18:00 BAUBRANCHE

Planschen im mystischen Bierkeller

Teaserbild-Quelle: zvg

Ab Dezember müssen Badelustige nicht mehr nach Vals reisen, um sich inmitten erstklassiger Architektur zu vergnügen. Auf dem Hürlimann- Areal öffnen sich die Pforten zu einem aquatischen Spektakel. Das Kreativteam Margrit Althammer, René Hochuli und Ushi Tamborriello schufen ein einzigartiges Ambiente für Wasserratten und mit dem dazugehörigen Hotel eine passende Unterkunft.

Wasser ist für die Stadt Zürich in vielerlei Hinsicht von grosser Bedeutung. Einerseits dient der See als riesiger Trinkwasserspeicher. Andererseits verdankt die Stadt viel von ihrem Charme der wassernahen Lage und ihren attraktiven Flaniermeilen, Parks und Stränden. Mit einem neuen Badtypus wird das Element Wasser in eine weitere Dimension geführt. Auf dem ehemaligen Brauereigelände Hürlimann im angesagten Kreis Enge entsteht das erste Thermalbad der Stadt Zürich, dazu gibt’s ein kleines, aber feines Boutique-Hotel. Nachdem das grosszügige Areal zwischen Sihlpromenade und Brandschenkestrasse in den vergangenen Jahren bereits radikal umgestaltet wurde, bildet das Bad-Hotel-Ensemble einen vorläufigen Höhepunkt der baulichen Aktivitäten.

Lange Zeit dachten die Verantwortlichen über Ideen und Konzepte für die Nutzung der riesigen, alten, unterirdischen Bierkeller nach, doch fand erst die Firma Aqua Spa Resorts eine zielführende Lösung. Sie schlug der Eigentümerin der Liegenschaft vor, die historischen Gewölbe zu einem Bad umzunutzen und das Thermalwasser der eigenen Quelle zu nutzen. Bis 1996 hatte die Brauerei Hürlimann dieses Nass als Aqui-Mineralwasser verkauft, danach stellte sie die Produktion ein.

Fantastische Kellerräume

Auf dem Areal gibt’s bis jetzt vor allem Büros, Läden, Restaurants und Wohnungen. Das Bad wie auch das Hotel erweitern den Nutzungs-Mix auf sinnvolle Weise. Ausgepowerte Bürokräfte können nach Feierabend in den heimeligen Räumlichkeiten beim Planschen ihre Batterien wieder aufladen, Zürichs Bewohner erhalten eine zusätzliche Freizeitaktivität und Touristen wird eine weitere Attraktion geboten.

Ursprünglich sollte die Migros auf dem Gelände aktiv werden, nachdem jedoch der Vertrag 2006 aufgelöst wurde, entschlossen sich die Verantwortlichen, einen Wettbewerb auszuschreiben. Althammer Hochuli Architekten aus Zürich gewannen mit ihrem Vorschlag die Konkurrenz und konnten das Projekt zügig in Angriff nehmen. «Es handelt sich um eine fantastische Gebäulichkeit. Das Vorhandene lieferte uns eine Menge Ideen, die wir in unserem Projekt umsetzten», erläutert Architektin Margrit Althammer. Dazu zählen vor allem die eindrücklichen Kellerräume mit ihren Gewölben, die in unterschiedlichen Zeitabschnitten entstanden sind.

Intimität bringt Stimmung

Die Situation der Räume «im Berg» – sie liegen bis zu zwanzig Meter unter dem Boden – ermöglichte es, die grossen Bierfässer der Brauerei übers ganze Jahr bei fast konstanter Temperatur zu lagern. Unter dem aus Hygienegründen aufgetragenen Verputz auf Wänden und Decken kamen eindrückliche Steingewölbe zum Vorschein, die die Architekten sorgfältig freilegen liessen. Künftig bieten diese Räume einen stimmigen Rahmen für die Besucher des Bades und des angegliederten irisch-römischen Spabereichs.

Bei der Konzeption des Bades war für die Architekten schnell klar, dass die vorgefundene, Kleinteiligkeit der Keller-Anlage beibehalten werden sollte. Das bestehende System der Kammern wurde als Qualität aufgegriffen und entsprechend der Aufgabe adaptiert. Architektin Margrit Althammer erläutert die Idee: «Badegäste sollen die Anlage nicht auf einen Blick erfassen. Sie können sich von Becken zu Becken baden, dadurch ergibt sich Intimität und Besucher haben das Gefühl, dass sie sich jeweils fast alleine in den Becken und Räumen aufhalten.» Weiter zur intimen Atmosphäre beitragen werden stimmungsvolle Kronleuchter, grosse Vorhänge und eine raffinierte, indirekte Illumination.

Lärche aus dem Rüebliland

Bei der Gestaltung der verschiedenen Pools fanden die Architekten wiederum Inspiration im Bestand. Während ihren Rundgängen entdeckten sie antike Bierfässer aus Holz. Dies führte zur Idee, die neuen Schwimmbecken in der traditionellen Technik des Fassbaus herzustellen. Dabei erwiesen sich die Handwerker der Innerschweizer Küferei Suppiger als wahre Meister ihres Fachs. Die Bohlen-Wände der teilweise über zehn Meter langen Pools sind nur wenige Zentimeter Holz stark und werden von schmalen Stahlbändern zusammengehalten. Bemerkenswert ist dabei die Tatsache, dass es sich beim Rohstoff für die Becken nicht etwa um Hartholz aus übersee-ischem Dschungel handelt, sondern ganz profan und nachhaltig um Aargauer Lärche.

Neben der Anlage «im Berg» überrascht das angrenzende Hotel mit einer weiteren Bade-Attraktion: Zuoberst auf dem Flachdach des Gebäudes befinden sich nicht wie üblich die Apparaturen der Haustechnik, sondern ein weiteres Becken. Von hier geniesst man eine fast uneingeschränkte 360-Grad-Sicht auf die Stadt, das angrenzende Umland und die Alpen. Gäste des Thermalbades erreichen diese Station über einen separaten Lift. Verschiedene kubische Dachaufbauten bieten Badenden wiederum Möglichkeiten, sich zurückzuziehen. Das 35 Grad warme Wasser wird zwecks Energieeinsparung jeweils über Nacht in den Wasserkreislauf der Anlage zurückgeführt und frühmorgens wieder in die Höhe gepumpt.

Architektonisches Kernstück des neuen Hotels, das hauptsächlich in den Mauern des ehemaligen Sudhauses unterkommt, ist ein zentraler Lichtschacht. Der vielfach geknickte Baukörper durchstösst dabei vier Geschosse und endet – sich unten ausweitend – über einem grossen Sitzungsbereich. Bewusst haben die Architekten diesen Körper unregelmässig geformt, so entsteht ein spannender Dialog zwischen dem streng rechteckigen Altbau und dem verspielten Neubauelement. Weiter bemerkenswert ist die grosszügige, zweigeschossige Bibliothek mit rund 30 000 Büchern und einer integrierten Aufenthaltszone. Neben rund 50 Hotelzimmern bietet die Unterkunft auch zweigeschossige Suiten, die in das ehemalige Kühlschiff der Brauerei integriert wurden. Individuell werden die einzelnen Hotelzimmer gestaltet, die bis zu sechzig Quadratmeter messen und mit grossformatigen Fotos sowie verschiedenen Installationen überraschen. Während das Thermalbad seine Pforten bereits im Dezember öffnet, müssen sich badelustige Hotelgäste noch bis nächsten Frühling gedulden – dann wird die Anlage als Ganzes in Betrieb genommen und eine einzigartige Kombination von Design, Architektur und Unterhaltung bieten. (tst)


Nachgefragt bei Roger Bernet

Roger Bernet (49)

ist Geschäftsleiter, VR-Mitglied und Teilhaber der Aqua-Spa-Resorts, die für den Bau der Anlage auf dem Hürlimann-Areal verantwortlich ist.

Bild entfernt. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Thermalbad in den ehemaligen Hürlimann-Kellerräumen einzurichten?

Es gibt in Zürich nur zwei Standorte mit Thermalwasser: Tiefenbrunnen und Hürlimann-Areal. Als ich vor 13 Jahren mit dem letzten Braumeister das Hürlimann-Areal besichtigte, war für mich, nachdem ich durch die Gewölbekeller bis aufs Dach des Sudhauses gestiegen war, klar, dass die gesamten Räumlichkeiten der sogenannten Berganlage der Brauerei als ein Komplex erlebt und bebadet werden müssen. Daraus entstand die Idee des vertikalen Bads – von den Gewölbekellern bis zum Dachbad. In einer ersten Phase belegte das Badprojekt entsprechend auch alle Gebäudeteile. Im Rahmen der Redimensionierung implementierte ich vor vier Jahren dann den Hotelkomplex in die oberirdischen Geschosse des Sud- und Maschinenhauses.

Gab es vom Denkmalschutz her Auflagen zu berücksichtigen?

Selbstverständlich, dies war aber auch die Herausforderung. Ein Thermalbad nach heutigen Bedürfnissen in eine denkmalgeschützte Struktur einzugliedern, was wiederum aber auch die Stärke und Einmaligkeit des Projekts ist. Entsprechend wurde von Beginn weg die Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege gesucht und schlussendlich mit Althammer Hochuli als Architekten gelebt.

Die Anlage ist fast fertig gebaut. Entspricht Sie Ihren Vorstellungen?

Ja. Ich bin jedes Mal immer wieder von Neuem überwältigt von der Atmosphäre und der Kraft, die diese Räume ausstrahlen, als ob sie schon immer auf diese Nutzung gewartet hätten. Die Räume sind Zeitzeuge einer über hundertjährigen Baukultur und gleichzeitig Kraftort und Ort der Entspannung. Man fühlt sich in den Gewölbekellern geborgen wie in Mutters Schoss und kann alles um sich herum vergessen. Im Dachbad öffnet sich jedem Besucher Blick, Geist und Seele und man erlebt ein unheimliches Gefühl von Freiheit.

Welche Kundschaft sprechen Sie mit dem Bad-Angebot in erster Linie an?

Grundsätzlich sind alle bei uns willkommen und dies ist nicht nur als Floskel gemeint. Um dem gerecht zu werden, haben wir zwei Bereiche geschaffen, den Thermal- und den Spa-Bereich mit dem irisch-römischen Baderitual. Ersterer ist für alle inklusive Kinder konzipiert, wobei wir keine Rutschen und dergleichen anbieten. Der Spa-Bereich ist ausschliesslich Erwachsenen vorbehalten, die Ruhe suchen. Im Spa bieten wir auch Massagen und Treatments an, diese sind aber im Gegensatz zu herkömmlichen Angeboten bei uns in den Spa-Ablauf integriert.

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