Personenfreizügigkeit: Jede fünfte Kontrolle zeigt Verstösse gegen Schweizer Arbeitsregeln
Mit dem Abkommen über die Personenfreizügigkeit mit der EU entfielen ab 2004 die vorgängigen Kontrollen, die eine Voraussetzung sind, damit eine Arbeitsbewilligung erteilt werden kann. Um zu verhindern dass die Öffnung des Arbeitsmarktes die Löhne unter Druck setzt, führte man die flankierenden Massnahmen ein.
Heute Montag hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) die Berichte 2023 zu den flankierenden Massnahmen im Bereich der Personenfreizügigkeit und zur Bekämpfung der Schwarzarbeit veröffentlicht: In den Branchen ohne Gesamtarbeitsvertrag (GAV) lag im vergangenen Jahr die Lohnunterbietungsquote der kontrollierten entsendenden Unternehmen bei 21 Prozent. In den Branchen mit allgemeinverbindlichem Arbeitsvertrag verstiessen 23 Prozent der kontrollierten Betriebe gegen die Regeln.
Lohndumping und Scheinselbstständigkeit
Auch Schweizer Unternehmen haben Arbeitnehmende aus dem Ausland beschäftigt. Diese werden von den zuständigen Stellen ebenfalls kontrolliert. Bei elf Prozent der Kontrollen solcher Unternehmen sei Lohndumping festgestellt worden, hiess es. Bei den selbstständigen Dienstleistungserbringern aus dem Ausland sei bei sechs Prozent der 4718 Kontrollen eine Scheinselbstständigkeit vermutet worden.
Der Arbeitnehmer-Dachverband Travail Suisse geht davon aus, dass die Lohnunterbietungen teilweise sehr hoch sind, wie er heute Montagnachmittag mitteilte. Ein echter Lohnschutz sei vor allem dann möglich, wenn in GAV oder Normalarbeitsverträgen minimale Lohnuntergrenzen festgehalten würden, die klare Verhältnisse schüfen und entsprechend ohne Spielräume gälten.
Erfolgreiche Verständigungsverfahren
Aufgrund einer Unterbietung der üblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen wurden gemäss Mitteilung des Seco im vergangenen Jahr 1628 Verständigungsverfahren eröffnet. 81 Prozent der Verfahren mit Entsendebetrieben seien erfolgreich abgeschlossen worden. Bei den Schweizer Unternehmen habe diese Quote bei 54 Prozent gelegen. Der Unterschied zwischen den schweizerischen und ausländischen Unternehmen sei insbesondere darauf zurückzuführen, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz keine Sanktionen drohten, wenn eine Unterbietung der üblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen festgestellt werde, schrieb Travail Suisse. Für die Entsendebetriebe bestünden wirksame Sanktionsmöglichkeiten.
Laut dem Seco kontrollierten 2023 die Vollzugsorgane die Lohn- und Arbeitsbedingungen von 158'848 Personen in 36'587 Unternehmen. Es seien 7 Prozent der Schweizer Arbeitgebenden, 26 Prozent der Entsandten und 31 Prozent der selbstständigen Dienstleistungserbringenden kontrolliert worden. Somit sei die Zielgrösse von 35'000 Kontrollen erreicht worden.
Über 40'000 Personen auf Schwarzarbeit kontrolliert
Im Rahmen der Schwarzarbeitsbekämpfung wurden 13'644 Betriebe und
43'563 Personen kontrolliert, wie es weiter hiess. Die Kontrollschwerpunkte seien auf das Baunebengewerbe, das Gastgewerbe, den Handel und das Bauhauptgewerbe gelegt worden. Im Nachgang zu den Kontrollen seien 12'500 Verdachtsmomente an die zuständigen Behörden zur weiteren Abklärung übermittelt worden. Bei 3941 Meldungen seien im Nachgang zu den Kontrollen Massnahmen getroffen oder Sanktionen verhängt worden.