Neff, Chefökonom der Raiffeisenbank, konstatiert. Die Transaktionspreise erhöhten sich laut Statistiken der Bank entsprechend. Im Vergleich zum ersten Jahresviertel 2021 betrug der Preisanstieg bei den Einfamilienhäusern (EFH) durchschnittlich 2,1 Prozent. Im Vorjahresvergleich am stärksten angestiegen sind die EFH-Preise in der Region Genfersee (+11,3 %), in der gesamten Westschweiz betrug das Plus 2,7 Prozent.
Für Einfamilienhäuser deutlich mehr auf den Tisch legen mussten EFH-Käufer im 2. Quartal gegenüber dem Vorjahr auch in der Ostschweiz (+9,3 %) und in der Innerschweiz (+9,1 %). Geringer war der Preisanstieg bei den EFH in der Südschweiz (+2,4 %) und in der Region Bern (+1,2 %), so die Bank. Die ausserordentliche Nachfrage wird sich sowohl auf das Neubau- als auch auf das Um- und Ausbaugeschäft auswirken, wie aus Zahlen der Docu Media Schweiz GmbH hervorgeht. Angestiegen ist die Summe für geplante Um- und Anbauten vor allem im Waadtland, aber auch im Kanton Genf. Die Umbauquoten stagnierten dagegen in der Ostschweiz, weniger Umbauten geplant sind in der Innerschweiz.
Die Investitionen im EFH-Segment machen knapp ein Drittel der Wohnbausumme aus, was beim Wohnbau gesamthaft zu einem Plus 4,6 Prozent führte. Anzeichen von Bremseffekten beim Wohnbau als Folge der Coronakrise sieht Martin Neff jedenfalls nicht. Der EFH-Boom steht auch in Zusammenhang mit dem knappen Bauland, weshalb der Neubau von Einfamilienhäusern nur noch auf Grundstücken in der Agglomeration oder in zentrumsnahen Gemeinden erschwinglich ist. Für Investoren rechnen sich Mehrfamilienhäuser eher als für potenzielle Eigentümer von Eigenheimen.
Mehrfamilienhäuser teurer
Nach zwei Quartalen mit Wachstum schwächte sich dagegen die geplante Bausumme im Segment Mehrfamilienhäuser (MFH) wieder ab (-4,3 %). Rückläufig war vor allem das Neubaugeschäft (-5,2 %), während sich die für Um- und Anbauten geplante Summe in etwa auf dem Niveau des Vorjahresquartals halten konnte (-0,5 %). Aufgrund der rückläufigen Bausumme im MFH-Segment steht dem Angebot eine anhaltend grosse Nachfrage gegenüber, was die Preise ansteigen liess.
Die Transaktionspreise für MFH haben sich laut Berechnungen des Immobilienberatungsunternehmens Iazi im 2. Quartal im Vergleich zum Vorquartal um 0,7 Prozent erhöht. Auf Jahresbasis betrug das Preiswachstum 1,1 Prozent. Als Gründe für den Preisanstieg führt Iazi-Chef Donato Scognamiglio die immer noch tiefen Zinsen sowie die stabilen Mieterträge an. Hinzu komme die rege Nachfrage aufgrund einer soliden Nettozuwanderung wegen positiver Konjunkturaussichten. Nach wie vor investierten auch institutionelle Anleger in Betongold, was für einen Preisschub sorge.
Zenit wohl überschritten
Hohe Investitionen in Betriebsgebäude plant auch die Industrie. Die Projektsumme in den Gebäudepark erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahresquartal um 19,9 Prozent. Auch im 2. Quartal waren die geplanten Investitionen der Industrie- und Gewerbeunternehmen überdurchschnittlich, was sich im Vergleich zum Zehnjahresdurchschnitt zeigte, der um ein Viertel übertroffen wurde. Allerdings waren die Wachstumsraten des Segments bei weitem nicht mehr so hoch wie noch in den beiden vorangegangen Quartalen.
Die Segmentsumme erreichte im 2. Quartal zwar ein beachtliches Niveau, doch ging sie im Vergleich zum Vorquartal um 4,1 Prozent zurück, nachdem sich bereits im 1. Quartal gegenüber dem Schlussquartal eine deutlich Abschwächung ergab – von einem Rekordwert im Schlussquartal allerdings. In den drei Perioden davor konnte das Segment noch ein stetiges Wachstum der Bausumme ausweisen. Aufgrund der Zahlen sind die Nachholeffekte gegenüber dem Jahr der Pandemie zwar noch immer eindrücklich, doch könnte der Vorquartalsvergleich ein Hinweis darauf sein, dass die geplanten Investitionen in diesem Segment den Zenit überschritten haben.
Lieferengpässe als Risiko
Dabei scheint der Industriebau die Bewegungen der Gesamtkonjunktur nachzuzeichnen. Die Prognosen über das Schweizer Wirtschaftswachstum hatten die Stimmung bei den Industrieunternehmen und damit die Investitionsbereitschaft kurzzeitig getrübt. Der Glaube an eine rasche wirtschaftliche Erholung erhielt einen Dämpfer, auch war von einer Stagnation die Rede. Tatsächlich bestätigten sich die Prognosen, denn gesamthaft ging die Schweizer Wirtschaftsleistung im Anfangsquartal leicht zurück.
Doch nun dürfte die Gesamtwirtschaft wieder Tritt fassen. Aufgrund der besseren Konjunkturaussichten und der sich weltweit abzeichnenden breiten Erholung passt die Expertengruppe des Bundes ihre Prognose nach oben an. Für 2021 rechnen die Bundesökonomen beim realen Bruttoinlandprodukt (BIP) mit einem Wachstum von 3,8 Prozent (bisher: +3,2 %). Um den Effekt von Sportgrossanlässen bereinigt prognostizieren die Bundesexperten für 2021 ein Plus von +3,6 (bisher: +3,0 %). Auch für 2022 sei ein überdurchschnittliches Wachstum von 3,5 Prozent zu erwarten (unveränderte Prognose).
Bei 3,9 Prozent liegt die Prognose der Konjunkturforscher von BAK Economics (bisher: 3,4 %), für 2022 erwarten sie einen BIP-Anstieg von 3,2 Prozent (bisher: +3,7 %). Als Konjunkturrisiken nennen die BAK-Ökonomen eine mögliche Konkurswelle in Folge der Pandemie sowie die diversen Virusmutationen.
Die wirtschaftliche Erholung beeinträchtigen könnten zudem Unterbrüche bei den Lieferketten, mit denen Industrieunternehmen in den vergangenen Monaten mehr und mehr konfrontiert waren. Das war bereits im letzten Jahr während des Lockdown der Fall. Damals führten aber Grenzschliessungen zu Unterbrüchen, nun sind es Kapazitätsengpässe im internationalen Frachthandel. Unterbrochene Lieferketten erachten 43 Prozent der kleinen und mittelgrossen Unternehmen (KMU) zu Beginn des 2. Quartals als Problem, was in etwa der Einschätzung im letzten Jahr entspricht und einen Eindruck von der akuten Situation vermittelt. Noch im Januar gaben laut Swissmechanic lediglich 23 Prozent der KMU an, dass sie mit Liefereinbrüchen zu kämpfen haben.
Wegen der Dynamik der Konjunkturentwicklung und der weltweiten Nachfrage werden auch Baumaterialien knapp, was die Preise in die Höhe treibt. Unternehmen des Bauhaupt- und Ausbaugewerbes müssen bei Holz, Stahl und Kunststoffen mit höheren Preisen kalkulieren. Knapp geworden sind auch Zwischenprodukte von Aluminium und Glas. In Branchen, bei denen bisher Lieferfristen von zwei Wochen die Regel waren, dauert es bei bestimmten Materialien mittlerweile zwei Monate, bis die Güter eintreffen. Steigende Preise von Rohstoffen und Zwischenprodukten bedeuten je nach Materialanteil sinkende Margen.
Bürobau weiterhin volatil
Nach wie vor sehr volatil zeigte sich im letzten Quartal die Bausumme des Bürosegments, was mit der Unsicherheit über den künftigen Flächenbedarf zusammenhängt. Denn die Folgen von Homeoffice auf die Nachfrage nach Büroflächen sind nicht absehbar. Im 2. Quartal sackte die Bausumme im Vergleich zur Vorjahresperiode um 21,5 Prozent ab, nachdem im ersten Quartal noch ein Plus resultierte (+3,9 %). Rückblickend betrachtet dürfte es sich bei der starken Ausweitung der geplanten Bausumme im vierten Quartal daher wohl um ein Strohfeuer gehandelt haben.
In der zehnjährigen Zeitreihe war es der zweittiefste Wert, der im 2. Quartal auch 15,2 Prozent unter dem entsprechenden Durchschnitt lag. Rückläufig war per Ende Juni auch die im Jahr aufgelaufene Summe (Year to Date: -9,3 %), was die Auftragslage in diesem Segment beeinträchtigen wird. Seit Jahren ist im Bürosegment ein Angebotsüberhang zu beobachten, daran dürfte auch die rückläufige Summe vorerst wenig ändern. Iazi-Chef Scognamiglio geht daher davon aus, dass die Vermarktung von Büroflächen an zentrumsnahen Orten anspruchsvoller werden wird.
Impulsprogramm für Tourismus
Ähnlich sind die Entwicklungen im Tourismussegment. Die Summe für Bauten des Gastgewerbes erreichte in den beiden vorangegangenen Quartalen jeweils einen vergleichsweise hohen Wert. Im 2. Quartal verzeichneten geplante Hotelbauten zwar ein Plus von 11,8 Prozent, allerdings unter Berücksichtigung des tiefen Basiswerts im Vorjahr, als das Gastgewerbe stark von den Eindämmungsmassnahmen betroffen war. Ausdruck der pessimistischeren Stimmung ist die Tatsache, dass die geplante Bausumme gegenüber dem Vorquartal stark eingebrochen ist und sie sich im 2. Quartal wieder weit unter dem Zehnjahresdurchschnitt befand. Gemäss der Expertengruppe des Bundes wird der Tourismus erst im kommenden Jahr wieder richtig Fahrt aufnehmen. Bis es soweit ist, dürften Bauprojekte des Gastgewerbes nur wenig Dynamik entfalten. Der Branche unter die Arme greifen könnte ein Impulsprogramm, dem der Ständerat als Erstrat bereits zugestimmt hat.
Impulse setzen wird voraussichtlich der Bau von Schulen. Das Segment ist weniger von konjunkturellen Schwankungen betroffen, weil dessen Bedarf mittel- bis langfristig auf die Bevölkerungsentwicklung ausgerichtet ist. Mit einem Plus von 42,6 Prozent erreichte die Summe ein hohes Niveau. Dagegen ging die Summe für Bauten im Gesundheitswesen im Vergleich zum Vorjahresquartal um 44,8 Prozent zurück, gegenüber dem Vorquartalswert kann sie aber ein Plus verbuchen.