Nutzfahrzeuge: Ökologischer Fahren mit Dimethylether
Künftig sollen Nutzfahrzeuge weniger CO2 ausstossen und strengere Abgasgrenzwerte erfüllen. Ein möglicher Alternativtreibstoff ist Dimethylether. Die Empa erforscht dieses neue Antriebskonzept.
Quelle: Empa
Öko-Tuning: Der Dieselmotor am Empa-Prüfstand wurde auf DME angepasst.
Wegen immer strengerer Umweltgesetze – besonders in Bezug auf Stickoxide - weht Betreibern von Nutzfahrzeug- und Lastwagenflotten ein eisiger Wind entgegen. Wer nicht auf die neuste oder vielmehr umweltfreundlichste Technologien setzt, muss in vielen Ländern erhöhte Mautgebühren oder Steuernachteile befürchten.
Darum ziehen zahlreiche Nutzfahrzeughersteller und -betreiber um die Umweltverträglichkeit ihrer Flotte zu verbessern alternative Antriebe in Betracht. Jedoch eignen sich für Nutzfahrzeuge im Langstreckenbetrieb Elektroantriebe kaum: Die Batterien wären zu schwer, die Ladezeiten zu lang und die erforderlichen Ladeleistungen zu hoch für einen konkurrenzfähigen Einsatz.
Wasserstoff könnte dieses Problem lösen: Ab September 2020
rollen in der Schweiz die ersten Brennstoffzellen-Lastwagen von Hyundai im
kommerziellen Versuchsbetrieb. Auch synthetisches Erdgas aus überschüssigem
Ökostrom wird erforscht: Am Mobilitätsdemonstrator „move“ der Empa werden ab
2021 die ersten Erdgas-Lastwagen damit betankt. Doch es gibt noch eine weitere
Alternative, der sich für Langstreckentransporte eignen würde: Dimethylether (DME).
Spraydosen und Kältemittel
Die Chemikalie DME wird im Massstab von mehreren zehntausend Tonnen jährlich hergestellt. Der Stoff steckt als Treibgas in Spraydosen oder ist Bestandteil von Kältemitteln in Kühlanlagen. Daneben ist DME als Zwischenprodukt in der chemischen Industrie weit verbreitet. Sein Vorteil: Es lässt sich kostengünstig und beinahe verlustfrei aus Methanol herstellen, dies wiederum ist mit Strom aus Solar- und Windenergie günstig darstellbar. DME bietet also die Chance, Lastwagen CO2-neutral fahren zu lassen.
Ein weiterer Vorteil: DME hat ähnliche Eigenschaften wie Flüssiggas. Es kann – anders als Wasserstoff – in günstigen Tanks unter geringem Druck in flüssiger Form befördert und aufbewahrt werden; auch die Technik für Tankanlagen ist kostengünstig, weltweit bekannt und bereits jahrzehntelang im Einsatz. Weil im Dimethylether Sauerstoff chemisch gebunden ist, verbrennt der Stoff noch dazu besonders sauber und mit geringer Russbildung.
Versuche mit Dimethyleter laufen schon länger
Schon in der Vergangenheit gab es Versuche mit Dimethylether als Treibstoff: Volvo Trucks führt seit 2013 in Schweden und in den USA Praxisversuche mit Experimental-Lastwagen durch, die mit DME betrieben werden. In Deutschland läuft seit 2016 ein Forschungsprojekt, koordiniert vom „Ford Research and Innovation Center“ Aachen. Der Motor wurde bereits in einen Ford Mondeo eingebaut und erprobt.
Nun wird die Empa, gemeinsam mit der FPT Motorenforschung AG Arbon, dem Politechnico di Milano, dem Schmierstoffhersteller Motorex und weiteren Partnern auf den bisher gewonnenen Erkenntnissen aufbauen. In einem Prüfstand der Empa-Abteilung Fahrzeugantriebssysteme ist seit Anfang Juli 2020 der Versuchsmotor in Betrieb, der fundierte Daten zu Brennverfahren, Effizienz und Umweltfreundlichkeit von DME im Nutzfahrzeugsektor liefern soll.
„Wir kennen diesen Motor schon sehr gut“, sagt Projektleiter Patrik Soltic. „Der Motorblock stammt von einem Cursor 11-Nutzfahrzeugmotor des Herstellers FPT Industrial und dient uns bereits seit fünf Jahren für diverse Forschungsprojekte. In den vergangenen Monaten haben wir ihn zusammen mit unserem Partner FPT auf DME umgerüstet.“ Das war nicht ganz einfach: Das leichtflüchtige DME besitzt im Gegensatz zu Dieseltreibstoff praktisch keine Schmiereigenschaften, was vor allem die Hochdruckpumpe des Common-Rail-Einspritzsystems rasch zerstört hätte.
Keine Additive im Treibstoff
Die Forscher wollen ihren Versuchsmotor mit reinem DME
betreiben, ohne Zusatz von schmierenden Additiven, wie dies bei früheren
Projekten üblich war. Zusammen mit einem grossen europäischen Zulieferer wurde
also eine neue, ölgeschmierte Common-Rail-Pumpe entwickelt. Zudem wurden die
Ventile und Ventilsitzringe auf DME-taugliches Material umgerüstet. Auch ein
elektrisch betriebener Kompressor für eine präzise Abgasrückführung kommt zum
Einsatz. Schliesslich sind auch die Brennräume und das Verdichtungsverhältnis
des ehemaligen Dieselmotors angepasst worden. Die neue Form der Brennräume
wurde mit Hilfe von mathematischen Simulationen am Politechnico di Milano
errechnet. Mitfinanziert wird das Forschungsprojekt vom Bundesamt für Energie
(BFE).
Mit Abgasrückführung Stickoxide einsparen
„Nun wollen wir die Maschine mit dem neuen Treibstoff kennenlernen“, sagt Soltic. Die Forscher beginnen dabei mit einem im Autobahnbetrieb üblichen Mittellast-Bereich, bei dem der Motor 100 kW Leistung liefern muss. „Dann modifizieren wir unter anderem den Zeitpunkt und den Druck der Einspritzung, schauen uns die Abgaswerte und den Treibstoffverbrauch an.“
Der grosse Vorteil beim DME-Betrieb liegt laut Soltic liegt in der Möglichkeit, in fast allen Betriebszuständen einen sehr hohen Anteil Abgas in die nächste Füllung des Zylinders zu übernehmen, mittels der sogenannten Abgasrückführung (AGR). Diese Technik ermögliche es, viel Stickoxide einzusparen, was die Abgasreinigung hinter dem Motor entlastet und es erlaubt zukünftige, strengere Grenzwerte sicher zu erfüllen. Bei fossilem Diesel führen hohe Abgasrückführraten zu ansteigenden Partikelemissionen, dies ist bei DME nicht der Fall.
Während der Testphase ziehen die Empa-Forscher immer wieder Proben des Motoröls, um chemischen Veränderungen auf die Spur zu kommen. Die Ergebnisse landen beim Projektpartner Motorex, der die Daten nutzt um ein neues, speziell auf den DME-Betrieb angepasstes Motoröl zu entwickeln.
„Derzeit befinden wir uns noch in der prä-kompetitiven Phase
der Forschungsarbeit“, sagt Soltic. Die Ergebnisse des Projekts sind teilweise
öffentlich und werden unter den Wettbewerbern im Fahrzeugbau gemeinsam
diskutiert. Plattform hierfür ist die 2001 gegründete „International DME
Association“ mit derzeit 50 Mitgliedern aus Industrie und Forschung. „Doch
irgendwann wird jeder seine Ergebnisse für sich behalten wollen“, resümiert der
Empa-Forscher. „Dann ist es wichtig, dass wir die Technik beherrschen, um als
Forschungspartner für die Industrie wertvollen Input liefern zu können.“ (mgt/mai)