Miet- und Pachtwesen: 42 Prozent mehr Schlichtungsverfahren
Streitigkeiten im Miet- und Pachtwesen haben deutlich zugenommen, dies zeigen aktuelle Zahlen vom Bundesamt für Wohnungswesen (BWO). Demnach wurden zwischen Januar und Juni 2023 im Vergleich zum Vorsemester 42,2 Prozent mehr Verfahren eingeleitet.
17‘519 neue miet- oder pachtrechtliche Schlichtungsverfahren seien zwischen Januar und Juni 2023 eingeleitet worden, heisst es in einer Mitteilung des BWO von Dienstag. Deutlich mehr erledigte Fälle gab es laut Mitteilung bei Mietzinserhöhungen und Nebenkosten.
Die Zunahme von 42,2 Prozent im Vergleich zum Vorsemester steht laut BWO wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Anstieg des hypothekarischen Referenzzinssatzes am 2. Juni 2023.
Neuzugänge in Zürich verdoppelt
Im Kanton Zürich hat sich die Anzahl der Neueingänge mehr als verdoppelt und ist laut Mitteilung von 2116 auf 4601 gestiegen. Diese Summe von neuen Verfahren mache 26,26 Prozent der gesamtschweizerischen Neueingänge aus, schreibt das BWO.
In den Kantonen Luzern, Schwyz und Uri gab es ebenfalls eine Zunahme von mehr als 100 Prozent bei den Neueingängen. Ein minimaler Rückgang war hingegen im Kanton Genf zu verzeichnen. Die Schlichtungsbehörden haben zudem schweizweit 1709 Verfahren mehr erledigt als im Vorsemester.
Zusammen mit den Neuzugängen hatten die Schlichtungsbehörden im 1. Halbjahr 2023 insgesamt 23‘723 Verfahren zu behandeln. Davon konnten 13‘395 abgeschlossen werden. In 7572 oder in 56,5 Prozent der erledigten Verfahren sei zwischen den Parteien eine Einigung durch einen Vergleich, eine Klageanerkennung oder einen Klagerückzug erzielt worden.
Keine Einigung bei 2024 Verfahren
Nicht einigen konnten sich die Parteien bei 2024 Verfahren (15,1 %). Das führte zur Erteilung einer Klagebewilligung. 2852, respektive 21,3 % der Fälle wurden durch Rückzug, Nichteintreten, Gegenstandslosigkeit oder Überweisung an ein Schiedsgericht erledigt. In 32 Fällen kam es zu einem aussergerichtlichen Mediationsverfahren anstelle der Schlichtungsverfahren.
Bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 2000 Franken wurden in der Berichtsperiode 108 Entscheide gefällt (0,8% der erledigten Fälle), was laut dem Bundesamt vergleichsweise hoch ist. 563 Urteilsvorschläge wurden von den Parteien angenommen (4,2 %). 276 Urteilsvorschläge wurden abgelehnt, was zur Erteilung einer Klagebewilligung führte (2,1 %).
Hauptgründe für Schlichtungsverfahren
Die Auswertung der Gründe bei den erledigten Verfahren zeige, dass die ordentliche Vertragskündigung mit 16,66 % sowie die Zahlungsaufforderung mit 14,01 % den grössten Anteil bildeten, heisst es weiter. Der Anteil der Mietzinserhöhungen an den erledigten Verfahren ist im Berichtszeitraum von 7,19 % im 2. Halbjahr 2022 auf 9,63 % gestiegen.
Auch wenn es in den Kantonen Genf und Zürich hinsichtlich der Anzahl Neueingänge gegensätzliche Entwicklungen gegeben habe, seien in beiden Kantonen mehr Verfahren wegen Mietzinserhöhung erledigt worden, so das BWO. Zudem sei der Anteil der Verfahren wegen Nebenkosten an allen erledigten Verfahren von 3,21 % im Vorsemester auf 4,02 % angestiegen. (mgt/pb)
Rolle der Schlichtungsbehörden
Bei zivilrechtlichen Streitigkeiten wird vor dem richterlichen Entscheidungsverfahren ein Schlichtungsversuch vor der Schlichtungsbehörde durchgeführt. Bei Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen besteht die Schlichtungsbehörde aus einer unabhängigen vorsitzenden Person und der paritätischen Mieter- und Vermietervertretung. Das Verfahren richtet sich nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO). (mgt)