PUK zu Bündner Baukartellen: Kanton Graubünden ignorierte Hinweise
Mitglieder der kantonalen Verwaltung von Graubünden bis in die Regierung hinauf haben Preisabsprachen im Baugewerbe zumindest vermutet – und wenig dagegen unternommen. Das ist der Befund der Puk zu den Bündner Baukartellen.
Quelle: Kurt Michel, pixelio.de
Warnschild, Symbolbild.
Die Parlamentarischen Untersuchungskommission (Puk) stellte
ihren zweiten Teilbericht zu den Baukartellen am Mittwoch in Chur den Medien
vor. Die Kommission beleuchtet darin die Rolle von Regierung, Departementen und
Dienststellen im Zusammenhang mit den kolportierten Kartellabsprachen.
Verwaltungsangestellte und damalige oder jetzige Regierungsmitglieder
haben demnach Preisabsprachen im Strassenbau im ganzen Kanton schon früh
vermutet. Ab Anfang der 2000er-Jahre sollen sie teilweise sogar davon gewusst
haben.
Dem damaligen Vorsteher des Baudepartementes, dem heutigen
Mitte-Ständerat Stefan Engler, waren die Vermutungen laut der Puk bekannt. Er
konnte aber offenbar plausibel machen, dass die Beweislast zu wenig gross
gewesen war, als dass er hätte handeln können.
Englers Ausführungen halte die Untersuchungskommission für
glaubwürdig, sagte Grossrat und Puk-Mitglied Thomas Gort (SVP). Und auch
Englers Nachfolger Mario Cavigelli (Mitte) habe überzeugend darlegen können,
vom Baukartell erst durch die Untersuchung der Weko erfahren zu haben.
Verletzung der Dienstpflicht und naives Handeln
Weniger gross waren die vorhandenen Verdachtsmomente, was
das in den Medien bekannt gewordene Unterengadiner Baukartell betrifft. Verdacht
und später auch Kenntnis davon hatten nur Mitarbeitende des Tiefbauamtes. Die
Puk beurteilt Unterlassungen von drei Führungspersonen im Tiefbauamt als
Verletzungen der Dienstpflicht.
Es handelt sich um den damaligen und um den aktuellen
Amtschef und um einen ehemaligen Unterengadiner Bezirkschef. Hätten diese drei
nach Hinweisen des Whistleblowers Adam Quadroni im Jahr 2009 gehandelt, hätte
der Kanton früher adäquat reagieren können, erklärte Gort.
Als «naiv» sei das Verhalten des damaligen
Gemeindepräsidenten des Unterengadiner Hauptortes Scuol, Jon Domenic Parolini,
aus heutiger Sicht zu werten, antwortete Gort auf eine diesbezügliche Frage der
Medien. Der heutige Mitte-Regierungsrat war 2009 ebenfalls von Quadroni
kontaktiert worden. Gestützt auf Auskünfte aus der Baubranche ging er aber
gemäss eigener Aussagen davon aus, dass das Kartell nicht mehr existiere.
«Trotz der vorhandenen Vermutungen und Kenntnisse schritt
der Kanton nur sehr zögerlich ein und ergriff vorerst keine oder nur
unzureichende Massnahmen», lautet das Fazit der Puk im fast 500 Seiten langen
Teilbericht.
Lob für Zeit ab Weko-Untersuchung
Ein sehr gutes Zeugnis stellt die Untersuchungskommission
dem Kanton hingegen für die Zeit aus, nachdem die Weko 2012 ihre Untersuchung
eröffnete. Der Kanton habe dann schnell reagiert und griffige Massnahmen und
Instrumente eingeführt. Weiter gibt die Puk Entwarnung in Bezug auf eine aktive
Rolle von Verwaltung und Regierung bei den Kartellen. Sie fand keine Hinweise
darauf und auch keine für Bestechung.
Den schweizweit bisher grössten Fall von Preisabsprachen im
Baugewerbe machte die Weko im Jahr 2018 öffentlich bekannt. Während Jahren
hatten im Unterengadin Bauunternehmen Beschaffungen im Hoch- und Tiefbau
manipuliert.
Parallel dazu manipulierte ein anderes Kartell den
Strassenbau auf fast dem ganzen Kantonsgebiet. Die Kartelle sprachen Preise ab
und legten fest, wer welchen Auftrag erhielt. Die Puk erachtet es als
wahrscheinlich, dass die Submissionsabsprachen zu überhöhten Preisen führten
und dem Kanton dadurch ein finanzieller Schaden in unbekannter Höhe entstand.
Whistleblower Adam Quadroni gewürdigt
«Es ist zu würdigen, dass Adam Quadroni den Stein ins Rollen
gebracht hat», erklärte die Untersuchungskommission vor den Medien im Churer
Grossratssaal. Quadroni sei massgeblich an der Auslösung der Weko-Verfahren
beteiligt. «Er spielt eine bedeutende Rolle», sagte dazu Puk-Mitglied Gort.
Mit dem zweiten Teilbericht ist die Arbeit der
Parlamentarischen Untersuchungskommission nach drei Jahren abgeschlossen. In
ihrem ersten, Ende 2019 publizierten Teilbericht hatte sie Polizeieinsätze
gegen Quadroni untersucht – und kritisiert. Die Bündner Regierung will an der
Grossratssession von nächster Woche Stellung zum Bericht nehmen. (sda/pb)
Expertenbericht: Kanton nicht verwickelt in Baukartell
Unabhängige Experten haben im Auftrag der Bündner Regierung
festgestellt, dass der Kanton Graubünden bei Baukartellen im Unterengadin nicht
mitgewirkt hat. Dennoch: Mitarbeitende des Tiefbauamts hätten eine
folgenschwere Fehleinschätzung gemacht.
Als der Whistleblower und reuiges Kartellmitglied Adam
Quadroni, 2009 das kantonale Tiefbauamt über illegale Preisabsprachen der Bauunternehmer
im Unterengadin informierte, glaubten ihm hochrangige Mitarbeitende nicht. Dies
geht aus zwei Berichten von unabhängigen Fachexperten der Universität Freiburg
hervor, die am Donnerstag den Medien in Chur vorgestellt wurden.
Der damalige Kantonsingenieur und der Chef der Abteilung
Strassenerhaltung/Bezirke nahmen laut den Experten die Warnung Quadronis nicht
ernst. Ein Grund dafür war, dass der Whistleblower Glaubwürdigkeitsprobleme
hatte wegen diverser Unstimmigkeiten rund um seine Baufirma. Dies war eine
Fehleinschätzung, wie der Bericht nun feststellte.
Im Zuge der Untersuchungen kam weiter hervor, dass
mindestens eine Liste mit detaillierten Angaben zu geplanten Bauprojekten vom
Tiefbauamt zu Bauunternehmern gelangte. Der Inhalt der Liste sei zwar nicht
geheim gewesen, hätte aber eine Preisabsprache begünstigen können.
Die Experten aus Freiburg fanden aber keinerlei Hinweise, dass Mitarbeitende des Tiefbauamts und des zuständigen Departements das Baukartell im Unterengadin aktiv begünstigten. Auch könnten Mitarbeitenden des Kantons generell keine Fehler vorgeworfen werden können, weil sie die Preisabsprachen nicht erkannt haben.
Durch die Weko-Untersuchung kam die Frage auf, ob der Kanton
vom Kartell gewusst habe oder es begünstigt haben könnte. Deshalb gab die
Regierung die Untersuchung an der Universität Freiburg in Auftrag. (sda)