Preisverleihung des Arc-Award: Das sind die Gewinner
Mitte Mai wurde der Arc-Award 20/21 im Rahmen eines Online-Events verliehen. Mit einer Preissumme von 49‘000 Franken zählt er zu den bestdotierten Architekturpreisen der Schweiz. Drei Fachjurys kürten in drei verschiedenen Bewerben die Siegerprojekte.
Von Katharina Wyss
Insgesamt stellten sich 331 Architekturprojekte dem Wettbewerb, der in allen Sprachregionen der Schweiz einen hohen Bekanntheitsgrad aufweist. Architekten hatten bis Anfang Oktober des letzten Jahres Zeit, über das Onlineportal der Schweizer Baudokumentation digital ihre Projekte einzureichen. Die Pandemie verzögerte die Beurteilung und die Ehrung der Gewinner. Im Online-Livestream der Arc-Award-Verleihung vom 19. Mai 2021 wurde endlich das Rätsel um die erfolgreichen Preisträger gelüftet.
Low-Tech und Nachhaltigkeit
Die brennenden Themen der Zeit widerspiegeln sich auch im aktuellen Architekturschaffen der Schweiz. Da wirkt so manches Projekt wie der in Stein gegossene Versuch, sich dem Klimawandel entgegenzustellen, wie der «Arc-Award Classic» zeigt. Das Landwirtschaftliche Zentrum St. Gallen, das Gewinnerprojekt in der Kategorie «Öffentliche Bauten, Industrie und Gewerbe», beeindruckt nicht nur durch die Setzung in der Landschaft, mit der das Gebäude den Blick rahmt. Das rundum stimmige Projekt ist ein wahrhaftiges Statement einer neuen Baukultur der Nachhaltigkeit.
Das Baumaterial stammt vor allem aus heimischen Wäldern, geheizt wird mit Holzschnitzeln. Die Schüler der landwirtschaftlichen Ausbildungsstätte lernen am Beispiel des Gebäudes, die natürlichen Ressourcen des Landes sowohl als Energieträger als auch als Konstruktionsmaterial zu nutzen. Auf eine mechanische Lüftung wurde verzichtet. Stattdessen sorgt ein Low-Tech-Lüftungssystem für frische Luft. Es funktioniert ähnlich wie in den Funktionsbauten, welche die angehenden Landwirte künftig nutzen werden.
Verdichtung und Erweiterung
Die Politik der Nachverdichtung und der Trend zur Urbanisierung in der Schweiz braucht gute Beispiele, wie bebaute Gebiete trotz höherer Gebäude und knapperen, aber geplanten öffentlichen Räumen gestalterisch gewinnen können. Das «Weiterbauen» ist eine Variante, um diesen gesellschaftlichen Auftrag architektonisch umzusetzen.
Sowohl «RitterUn», das Gewinnerprojekt der Kategorie «Wohnbauten: Mehrfamilienhäuser und Überbauungen», als auch «The Permanent Weekend House», Siegerprojekt der Kategorie «Wohnbauten: Ein- und Zweifamilienhäuser», bearbeiteten dieses Thema durch Erweiterung und Aufstockung des Bestandsbaus. Beim «The Permanent Weekend House» wirkt die Erweiterung wie ein filigran gestalteter Unterstand, der auch bei Regen das Durchqueren des Gartens ermöglicht.
Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch das Projekt «RitterUn» in Fribourg, wobei der Umbau die Möglichkeit bot, einen besonderen Ort zu schaffen. Die Architekten überraschen bei ihrer Erweiterung des Wohnhauses mit einer durchdachten Grundrissplanung nach dem Prinzip der Enfilade. Dabei werden Räume mit ungefähr gleicher Grösse traubenartig aneinander gefügt.
Bereits beim Eintreten gewährt die Wohnung einen Blick durch die perspektivisch versetzten Türöffnungen quer durch mehrere Räume, denen jeweils ein Nebenraum zugeordnet ist. Diese Raumanordnung verleiht der Wohnung Grosszügigkeit ohne Erschliessungsgänge und ermöglicht innerhalb des Grundrisses individuelle Raum-Cluster, die auf einfache Weise an veränderte Lebenssituationen angepasst werden können.
Lebendige Baukultur
Die Nachverdichtung des Schweizer Siedlungsraums führt auch zur Neubewertung der städtischen Zentren. Exemplarisch zeigt sich dieser Trend bei der Zentral- und Hochschulbibliothek in Luzern, die laut Beschluss des Kantonsparlaments von 2013 eigentlich einem grossformatigen Neubau hätte weichen sollen. Geschlossen stellte sich die Architektenschaft gegen dieses Vorhaben, sodass nicht einmal Preisrichter für den dafür geplanten Wettbewerb gefunden werden konnten.
Obwohl die Neubesetzung des zentral gelegenen Grundstücks die Finanzen von Kanton und Stadt zu schonen versprach, stimmten über 70 Prozent der Stadtluzerner Bevölkerung für den Erhalt des spätmodernen Gebäudes im Zentrum von Luzern. Die Sanierung und Erweiterung bricht nicht mit der Formensprache des Originalbaus, sondern führt sie behutsam weiter aus. Mit grossem Respekt zitieren die Architektinnen und Architekten den Stil der Entstehungsepoche und bestätigen durch ihr Vorgehen den baukulturellen Wert des Gebäudes.
Quelle: Daniel Blatti
Freudige Gesichter der verdienten Gewinner am Ende des Online- Events: Moderatorin Susanne Kurz gratulierte allen Gewinnern des Arc-Award via Livestream.
Blick in die Zukunft
Der architektonische Diskurs gegenwärtiger Themen wird auch an den Schweizer Hochschulen durch Projektarbeiten weitergeführt, wie beim Gewinnerprojekt der Arc-Award-Kategorie «Next Generation» zum Ausdruck kommt. Bei einer Arealentwicklung in Belgrad stellten sich die beiden Projektverfasser die Frage: Was macht eine Stadt aus? Ihr Vorschlag des Weiterbauens entstand aus einer feinfühligen Analyse des Bestandes.
Die Digitalisierung revolutioniert nicht nur die Möglichkeiten der Darstellung von Architektur. Beeindruckend dokumentiert dieses Potenzial das Siegerprojekt «Haus des Holzes» der Arc-Award-Kategorie «BIM: zukunftsweisende Entwicklungen». Es handelt sich um ein konkretes Beispiel, wie die Zusammenarbeit spezialisierter Planer mittels BIM effizienter und transparenter gestaltet werden kann.
Hochwertige Architektur prämiert
Live aus dem Studio der Agentur Aroma in Zürich begrüsste Philipp Scheidegger, CEO der Docu Media Schweiz GmbH, die Zuschauerinnen und Zuschauer zur Preisverleihung. Ausgelobt wird der Arc-Award von der zum Unternehmen gehörenden Schweizer Baudokumentation.
Souverän führte Susanne Kunz als Moderatorin durch die eineinhalb Stunden des virtuellen Events, der sowohl Gewinner als auch Nominierte der sechs Arc-Award-Kategorien gebührend ehrte. Überreicht wurden die Preise der jeweiligen Kategorie von den Unterstützern des Events, die damit ihr Engagement für qualitätsvolle Architektur bekräftigten.
Es lag an den Jurypräsidenten, die drei besten Beiträge jeder Kategorie zu präsentieren und den Gewinnerinnen und Gewinnern zu gratulieren. Live wurden die Sieger aus ihren Büros oder von zu Hause zugeschaltet. Geehrt wurden ihre Projekte auch durch aufwändig produzierte, stimmungsvolle Videoeinspielungen, welche die Ausführungen der Planer eindrücklich untermalten. Der Livestream schloss mit einer Auflistung aller teilnehmenden Architekten. Der Arc-Award ist Symbol und Verdienst ihres täglichen Engagements für gute Baukultur.
Die Gewinner des Arc-Award 2020/21:
Quelle: Seraina Wirz
Landwirtschaftliches Zentrum, Salez (SG).
Landwirtschaftliches Zentrum in Salez (SG)
Der langgestreckte, zweigeschossige Schulbau und der daran
angefügte Internatsteil des Landwirtschaftlichen Zentrums St. Gallen fassen den
Blick auf die weite Landschaft des Rheintals. Das Gebäude erfüllt den Anspruch,
Ökonomie und Ökologie in gleichem Mass zu genügen, indem vor allem lokale
Materialien für den Bau verwendet wurden. Der Bau ist als Low-Tech-Gebäude
konzipiert. Die Reduktion aufs Wesentliche soll die angehenden Landwirtinnen
und Landwirte inspirieren, ähnliche Lösungen in ihren Berufsalltag zu
integrieren. Gewinnerprojekt der Kategorie «Öffentliche Bauten, Industrie und
Gewerbe».
Quelle: Comte / Meuwly
The Permanent Weekend House, Vernier (GE).
The Permanent Weekend House in Vernier (GE)
Das einstige Wochenendhaus, gebaut 1910, wurde um einen
Anbau erweitert. Es liegt auf einem Gartengrundstück in Vernier, das zur Zeit
seiner Er-stellung der Stadtbevölkerung von Genf als Ort der Naherholung
diente. Die Umgebung hat sich in-zwischen verändert, Vernier ist nun Vorstadt.
Der prachtvolle, verwunschene Garten wurde zur Oase inmitten der Bauten der
Peripherie. Der Erweiterungsbau hat den Charakter eines gedeckten Gangs für
einen Spaziergang im Garten. Wie von einer wetterfesten Laube aus lässt sich
der grüne Umschwung nun das ganze Jahr über geniessen. Siegerprojekt der
Kategorie «Wohnbauten: Ein- und Zweifamilienhäuser».
Quelle: Eik Frenzel
RitterUn, Fribourg (FR).
RitterUn in Fribourg (FR)
Die Architekten schufen eine Wohnform, die in dieser Weise
in Fribourg zu wenig vorhanden ist – grosse Stadtwohnungen, die als Alternative
zum Kauf eines Einfamilienhauses in Frage kommen könnten. Die Erweiterung des
jeweiligen Geschossgrundrisses um zwei Enfiladen orientiert sich am Typus des
bestehenden Grundrisses. Die Idee war, einen Wohnungstyp zu schaffen, in dem
keine Korridore als Erschliessung vorhanden sind. Durch Verwendung
gleicher Typen von Fenstern und Türen liessen sich gleichzeitig die
Kosten für den Bau optimieren. Bestes Projekt der Kategorie «Wohnbauten:
Mehrfamilienhäuser und Überbauungen».
Quelle: Leonardo Finotti
Zentral- und Hochschulbibliothek, Luzern (LU).
Zentral- und Hochschulbibliothek in Luzern (LU)
Die Zentral- und Hochschulbibliothek in Luzern ist Teil
eines städtischen Ensembles, mit vorgelagertem öffentlichem Park, dem
Vögeligärtli und der nebenan liegenden Lukaskirche. Der spätmoderne Bau des
Architekten Otto Dreyer wurde 1951 erbaut. Die Erweiterung ist im Sinne des
Gestalters weitergedacht. Neue Bauelemente verbinden sich mit reichhaltiger
Handwerkskunst, welche diese Architekturperiode ausmacht. Um das Gebäude den
sich ändernden Nutzerbedürfnissen anzupassen, wurde im ehemaligen Magazintrakt
eine Freihandbibliothek eingebaut, eine Cafeteria in die ursprünglichen Räume
der Sondersammlung eingeplant sowie der Nordtrakt um Büroräume ergänzt.
Gewinner der Kategorie «Transformation: Sanierungen, Umnutzungen».
www.haltercasagrande.ch
/ www.lussipartner.ch
Quelle: Pirmin Jung
Haus des Holzes, Rain (LU).
Haus des Holzes in Rain (LU)
Der Holzbauplaner Pirmin Jung nutzte die Möglichkeit, beim
Bau des eigenen Firmengebäudes neue Methoden der digitalen Zusammenarbeit zu
testen. Höhere Transparenz bei der Planung, eine bessere Kommunikation
beim Bau des Gebäudes sowie eine strukturiertere Zusammenarbeit, waren die
daraus gezogenen Vorteile. Die im gesamten Prozess durchgängig verfügbaren
Daten vereinfachen die Qualitätssicherung. Die Daten sind zudem für die
Bewirtschaftung verfügbar. Gewinner der Kategorie «BIM: zukunftsweisende
Entwicklungen».
Quelle: Yannik Fortiguerra, Kevin Kummerow
Kula 5-9 Beograd, Serbien.
Kula 5-9 Beograd in Serbien
Die Arealentwicklung mitten im Dorc´ol-Quartier nutzt
die bereits vorhandene, industriell geprägte Bausubstanz. Die erste
Intervention auf dem Grundstück – punktweise gesetzte Türme in Skelettbauweise
– sind als Möglichkeitsräume der Aneignung gedacht, sei es als Wohnraum oder
als Werkstätte. Auch haben die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner die
Möglichkeit, selber im Areal Häuser auszubauen. Die Türme sollen einen
Transformationsprozess in Gang setzen, um auf dem Areal eine Verdichtung der
Marke «Eigenbau» zu fördern. Gewinner der Kategorie «Next Generation».
331 Projekte für Arc-Award eingereicht
Der Arc-Award wird seit 2012 von der Schweizer
Baudokumentation, einem Medienportal der Docu Media Schweiz GmbH, ausgelobt.
Der Architekturpreis wird in drei verschiedenen Wettbewerben vergeben, als
«Arc-Award Classic», «Arc-Award BIM» und als «Arc-Award Next Generation».
Der «Arc-Award Classic» ist Bauten zugedacht, die in den
letzten drei Jahren vor dem Einreichdatum fertig gestellt wurden. Der
«Arc-Award Classic» umfasst folgende Kategorien:
- Öffentliche Bauten, Industrie und Gewerbe
- Wohnbauten: Ein- und Zweifamilienhäuser
- Wohnbauten: Mehrfamilienhäuser und Überbauungen
- Transformation: Sanierungen, Umnutzungen
Für die Beurteilung der Projekte zuständig waren Dominique
Salathé (Jurypräsident) sowie Ludovica Molo und Inès Lamunière.
Der «Arc-Award BIM» zeichnet Projekte aus, deren Erfolg
wesentlich auf den Einsatz digitaler Hilfsmittel baut. Die Jury, bestehend aus
Birgitta Schock (Präsidentin) sowie Philipp Dohmen und Martin Fischer sind
Wegbereiter bei der Digitalisierung von Bauplanungen.
Der «Arc-Award Next Generation» wird aussergewöhnlichen
Projekten verliehen, die im Rahmen von Lehrveranstaltungen an Hochschulen für
Architektur erarbeitet wurden. Die Jury bestand dieses Jahr aus den drei der
Lehre verbundenen Architekten Stefan Cadosch (Jurypräsident) Nicole Deiss und
Christian Zimmermann.
Für den Arc-Award 20 / 21 wurden insgesamt 331 Projekte
eingereicht. 225 Architekturbüros und Studenten der Architektur stellten sich
dem Wettbewerb. In Zukunft soll der Preis alljährlich verliehen werden. Die
nächste Auslobung ist im Frühling 2022 geplant.