Quartalsbericht 1/2022: Hochbau steht vor Abschwächung
Das Schweizer Bauhaupt- und Ausbaugewerbe muss mit rückläufigen Investitionen rechnen, weil weniger Mehrfamilienhäuser geplant sind. Auch die anderen Segmente entwickelten sich zaghaft. Die geplante Summe des Industriebaus stagnierte, Projekte für Büro- und Hotelbauten sind rar. Die Notenbanken beginnen an der Zinsschraube zu drehen.
Im Schweizer Bauhaupt- und
Ausbaugewerbe dürften die Investitionen in den Hochbau spärlicher fliessen,
denn der Start ins Jahr war verhalten. Die auf Basis von Gesuchen ermittelte
Summe für Hochbauten fiel im ersten Quartal gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode
um 5,6 Prozent zurück. Im Vergleich zum Schlussquartal sah es nicht ganz so
düster aus (-1,5%), die Summe lag sogar über dem Durchschnitt der
Vorjahresquartale. Immerhin konnte die Zahl der Projekte auf einem bereits
hohen Stand leicht zulegen (+1,4%).
Als Garant für Stabilität gilt nach wie vor der Wohnbau, der
in den ersten drei Monaten gesamthaft ein Plus von 2,7 Prozent verzeichnen
konnte, wobei sich im Vergleich zu den Vorquartalen die unterschiedliche
Entwicklung beider Segmente bestätigte. Bei der geplanten Summe für den Bau von
Mehrfamilienhäusern (MFH) zeichnete sich eine Stagnation ab (+0,8 %). Die
Bausumme für Neubauprojekte befand sich sogar im Minus (-1,3 %), wiederum im
Vergleich zum Vorquartal ergab sich aber ein Plus. Höhere Investitionen geplant
sind einzig für An- oder Umbauten sowie Kombinationen davon. Dieser Bereich
wird weiter solide wachsen, im Vergleich zum Vorjahresquartal betrug das Plus
8,1 Prozent. Gegenüber dem Vorquartal legte die geplante Summe für Umbauten im
MFH-Segment sogar um 18,6 Prozent zu.
Energetische Sanierungen von Gebäuden dürften in den
kommenden Jahren zusätzlich Auftrieb erhalten. Nachdem letztes Jahr die
Totalrevision des CO2-Gesetzes bei der Volkabstimmung abgelehnt wurde, hat das
Parlament rasch eine neue Vorlage aufgegleist. Diese umfasst auch Änderungen
des Energie- und des Umweltschutzgesetzes. In der Vernehmlassung waren die
Berücksichtigung der grauen Energie bei der Planung von Ersatzneubauten sowie
die Erhöhung der Sanierungsquote wichtige Aspekte in den Stellungnahmen. 2025
soll das revidierte Gesetz die noch geltenden Regeln ablösen.
Hohe Preise im MFH-Segment
In den Städten bleibt das Angebot an Mietwohnungen allerdings knapp. Im Jahresvergleich nahmen die Mieten in Zürich, Bern und Lugano um über zwei Prozent zu, während sie in Genf, Lausanne und Luzern rückläufig waren. In der Schweiz sind die Mieten für die am Markt angebotenen Wohnungen zu Beginn des Jahres leicht angestiegen. Der von der Internetplattform Homegate und der Kantonalbank (ZKB) erhobene Angebotsmietindex stieg im Januar um 0,26 Prozent oder 0,3 Stellen auf 116,7 Punkte an.
Am stärksten wuchsen die Mietpreise in Bern (+1,0%). Im gesamten
letzten Jahr erhöhte sich der Index in der Schweiz um ein Prozent. Dabei waren
Mehrfamilienhäuser mangels Anlagemöglichkeiten nach wie vor sehr gefragt, was
die Preise weiter in die Höhe getrieben hat. In der Zürcher Gemeinde Zumikon
hat ein Käufer vor kurzem ein nicht mehr benötigtes Feuerwehrgebäude mit
einigen Wohnungen für einen Betrag erworben, der laut der der zur Migros Bank
gehörenden CSL Immobilien AG zweieinhalb Mal so hoch war wie von der Gemeinde
vorgegeben. Der Preis: rund 21 Millionen Franken.
Einfamilienhäuser gefragt
Eine hohe Preisdynamik zeigte sich auch beim Segment Einfamilienhäuser (EFH): Durchschnittlich betrug der Preisanstieg des EFH-Segments im letzten Jahr 8,3 Prozent, wie Homegate und das Swiss Real Estate Institut eruierten, wobei die Regionen Bern, Genfersee, Nordwestschweiz und Zürich untersucht wurden. Mit einer Erhöhung der EFH-Preise um elf Prozent waren die Preissteigerungen indes in der Nordwestschweiz am grössten, in Zürich waren es 7,7 Prozent.
Die starke Nachfrage nach einem Haus mit Umschwung dürfte
auch der Bau-wirtschaft zusätzliche Impulse verleihen. So sind im EFH-Segment
hohe Investitionen geplant. Gesamthaft gingen Gesuche ein, deren Bausumme sich
laut Zahlen der Docu Media Schweiz GmbH im Vergleich zum Vorjahresquartal um
8,5 Prozent erhöhte. Im Vergleich zum ersten Quartal des letzten Jahres, als Corona
grassierte, konnte sowohl das Neubaugeschäft als auch der Bereich Umbauten
wachsen. Das EFH-Segment steht im Vergleich zum Vorquartal noch besser da,
wobei vor allem die Umbausumme nach einem sehr schwachen Schlussquartal stark
zulegen konnte (+21,5 %).
Gesamthaft haben die Angebotspreise für Wohneigentum im
Februar erneut einen neuen Rekordwert erreicht. Ein Ende des Preisauftriebs ist
laut dem Immobilienberatungsunternehmen Iazi nicht in Sicht. Einzig ein
massiver Zinsanstieg und damit eine starke Zunahme der Finanzierungskosten
könne die Preisspirale eindämmen.
Bürosegment als zweite Wahl
Die Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt wirken sich indirekt auch auf die Büroimmobilien aus. Demnach sind Investoren, die im Wohnmarkt nicht mehr zum Zug kamen, vermehrt auf das Bürosegment ausgewichen. Um vom boomenden Onlinehandel profitieren zu können, wurden zunehmend auch Gewerbe- und Logistikimmobilien ins Auge gefasst, wie die CSL Immobilien AG festgestellt hat. Unternehmen fokussierten ihre Nachfrage verstärkt auf zentrale Lagen. Deshalb entfalle der grösste Teil der in den vergangenen sechs Monaten verfügbaren Büroflächen auf Standorte ausserhalb der Zentren.
Im Wirtschaftsraum Zürich hat sich in den letzten sechs Monaten laut CSL die Summe inserierter Büroflächen im Vergleich zum Vorjahr um 12 Prozent erhöht. Ähnlich stark war die Zunahme in der Region Bern (+14,0 %) und in Genf (+12,0 %). Die Zurückhaltung der Investoren wirkt sich auch auf die Bereitschaft aus, neue Bauprojekte anzustossen.
Im Vergleich zum Vorjahresquartal ging die für
Bürobauten geplante Summe um 35,5 Prozent zurück. Auch im Vergleich zum
langjährigen Durchschnitt sieht es nicht viel besser aus, die Summe lag 27,1
Prozent unter dem entsprechenden Wert. Immerhin kann das Segment den Rückgang
abbremsen, denn im Vergleich zum Schlussquartal büsste die Summe lediglich 5,6
Prozent ein.
Industriebau stagniert
Die Situation bei den Baumaterialien, darunter Stahl-, Kunststoff- und Holzprodukte, hat sich wieder verschärft, nachdem zu Beginn des Jahres die Lieferketten teilweise wieder in Gang kamen. Lieferunterbrüche und Personalausfälle wegen Corona, aber auch der Bauboom in den USA und in China haben bereits in den letzten zwei Jahren die Materialpreise weltweit in die Höhe getrieben.
Der Ukrainekrieg liesse die Energiepreise zusätzlich
steigen, sodass in der Schweiz die Inflation im Februar den Wert von 2,2 Prozent
erreichte und erstmals seit mehr als 13 Jahren über der Zwei-Prozent-Marke lag
(Januar: 1,6 %). Im März waren es 2,4 Prozent. Der Ukrainekrieg hat zudem zu
Turbulenzen beim Wechselkurs geführt. Bei Schweizer Industrieunternehmen kamen
die Margen gleich mehrfach unter Druck.
Die Währungshüter müssen nun auf die hohen Inflationsraten
reagieren, wobei sie eine Gratwanderung vollziehen müssen, wenn es gilt,
Zinserhöhungen vorzunehmen, ohne dabei die Konjunktur abzuwürgen. Während die
Schweizerische Nationalbank die Zinsen nicht antastet, hat die amerikanische
Notenbank im März bereits einen ersten Zinsschritt vorgenommen. Eine
Zinserhöhung im Juli signalisierte auch die Europäische Zentralbank.
Die Industrieunternehmen schienen der angekündigten raschen
Erholung der Wirtschaft zu Beginn des Jahres noch nicht so recht zu trauen. Die
ersten beiden Monate waren ein Auf und Ab. Schliesslich stagnierten die
Investitionen in den Gebäudepark im Vergleich zum Vorjahreswert auch im
gesamten ersten Quartal (+0,3 %). Auch verharrte die Segmentsumme weit unter
dem langjährigen Durchschnitt. Die Industrie geht allerdings nach wie vor davon
aus, dass sie sich auf dem Wachstumspfad befindet. Der Einkaufsmanagerindex
(PMI), den die Credit Suisse zusammen mit dem Branchenverband Procure
berechnet, stieg für den Industriesektor im März um 1,4 auf 64,0 Punkte. Werte
von über 50 Punkten deuten auf Wachstum hin.
Gute Saison, weniger Hotels
In der Wintersaison wieder Tritt gefasst hat das
Tourismussegment. Bei den Erst-eintritten und beim Umsatz verzeichneten die
Bergbahnen im Vergleich zum eingeschränkten Betrieb im Vorjahr ein Plus von
rund 40 Prozent, wie Seilbahnen Schweiz mitteilte. Der positive Trend setzte
sich im Februar und März fort. Gesamthaft ist der Saisonverlauf auch im
Vergleich mit den Fünfjahresdurchschnitten bei den Ersteintritten und den
Umsätzen in vielen Regionen überdurchschnittlich. Einzig das Tessin konnte
nicht mithalten.
Von der guten Entwicklung konnte auch die
Beherbergungsbranche profitieren. Die Zahl der Gäste aus der Schweiz nahm in
den drei Wintermonaten um zwölf Prozent zu, wie die Beherbergungsstatistik von
Schweiz Tourismus ausweist, wobei die Logiernächte mit der Saison vor Corona
verglichen werden (März: Schätzung laut BfS-Zahlen). Doch nach wie vor fehlen
Gäste aus Übersee (-27,0 %), sodass sich gesamthaft ein Minus von 9,0 Prozent
ergab. Auch der kleine Hoffnungsschimmer konnte die Investoren nicht umstimmen.
Entsprechend sind noch wenige Projekte für Hotelbauten geplant, die Summe des
Tourismussegments sank sogar auf den tiefsten Wert der letzten zehn Jahre.
Auch Vorhaben der öffentlichen Hand dürften sich dieses Mal
nicht als Stütze der baukonjunkturellen Entwicklung erweisen. Die geplante
Summe für Bauten im Gesundheitswesen erhöhte sich zwar im Vergleich zum
Vorjahresquartal, von einem ausserordentlich tiefen Wert allerdings. Gesamthaft
blieb die Bausumme deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt. Auch die
geplanten Investitionen in Schulbauten waren rückläufig und erreichten den
lang-jährigen Durchschnitt bei weitem nicht.
Erste Zinsschritte
Insgesamt sind die Aussichten für die Baukonjunktur intakt. Für die Schweiz geht die Expertengruppe des Bundes für dieses Jahr beim realen Bruttoinlandprodukt (BIP) mit einem leicht tieferen Wachstum von 3,0 Prozent aus. Vor drei Monaten hatte die Prognose noch auf plus 3,2 Prozent gelautet, noch im September waren es 3,4 Prozent (2023: unverändert +1,7 %).
Die Ökonomen der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich trauen der Schweizer Wirtschaft trotz des Ukrainekriegs Wachstum zu. In ihrem Frühjahrsgutachten kommen sie zum Schluss, dass beim positiven Basisszenario im laufenden Jahr ein BIP-Wachstum von drei Prozent drin liegt. Bei einer weiteren Eskalation in der Ukraine wird dem Negativszenario noch ein Plus 1,1 Prozent zugeschrieben.