Negative Strompreise nehmen in der Schweiz stark zu
Neu sind negative Marktpreise für Strom zu gewissen Zeiten nicht. Allerdings hat sich Anzahl Stunden mit negativen Preisen in der Schweiz stark erhöht. Grund: der Zubau bei der Solarenergie.
Grundsätzlich sind negative Marktpreise für Strom an bestimmten Tagen zu bestimmten Stunden nicht neu. «Sie treten typischerweise an Sonn- und Feiertagen sowie zur Mittagszeit auf, das heisst wenn der Stromverbrauch gering und die Stromproduktion hoch ist», heisst es beim Verband der Schweizer Elektrizitätsunternehmen (VSE) gegenüber der Nachrichtenagentur AWP.
Bei einem «zu hohen» Angebot der erneuerbaren Energie kann es zu negativen Preisen kommen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn das Wetter von den Prognosen abweicht, das heisst, wenn die Sonne viel stärker scheint oder viel mehr Wind weht als wie am Tag zuvor noch erwartet worden ist. – Es wird jeweils entsprechend der Wetterprognosen geplant, wie viele andere Kraftwerke noch zusätzlich laufen müssen, damit die für den folgenden Tag prognostizierte Nachfrage gedeckt werden kann. Weichen die Vorhersagen stark ab, wird am nächsten Tag insgesamt zu viel Strom produziert, wenn die Nachfrage den Prognosen entsprechen.
Am europäischen Kurzfristhandel nehme die Volatilität zu, erklärt Andy Sommer von der Axpo. Der europäische Strommarkt habe im ersten Halbjahr 2024, insbesondere im zweiten Quartal, einen deutlichen Anstieg der Anzahl Stunden mit negativen Preisen verzeichnet. Eine konjunkturbedingt tiefe Nachfrage treffe auf ein wachsendes Stromangebot aus Wind-, Solar-, Wasser- und französischen Kernkraftwerken, so der Experte.
Solarenergieanlagen und Windkraftwerke
Negative Strompreise ergeben sich laut BKW sich vor allem bei hoher Stromproduktion aus Solarkraft ergeben. «Während das Phänomen in Italien noch nicht auftritt und in Deutschland ähnlich ist wie in den Jahren 2019/2020, hat es sich seit 2023 in Frankreich und der Schweiz mit verstärktem Solarzubau verschärft.» In Deutschland, dem Markt mit der höchsten installierten Solarkapazität, werde zunehmend versucht, den Betrieb der thermischen Kraftwerke anzupassen, um negative Preise zu vermeiden. Diese Kraftwerke sind jedoch nicht beliebig flexibel und benötigen eine gewisse Zeit zum Hochfahren.
Gemäss Alpiq hat sich Anzahl Stunden mit negativen Preisen habe sich in der Schweiz in diesem Jahr stark erhöht: von bisher unter 100 pro Jahr auf bereits über 200 Stunden in diesem Jahr. Zudem änderte sich auch das Muster: «Während negative Preise bislang nur an Wochenenden und Feiertagen auftraten, gab es in diesem Jahr auch negative Preise unter der Woche respektive an Arbeitstagen», heisst es bei dem Stromkonzern.
Mit dem weiteren Ausbau bei der Solarenergie und Windkraft dürften sich die Tage und Stunden weiter häufen, an denen negative Preise auftreten. Das Phänomen «wird sich verschärfen, solange es nicht möglich ist, die PV-Anlagen grossflächig abzuschalten oder den Strom anderweitig zu nutzen», heisst es bei Repower. Gefragt sind dabei Möglichkeiten der Speicherung und Verbrauchsverschiebung sowie Power-to-X, zum Beispiel die Produktion von Gas mithilfe von Strom. (awp/sda/mai)